Kulturschaffende schlagen Alarm

Künstler in Coronakrise: Schuldenberg statt Altersvorsorge


Helmut Schleich (Hier als Franz Josef Strauß) findet Söders Äußerungen "unverschämt".

Helmut Schleich (Hier als Franz Josef Strauß) findet Söders Äußerungen "unverschämt".

Von Paul Nöllke

Künstler und Musiker kritisieren die Maßnahmen der Staatsregierung.

München - Auf der Bühne steht eine E-Gitarre. Sie ist weiß-blau, ihr Körper hat die Form des Freistaats. "Mit der wollten schon viele Ministerpräsidenten ein Foto", sagt Bernd Schweinar, Geschäftsführer des Verbands für Popmusik in Bayern. "Die Gitarre steht heute hier für die Freiheit und die Kultur in Bayern."

Auf der Bühne im Feierwerk haben sich um Schweinar - auf Stühlen in gebührendem Corona-Abstand - der Kabarettist Helmut Schleich, Event-Veranstalter Wolfgang Ramadan und die Musiker Roland Hefter, Mathias Richter und Kathrin Feldmann versammelt. Sie wollen auf die Situation der Kulturschaffenden in der Corona-Krise aufmerksam zu machen. "Vor wenigen Wochen hatte ich noch eine Altersvorsorge, jetzt stehe ich vor einem Haufen Schulden", fasst Künstler und Veranstaltungsmanager Wolfgang Ramadan die Situation vieler seiner Kollegen zusammen. Ramadans Veranstaltungsfirma wird im Rettungsschirm des Staats nicht berücksichtigt, er hat nur die Soforthilfe bekommen. "Die 9.000 Euro waren nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Ramadan. "Das deckt bei uns nichtmal einen Monat ab." 30.000 Euro habe er allein für Werbung ausgegeben. "Das ist jetzt einfach verpufft."

"Bizarr, wenn uns Beamte vorschreiben, wie wir Theater machen sollen"

Solche Probleme teilen die anderen auf der Bühne. Nur in ihren Lösungswünschen sind sie etwa so weit voneinander entfernt, wie die Stühle, auf denen sie sitzen. Während sich Wolfgang Ramadan eine direkte finanzielle Förderung für selbstständige Künstler vom Freistaat wünscht - gemessen am Einkommen der letzten Monate -, will Helmut Schleich eine Perspektive, wann er wieder auftreten darf. "In Österreich ist bereits klar, wann wieder wie viele Leute zu einer Veranstaltung dürfen", sagt Schleich. "Da habe ich zumindest mal eine Perspektive!" Dass Söder im Fernsehen erkläre, dass es kaum noch Einschränkungen gibt, sei eine Unverschämtheit. "Die Theater sind alle dicht, die haben keine Perspektive." Der Vorschlag, dass Theaterstücke am besten mit nur einem oder zwei Schauspielern stattfinden sollten, ärgert Schleich. "Es ist doch bizarr, wenn uns Beamte in Berlin und München vorschreiben, wie wir Theater machen sollen." Vor halbleeren Sälen aufzutreten, sei "künstlerisch eine Zumutung".

Dem widerspricht Liedermacher und SPD-Stadtrat Roland Hefter. Die Staatsregierung könne das Virus halt nicht verbieten, Vorsicht sei durchaus angemessen. Die Regierung müsse aber unsubventionierte Künstler mit Geld unterstützen, sonst drohe eine Krise in der bayerischen Kulturszene.

"Straßenmusiker müssen wieder musizieren dürfen"

Mathias Richter, Bassist der Band "Schandmaul" sorgt sich derweil auch um Techniker, Bühnenmitarbeiter und Caterer, die jetzt ohne Job dastehen. "Wenn wir ein Konzert geben, dann sitzen da 18 Leute im Tourbus, nur sechs davon sind Musiker", so Richter. Auch um diese Leute müsse sich die Politik kümmern, sie würden zur Zeit komplett alleingelassen. Die Musikerin Kathrin Feldmann will eine Erleichterung bei den Vorschriften für Auftritte. "Musik muss wieder vor Publikum möglich sein", fordert Feldmann, die auch zur Coronakrise Konzerte am Odeonsplatz veranstaltete. "Auch Straßenmusiker müssen wieder musizieren dürfen", fordert sie. Feldmann will aber keine Spenden in Anspruch nehmen. "Wir sind keine Bittsteller."

Trotz verschiedener Wünsche sind sich die Kulturschaffenden am Ende einig: Sie fühlen sich von der Staatsregierung allein gelassen und fürchten um ihre Existenz. "Eine direkte Förderung von unsubventionierten Künstlern ist wirklich nur ein kleiner Schritt für den Staat, wäre aber ein riesiger Schritt für unseren Kulturstaat", sagt Ramadan.

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