Kommentar
Flüchtlingskrise: Gabriel muss sich bewegen
4. November 2015, 20:42 Uhr aktualisiert am 4. November 2015, 20:42 Uhr
Am Donnerstag wird sich entscheiden, ob Deutschland in der Flüchtlingskrise politisch handlungsfähig ist. In einer neuen Spitzenrunde wollen CDU, CSU und SPD ihre Gemeinsamkeiten im weiteren Vorgehen ergründen. Nach dem dürren Ergebnis des Gipfeltreffens am vergangenen Sonntag und der Einigung der Unionsschwestern hängt es nun an der SPD. Deren Chef Sigmar Gabriel muss jetzt zeigen, ob er sich der Regierungsverantwortung bewusst ist.
Im Kern geht es noch darum, sich auf mögliche Transitzonen zu einigen, in denen (wohl in Grenznähe) ankommende Asylbewerber mit geringer Aussicht auf Anerkennung registriert und deren Antrag bearbeitet werden soll. Von "Haftanstalten" reden einige Sozialdemokraten dieser Tage. Selbst fordern sie allerdings Einreisezentren. Warum das eine gut, das andere schlecht sein soll, versteht man wohl nur, wenn man auf die anstehenden Landtagswahlen im kommenden Jahr blickt. Gerade die SPD hat da noch einiges an Profilbildung abzuliefern. Ob der etwas merkwürdig wirkende Streit um Einreisezentren oder Transitzonen dazu wirklich beitragen kann, ist allerdings fraglich.
CSU: Das Problem ist, "dass die SPD nicht will"
Am Ende könnte ein Kompromiss stehen, wonach die Transitzonen kommen, aber nicht so heißen dürfen und womöglich nicht direkt an der Grenze errichtet werden, sondern im Hinterland. Und vielleicht wird auch die Union im einen oder anderen Punkt an die Sozialdemokraten noch weitere Zugeständnisse machen müssen.
Kein Wunder also, wenn CSU-Chef Horst Seehofer die angekündigte Verfassungsklage gegen den Bund nicht beerdigt und den früheren Verfassungsrichter Udo Di Fabio mit einem Rechtsgutachten dazu beauftragt hat. Seehofer sieht durch die Flüchtlingspolitik des Bundes die Eigenstaatlichkeit des Freistaats bedroht. Womöglich kann dies den Einigungswillen beim heutigen Treffen beflügeln.
Und Seehofer hat (wenn auch vermutlich unfreiwillig) einen Verbündeten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) setzt auf Kompromisse zwischen Union und SPD, da die derzeitigen Zustände mit Tausenden unregistrierter Flüchtlinge unhaltbar seien. Der Ball liegt damit klar im Spielfeld von Gabriel. Er muss nun entscheiden, was ihm die eigene vermeintliche Profilbildung wert ist. Bei vielen SPD-Kommunalpolitikern ist die Haltung indes ziemlich eindeutig. Auf deren Expertise sollte sich der Parteichef verlassen.