Die idowa-Familienkolumne
Wie Abende mit Kindern aussehen
21. Januar 2022, 8:00 Uhr aktualisiert am 21. Januar 2022, 12:00 Uhr
Als Eltern haben wir eine klare Vorstellung vom abendlichen Familienleben.
Erst wird gemeinsam gegessen. Ob es die Reste vom Mittagessen sind, eine eigens zubereitete leichte Mahlzeit oder eine einfache Brotzeit, sei dahingestellt. Aber man möchte gemeinsam am Tisch sitzen, sich gegenseitig die Ereignisse des Tages erzählen und dabei als Familie zusammenwachsen. Anschließend soll jeder zügig duschen, gefolgt von einer gemeinsamen Folge einer Familienserie. Zuletzt geht jeder entspannt ins Bett und schläft bis zum Morgen durch.
Solche Abende lassen sich in der Realität an einer Schreinerhand abzählen.
Familienmensch - die idowa-Familienkolumne gibt es auch zum Anhören:
Das eine Kind hat abends nämlich keinen Hunger mehr, weil es heimlich den halben Nachmittag mit der Hand in der Gummibärenschüssel verbracht und gleichzeitig irgendeinem Youtuber dabei zugesehen hat, wie er an Basteltipps für Zweijährige scheitert während er altklug Regierungsentscheidungen in Frage stellt. Nun kann nicht geduscht werden, weil die Schulter vom Halten des Handys schmerzt und die Hausaufgaben vergessen wurden. Diese müssen jetzt "gescreenshottet" werden - "fotografieren" sagt man übrigens nicht mehr - damit sie noch auf digitalem Weg zum Lehrer gelangen können.
Das andere Kind wurde auch nicht rechtzeitig zum Start der Familiensendung mit ihrem Abendessen, einem ungebackenen Plätzchenteig - kein Witz -, fertig. Dass man nicht mit der Sendung warten könne, stößt auf Unverständnis. "Wie: Man muss das gucken, wenn es gerade kommt?!" Generation Streaming hat zugeschlagen.
Die Eltern sitzen also allein auf der Couch und schauen fern. Als sie eigentlich ins Bett gehen möchten, setzen sich die Kinder dazu und halten sich weitere Youtubevideos vors Gesicht. Von den Eltern angesprochen reagieren sie nicht. Die Earpods haben eine Funktion, Außengeräusche auszublenden. Klasse! So merken sie wenigstens nicht, wenn die Eltern mit ihnen sprechen. Diese sind ohnehin zum unscharfen Bereich außerhalb des Handys verkommen.
Als der Vater enttäuscht ins Bett schlürft, blickt er noch einmal auf sein Smartphone. Im Status seiner Tochter liest er die Frage, ob der Leser für 100.000 Euro ein Jahr auf einer Insel ohne Internet und Handy leben würde. "Klar!", denkt er sich. "Zahlen würde ich die 100.000 Euro. Wenn ich sie denn hätte."