Lockerung im Strafvollzug

Mehr Ausgangsrechte für schwere Jungs


Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird sich die Zahl der Ausführungen von Häftlingen auch in der JVA Straubing erhöhen.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird sich die Zahl der Ausführungen von Häftlingen auch in der JVA Straubing erhöhen.

Von Redaktion idowa

Das Bundesverfassungsgericht hat den Strafvollzug im Herbst vergangenen Jahres vor neue Hürden gestellt. Den Beschlüssen zufolge, haben demnach auch Strafgefangene, bei denen Fluchtgefahr besteht, einen Anspruch darauf, die Gefängnismauern von Zeit zu Zeit zu verlassen. All das im Sinne der Resozialisierung. Doch was bedeutet das nun im Einzelnen?

Stein des Anstoßes waren die Beschwerden von drei Männern, allesamt zu langen Haftstrafen verurteilt. In einem Fall wegen Mordes, im zweiten Fall wegen Totschlags und im dritten Fall wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und Besitzes von Kinderpornographie. Die drei Männer saßen zu dieser Zeit bereits seit sieben, zwölf und 14 Jahren im Gefängnis. Alle drei hatten in ihren Justizvollzugsanstalten Ausführungen beantragt, die allesamt abgelehnt wurden. Und genau dagegen legten die Männer Beschwerde ein. Denn nach dem Strafvollzugsgesetz des Bundes dürfen Häftlinge für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht eines Vollzugsbediensteten verlassen.

Konkret geht es in dieser Frage um den sogenannten Erhalt der Tüchtigkeit für ein Leben in Freiheit. Im Klartext: einem Gefangenen soll die Möglichkeit gegeben werden, sich im Falle einer Entlassung im normalen Leben wieder zurechtfinden zu können. Die jeweiligen Justizvollzugsanstalten sahen eine mögliche Resozialisierung durch eine Ablehnung der beantragten Ausführung nicht gefährdet. Das Bundesverfassungsgericht sah das anders. Demnach sei es gerade bei Häftlingen, die lange Freiheitsstrafen verbüßen, notwendig, aktiv den schädlichen Auswirkungen der Haft entgegenzuwirken. Etwaige Sicherheitsbedenken dürften kein Ausschlusskriterium sein, betonten die Richter. In Summe: den Justizvollzugsanstalten bleibt zwar ein gewisser Beurteilungsspielraum, ihren grundrechtlichen Verpflichtungen zur Resozialisierung müssen sie allerdings nachkommen.

"Anzahl der Ausführungen wird sich erhöhen"

Auch die JVA Straubing dürfte dies vor neue Herausforderungen stellen. "Die Entwicklung hierzu bleibt abzuwarten", räumt Anstaltsleiter Hans Amannsberger gegenüber idowa ein. Er gibt allerdings zu Bedenken, dass Ausführungen von Langzeitinsassen in der JVA Straubing bereits seit Jahrzehnten nahezu ohne besondere Vorkommnisse praktiziert würden. Amannsberger: "Durch die jetzt präzisierte Rechtsprechung (…) wird sich die Anzahl der Ausführungen in und um Straubing jedoch erhöhen." Dadurch steigt zweifelsfrei auch der personelle Aufwand. "Nach hiesigem Kenntnisstand wurden für diese ‚neue' Art der Ausführungen (…) beim bayerischen Haushaltsgesetzgeber zusätzliche Planstellen beantragt", berichtet Amannsberger.

Gerold Steiner, Regierungsdirektor des Bayerischen Justizministeriums, weist darauf hin, dass der Schutz der Bevölkerung oberste Priorität hat. "In jedem Einzelfall muss sichergestellt werden, dass Gefangene entsprechende Ausführungen nicht missbrauchen, um sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe zu entziehen oder weitere Straftaten zu begehen", so Steiner. Bestehe eine solche Gefahr, sei gründlich zu prüfen, ob man dem mit zusätzlichen Weisungen oder Auflagen hinreichend begegnen könne. Steiner: "Denkbar ist insofern etwa eine Begleitung durch mehrere Vollzugsbedienstete oder eine Fesselung des Gefangenen während der Ausführung."

Ein steigendes Gefahrenpotenzial durch mehr Ausführungen sieht Hans Amannsberger indes nicht: "Größere Gefahren gehen hiervon nicht aus. Zwar gibt es auch bei Ausführungen keine hundertprozentige Sicherheit, dass nichts passieren kann, jedoch darf auf die jahrzehntelange Praxis verwiesen werden, bei der es so gut wie keine besonderen Vorfälle gab."