Interview zu Corona-Aktion in München
"Wir als freischaffende Künstler wollen gehört werden"
25. Mai 2020, 11:30 Uhr aktualisiert am 7. April 2023, 23:02 Uhr
Die Corona-Krise in Bayern. Für die Regierung ist das ein schmaler Grat: Gesundheitsrisiko auf der einen Seite, finanzielle Existenzängste auf der anderen Seite. Von letzterem sind insbesondere auch freischaffende Künstler und Musiker betroffen. Denn Konzerte sind bis auf weiteres tabu. Nun regt sich konstruktiver Protest. Einige selbständige Musiker aus Oberbayern haben innerhalb weniger Stunden die "Kulturhymne 2020" komponiert und wollen diese am morgigen Dienstag ab 11 Uhr auf dem Gelände des Feierwerks in München zum besten geben. Hierfür werden noch zusätzliche Musiker gesucht, die ebenfalls ein Zeichen setzen möchten. Im Interview mit idowa spricht Rainer Bartesch, einer der Mitorganisatoren und Komponisten, über die Hintergründe der Aktion.
Herr Bartesch, von wem geht diese ganze Aktion aus und was war der Auslöser dafür?
Rainer Bartesch: Diese musikalische Versammlungsinitiative hat sich vor etwa drei Wochen in München gegründet. Die Idee dazu hatte Katrin Feldmann, eine Sängerin und Therapeutin. Sie ist ebenso wie ich der Ansicht, dass die derzeit geltenden Gesetze für uns freischaffende Künstler schon fast an eine Art Berufsverbot grenzen. Eine Maßnahme, die nicht notwendig ist.
Inwiefern nicht notwendig?
Bartesch: Weil man trotz Corona-Auflagen Musik machen können sollte, vor allem im Freien. Dort kann man die vorgegebenen Mindestabstände einhalten.
Sie haben ja mit Ihrer Initiative in den vergangenen Wochen bereits einige Veranstaltungen am Münchner Odeonsplatz gemacht. Wie liefen diese ab und wie wurden sie angenommen?
Bartesch: Es wurde deutlich, wie wichtig Musik vor allem in diesen Tagen ist. Wir haben gesehen, wie berührt die Menschen davon sind. Insbesondere, wenn die Chorsänger in ihrem abgesperrten Gebiet stehen und singen, dann kullerten da bei einigen Zuhörern vor Rührung die Tränen. Es ist einfach ein ergreifender Moment. Online-Konzerte können keine Live-Musik und die damit verbundenen Emotionen ersetzen.
"Wir sind nicht gegen die Staatsregierung"
Was ist nun Ihr konkretes Anliegen?
Bartesch: Wir als freischaffende Künstler wollen gehört werden und wir wollen, dass wir wieder für unseren Lebensunterhalt sorgen dürfen. Bis dato ist das leider nicht möglich. Biergärten dürfen wieder aufmachen, aber musikalische Veranstaltungen sind nach wie vor verboten. Und genau dagegen gehen wir vor.
Wie würde Ihr Lösungsansatz aussehen?
Bartesch: Grundsätzlich möchte ich betonen, dass wir nicht gegen die Staatsregierung sind. Wir sind gegen niemanden. Wir sind für die Gemeinsamkeit und wir wollen, dass auch für Kultur wieder der nötige Raum geschaffen wird. Das ist auch unter Einhaltung der Corona-Auflagen mit Mindestabständen möglich.
"Wir sind massiv benachteiligt"
Was trifft freischaffende Künstler in der momentanen Situation besonders?
Bartesch: Wir haben hier die besondere Situation, dass der Großteil davon durch die Löcher des aktuellen Rettungsschirms fallen. Davon betroffen ist jeder, der keine Betriebskosten vorweisen kann, der keine eigenen Räumlichkeiten für die Ausübung seines Berufes angemietet hat. Das ist unserer Ansicht nach ein Unding. Denn man muss sagen, dass Kulturschaffende durch ihren Beitrag für das Gemeinwohl eminent wichtig sind. Deshalb wollen wir, dass auch diese Branche die nötige Unterstützung erfährt und alle gleich behandelt werden.
Sie fühlen sich also aktuell benachteiligt...
Bartesch: Ja, wir sind massiv benachteiligt. Für uns ist es nicht nachvollziehbar, warum irgendwelche Firmen, die unter Umständen noch massive Umweltschäden verursachen, Milliardenhilfen bekommen. Auch die Staatstheater werden in großem Umfang subventioniert, wobei es sich da lediglich um eine Umverteilung von Geldern handelt, die sowieso geflossen wären. Der größte Teil der beruflich Kulturschaffenden bewegt sich faktisch außerhalb des Subventionsbereichs. Und genau diese Leute dürfen nicht im Stich gelassen werden.
Was ist nun Ihr Ziel?
Bartesch: Wir wünschen uns, dass möglichst viele Kulturschaffende am Pfingstsonntag, 31. Mai, bayernweit ein Zeichen setzen und dass wir von der Regierung gehört werden.
Entstand so die von Ihnen mitkomponierte "Kulturhymne 2020"?
Bartesch: Ja, ich saß gestern noch die ganze Nacht daran, den Text dazu zu schreiben. Zuvor hatten wir bereits die Musik dazu komponiert. Am morgigen Dienstag soll diese Hymne auf dem Gelände des Feierwerks in München ab 11 Uhr Erstaufführung haben. Selbstverständlich unter Einhaltung aller Corona-Auflagen. Für die musikalische Darbietung suchen wir noch Musiker, die gemeinsam mit uns ebenfalls ein Zeichen setzen wollen.
"alle Arten von Instrumenten willkommen"
Welche Instrumentierung suchen Sie hierfür noch vorrangig?
Bartesch: Es sind Sängerinnen und Sänger und alle Arten von Instrumenten willkommen. Wenn nötig, könnten wir auch für einen Stromanschluss vor Ort sorgen, sodass zum Beispiel auch Keyboards oder Ähnliches mit dabei sein könnten. Gerne aber auch Streich- und Blechblasinstrumente.
Woher bekommen Interessierte in der Kürze der Zeit die Noten?
Bartesch: Das Lied wird nicht schwer zu spielen sein. Interessierte sollten sich einfach per E-Mail unter "contact@rainerbartesch.de" an mich wenden. Wenn möglich bis spätestens um 17 Uhr am heutigen Montag, 25. Mai. Dadurch können wir das Ganze dann noch entsprechend koordinieren.