Nach medialem Eklat
So schlecht steht es um das Münchner "Haus der Kunst"
23. September 2019, 11:50 Uhr aktualisiert am 24. September 2019, 13:10 Uhr
Vor einer Woche flog der Künstler Ai Weiwei medienwirksam aus der Lüpertz-Ausstellung. Peinlich war das - für beide Seiten - und ein Zeichen dafür, dass das Haus der Kunst noch lange nicht in der Spur fährt.
München - Wo saniert wird, fallen Späne. Nur betrifft das im Haus der Kunst noch lange nicht die seit Jahren fällige Generalüberholung, sondern die Bewältigung einer erheblichen Krise. An der Prinzregentenstraße 1 liegt doch mehr im Argen, als es vor ein paar Monaten noch den Anschein hatte: von den Finanzen bis zur Atmosphäre unter den Mitarbeitern, mächtig angeheizt durch die Überlegungen, Aufsichts- und Kassenpersonal auszulagern.
Skandal: Künstler Ai Weiwei fliegt aus dem Haus der Kunst
Von "Massenentlassungen" ist die Rede, und um Druck zu machen, bzw. die Mitarbeiter zu unterstützen, flog Superman Ai Weiwei ein. Der chinesische Künstler "performte" als Aufsicht in der Lüpertz-Ausstellung - unangemeldet - und flog raus. Damit war der Skandal perfekt, und nun liegen die Nerven völlig blank. Der kaufmännische Direktor Bernhard Spies (68) schlägt einen externen Mediationsprozess vor. Das ist ein moderner Notnagel in einer kaum mehr zu überblickenden Umstrukturierung. Was ist los im Haus der Kunst? Und was muss jetzt passieren?
Neue Leitung: Wo bleibt die neue Direktorin, wo der neue Kapitän? Wenn man den Aussagen von Kunstminister Bernd Sibler glauben darf, steht die Präsentation unmittelbar bevor. Eine Kommission aus fünf international vernetzten Koryphäen ist auf der Suche, darunter die Münchnerin Susanne Gaensheimer von der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und Ex-Tate-Direktor Nicholas Serota.
Dringender denn je braucht das Haus der Kunst mit seiner schwierigen Geschichte ein in die Zukunft weisendes künstlerisches Konzept mit einer klaren Kontur. Eine Ausstellungshalle ohne eigene Sammlung funktioniert nur, wenn das Programm zieht. Das ist auch eine der wichtigsten Voraussetzung, um Sponsoren zu gewinnen. Und warum nicht zwischendurch auf eine große Schau setzen, für die in den anderen Münchner Institutionen kein Raum ist?
Finanzielle Notlage im Haus der Kunst
Mehr Geld: Abgesagte Ausstellungen wie die der US-Performance-Künstlerin Joan Jonas im letzten Herbst sind kein Super-GAU, wie es die Grünen-Kultursprecherin Susanne Kurz formuliert, aber sehr unerfreulich. Für die Jonas-Schau haben am Ende 140 000 Euro gefehlt, ein läppischer Betrag, möchte man sagen. Eine weitere Finanzspritze von oben hätte nicht nur in diesem Fall einigen Ärger erspart - und sie wäre nach wie vor nötig. Die finanzielle Schieflage der gemeinnützigen GmbH, die vor allem dem Freistaat gehört, hat lange keinen interessiert, auch nicht die Kontrollorgane. Kunstminister Sibler scheut sich, in den Hinterlassenschaften seines Vorgängers Ludwig Spaenle zu stochern, und blickt lieber nach vorn. Das Haus in dieser Notsituation hängen zu lassen, ist jedoch keine Lösung.
Strukturen: Einen einzigen Mann alles richten zu lassen, ist ein bisschen blauäugig. Als Bernhard Spies im April 2018 antrat, war das Vertrauen groß, der neue kaufmännische Direktor hatte schließlich schon die Bundeskunsthalle in Bonn aus den roten Zahlen geholt. Womit der Hoffnungsträger des Kunstministeriums nicht rechnen konnte, war das Ausmaß der internen Schwierigkeiten. Seit einem Jahr ist Spies gesundheitlich angeschlagen - und macht wacker weiter. Leider gewinnt man den Eindruck, Minister Sibler lässt seine Wunderwaffe im Regen stehen.
Aufsichtspersonal: Dass Mitarbeiter, die Outsourcing fürchten müssen, sich Sorgen machen, ist verständlich. Von einer Massenentlassung zu sprechen, trifft es dann doch nicht ganz. Zumindest nicht rechnerisch. Das Gros des Aufsichts- und Kassenpersonals arbeit in Teilzeit oder als Minijobber, die Organisation dürfte nicht ganz einfach sein. Externe Dienstleister sind allerdings selten eine gute Lösung - und sie kosten genauso.
Warum aber denkt man in München nicht größer? Was spricht gegen einen Verbund der Museen untereinander mit gut geschultem, gerne kunstaffinem, eigenem Aufsichtspersonal? Zumal Museen ein heikles Terrain sind.
Aktuelles Programm im Haus der Kunst
Nach dem (längst verstorbenen) Jörg Immendorff darf sich mit Markus Lüpertz schon wieder ein "alter weißer Mann" im Haus der Kunst ausbreiten. Ein Stockwerk höher residiert mit der Schweizerin Miriam Cahn eine nur acht Jahre jüngere weiße Frau, die dafür immer noch ordentlich Zunder gibt. Und vor Lüpertz war der alte, wenigstens nicht weiße Mann El Anatsui zugange und hat mit seinen Metallnetzen das Publikum gefangen. Ein Traum, diese Ausstellung!
Doch was soll das kleinkrämerische Aufzählen von Äußerlichkeiten? Unten im Bunker sind Sam Taylor-Johnson, Olaf Breuning oder Andro Wekua mit Videoarbeiten vertreten, die senken schon mal den Altersschnitt. Und ab Ende November befassen sich vier Künstlerinnen zwischen 35 und 55 Jahren mit dem Trend, Privates und Intimes nach außen zu tragen.
Einfluss der Galerien: Dass man nach der Immendorff-Ausstellung nun bei Lüpertz schon wieder mit der Galerie Michael Werner zusammenarbeitet, kann man kritisieren. Ginge es dem Haus blendend, müsste man sogar rüffeln. Aber welches Museum stemmt Zeitgenössisches ohne Galerien? Bei Senga Nengudi im Lenbachhaus war u. a. die Galerie Sprüth Magers mit von der Partie.
Und um von den Äpfeln auf die Birnen zu kommen: Seit zwei Wochen wird der Zusammenschluss "Various Others" bejubelt. Dort hat man sich vorgenommen, die Außenwahrnehmung Münchens als Kunststandort zu forcieren. Dass hier Galerien eng mit öffentlichen Museen zusammenarbeiten, stört aber keinen.
Haus der Kunst: Kostenvoranschlag für die Sanierung 2020?
Sanierung: Man glaubt schon nicht mehr daran, und auch für die einst so heftig kritisierten Chipperfield-Pläne scheint sich niemand mehr zu interessieren. Immerhin soll 2020 ein Kostenvoranschlag zur Sanierung des Hauses der Kunst vorgelegt werden. Aber da sind auch noch andere Baustellen wie die Neue Pinakothek, für die die Gelder bereits bewilligt wurden. Und im kommenden Jahr geht es außerdem um die Kosten des geplanten Münchner Konzertsaals. Würde das Haus der Kunst wieder einmal ins Hintertreffen geraten, wäre das tatsächlich ein Desaster.