Telefonausfälle bei Niederbayerns Polizei
Wann reißt dem Freistaat der Geduldsfaden?
4. August 2019, 7:00 Uhr aktualisiert am 6. April 2023, 7:03 Uhr
Niederbayerns Polizeidienststellen brauchen seit einigen Wochen Nerven wie Drahtseile. Noch viel mehr aber bräuchten sie intakte Telefonleitungen. Doch damit sah es zuletzt zappenduster aus. Dabei gerät vor allem der Anbieter Vodafone stark in die Kritik. Doch wie beurteilt das Bayerische Innenministerium die Situation?
Viermal innerhalb von vier Wochen standen die Leitungen etlicher Dienststellen still. Und das alleine im Raum Niederbayern. Zwar funktionierte immerhin der Notruf, aber auf anderem telefonischem Wege waren viele Polizeiwachen im Regierungsbezirk teils 24 Stunden lang nicht mehr erreichbar. Nun muss man kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass das zu Problemen führt. "Als öffentliche Behörde sollten wir möglichst ständig telefonisch erreichbar sein. Dass das jetzt wiederholt nicht der Fall war, ist nicht nur für uns, sondern vor allem auch für die Menschen, die sich mit verschiedensten Belangen an uns wenden möchten und müssen, ärgerlich", bestätigt Günther Tomaschko, Sprecher des Polizeipräsidiums Niederbayern, gegenüber idowa.
Gleich zweimal war es allein in dieser Woche wieder so weit. Am Montag hatte es die Polizeidienststellen Dingolfing, Bogen, Mainburg, Vilsbiburg und Rottenburg erwischt.
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Laut Auskunft der Polizei waren viele der betroffenen Dienststellen erst am Dienstagvormittag wieder am Netz. Doch keine 24 Stunden später herrschte plötzlich in zwölf Dienststellen in den Landkreisen Landshut, Dingolfing-Landau, Passau und Freyung-Grafenau Totenstille.
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Bemerkenswert hierbei die völlig voneinander abweichenden Angaben. Während der Anbieter Vodafone gegenüber idowa am Mittwochnachmittag verkündete, die Störung sei lediglich "minimal gewesen und hätte nur in der Zeit zwischen 11 Uhr und 11.30 Uhr" bestanden, berichtete Polizeisprecher Günther Tomaschko, dass viele der Dienststellen erst ab 11.45 Uhr ohne Telefon dastanden. Der Fehler trat also erst 15 Minuten nachdem er angeblich bereits behoben war auf.
Das sagt Vodafone
Nachvollziehbar, dass sich das Verständnis für derlei Ausfälle in Reihen der Polizei in Grenzen hält. "Der Unmut der Polizei ist nachvollziehbar. Eine hundertprozentige Störungsfreiheit im gesamten Bundesgebiet ist allerdings reine Utopie. Das muss man auch ganz klar sagen", antwortet ein Vodafone-Sprecher auf idowa-Nachfrage. Ein schwacher Trost für Niederbayerns Polizeidienststellen. Dort möchte man natürlich tunlichst eine ständige Erreichbarkeit gewährleisten können.
Beim Freistaat Bayern betrachtet man die gegenwärtige Situation mit Argusaugen. Und auch wenn die Telefonverbindung zuletzt zu oft abgerissen ist, der Geduldsfaden scheint es zumindest beim Ministerium noch nicht zu sein. "Die Ausfälle der Telefonanschlüsse von Ende Juni bis Ende Juli sind unbedingt differenziert zu werten und dürfen nicht miteinander vermengt werden, da sie unterschiedliche Ursachen und Wirkungskreise haben", erklärt Michael Siefener, Sprecher des Bayerischen Innenministeriums. So habe die Störung Ende Juni neben den Polizeidienststellen in den Regionen Landshut, Deggendorf und Passau dort auch etwa 20.000 weitere Haushalte betroffen. Die Ursache sei jedoch inzwischen gefunden und behoben.
Das sagt das Ministerium
Anders gelagert ist der Fall dagegen bei den jüngsten Störungen. Siefener: "Diese Ausfälle stehen im Zusammenhang mit der Umstellung der bisherigen Telefonanschlusstechnik hin zur neuen Voice-over-IP-Technik (VoIP)." Der Grund für die Umstellung: die bisher flächendeckend eingesetzte Technik ISDN ist in die Jahre gekommen und hat ausgedient. "Alle TK-Provider, auch die Telekom, rüsten daher aktuell sämtliche Festnetztelefonanschlüsse in ganz Deutschland Zug um Zug auf VoIP um", so Siefener weiter. Und genau dabei kommt es offenbar zu massiven Komplikationen. Und daher auch die letzten Ausfälle bei den niederbayerischen Polizeidienststellen. Siefener: "Im Zuge dieser Umstellung kam es zu einem komplexen Störungsbild im Leitungsnetz der Firma Vodafone, welches nicht nur die Polizei in Bayern, sondern (…) auch andere große Geschäftskunden betroffen hat - auch außerhalb Bayerns."
Dennoch kann diese angespannte Situation freilich kein Dauerzustand werden. "Überlegungen zur Verbesserung der Betriebsstabilität werden auch während der Vertragslaufzeiten bis zur bayernweiten Folgeausschreibung immer wieder neu bewertet und hoch gewichtet", gibt Siefener zu Bedenken. Vodafone also auf dem Prüfstand? Zumindest weist der Sprecher des Innenministeriums darauf hin, dass "eine doppelte Absicherung durch mehrere Provider neben vertragsrechtlichen auch technische Grenzen hätte". Gänzlich hilflos ist man Vodafone dennoch nicht ausgeliefert. Denn hierfür gibt es vertraglich festgelegte Störungsklassen, Serviceklassen und Entstörzeiten. Siefener: "Kommt Vodafone durch Überschreiten der festgelegten Entstörzeiten in Verzug, fallen entsprechende Vertragsstrafen an."