Feiern wie in Walhalla
So tickt ein Metaller: Ein Besuch beim Summer Breeze Open-Air
31. August 2016, 11:50 Uhr aktualisiert am 31. August 2016, 11:50 Uhr
Feiern, tafeln, trinken, kämpfen: so ungefähr stellten sich unsere germanischen Vorfahren das Leben im Kriegerhimmel Walhalla vor. Auf einem Metal-Festival hätten sie sich daher sicher pudelwohl gefühlt, mit dem Unterschied, dass das Kämpfen in diesem Fall "Moshen" heißt und bis auf ein paar blaue Flecken größtenteils unblutig abläuft.
Das Summer Breeze ist das zweitgrößte Metal-Open-Air-Festival Deutschlands und lädt seit 1997 zum Headbangen ein - allein dieses Jahr strömten 35 000 Freunde der harten Musikrichtung und ihrer breit gefächerten Stile auf die Festival-Äcker beim mittelfränkischen Dinkelsbühl. Hier treffen stolze Bärte, Nieten und Kilts auf Spitzenkleider, Blumenkronen, Einhorn-Kostüme und "Free Hugs"-Schilder - eine schwarzbunte Mischung aus Camping-Ausflug, Party und viel Musik, vier Tage lang.
Eröffnet wird das Spektakel traditionell von der Illenschwänger Blaskapelle, und die schwarzgewandete Menge headbangt und crowdsurft dazu, was das Zeug hält. Mittendrin: einige erst leicht irritierte, aber zunehmend gut gelaunte Senioren aus den umliegenden Dörfern, die als Anwohner kostenlosen Zutritt haben. Wie auch in Wacken haben sich die Bewohner des verschlafenen Nachbarörtchens Illenschwang mit den Kutte tragenden Musikfans arrangiert, die den Ort dafür feiern wie eine Pilgerstätte.
Metaller sind auch nur Nerds
Trotz oder vielleicht gerade wegen der harten Klänge, die Metaller gerne hören, sind sie außerhalb des Moshpits ein extrem friedliches Völkchen. Die meisten sind Gamer, Informatiker, Rollenspieler, Comicfans und begeisterte Leser von Fantasyliteratur - also Nerds wie aus dem Lehrbuch. Viele Metalheads konnten von kleinauf mehr mit klassischer Musik als mit Charthits anfangen, schrammten später als notorische Außenseiter herum und landeten schließlich in der Metal-Kultur. Die Bands kennen - und feiern - ihr Klientel: "Equilibrium" vertonten am Ende ihres Auftritts das Titelthema des Computerspiels "Skyrim" und die Band "Grailknights" lieferte sich auf der Bühne in wehenden Capes einen epischen Zeitlupen-Schwertkampf mit einem Skeletor-Verschnitt. Danach legten sie ein Medley aus "Saber Rider and the Star Sherrifs", "Spider-Man" und "Teenage Mutant Ninja Turtles" als Zugabe nach.
Einer der prominentesten Headliner dieses Jahr waren die Power Metal-Giganten "Sabaton" aus Schweden. Deren Programm lässt sich recht gut mit "bombastischer Geschichtsunterricht" beschreiben - ihre Lieder handeln von Geschehnissen und Persönlichkeiten aus historischen Schlachten und Kriegen. Das alles wird vorgetragen mit launigen Melodien und viel Pathos, aber ohne Partei zu ergreifen. Von Liedern über den Widerstand gegen das Dritte Reich bis hin zur gerade erschienenen Hymne "Shiroyama", die vom Untergang der letzten Samurai berichtet, ist historisch so ziemlich alles dabei. "Wir haben den besten Job auf der Welt!", rief Frontmann Joakim Brodén ins Publikum, ehe sich die Bühne wieder in ein von Feuersäulen erleuchtetes Flammenmeer verwandelte.
Schließfach-Probleme
Um den auf Veranstaltungen dieser Größe immer vorkommenden Diebstählen vorzubeugen, war ein zum Schließfach-Bunker recycelter Schiffscontainer auf dem Gelände aufgestellt worden. Der tief in den AGBs des Festivals versteckte Hinweis, dass der Container am letzten Tag versiegelt werden würde, war an den meisten Besuchern aber vorübergegangen und Flugtickets, Pässe und Geld waren am Abreisetag für die Besitzer unerreichbar. Und trotz guter Ratschläge der Polizei - auf den Schließfachdienst aus Berlin mussten die Besucher trotzdem warten, und gegen Banden auf der Jagd nach Elektronik war auch kein Kraut gewachsen. Mir wurde zum Beispiel das Equipment entwendet; allerdings fand am nächsten Morgen ein Metaller die Ausrüstungstasche und schickte sie sofort per Post weiter. Einen Finderlohn lehnte er ab - Hilfsbereitschaft sei unter Metalheads doch selbstverständlich.