Politik
Benedikt, der Papst aus Oberbayern: Ein strebsamer Diener des Herrn
1. Januar 2022, 16:46 Uhr aktualisiert am 1. Januar 2022, 16:46 Uhr
"Nicht als ob wir von uns selbst aus etwas vermöchten, sondern unsere Fähigkeit kommt von Gott." 2 Kor, 3.5 - Primizspruch von Joseph Ratzinger.
Schon sein Geburtstag an einem Ostersamstag deutet darauf hin, dass aus dem kleinen Joseph Ratzinger, Sohn des Gendarmeriemeisters Joseph Ratzinger und dessen Frau Maria, einer Köchin, einmal ein gläubiger Mensch werden könnte. Als drittes Kind wird Joseph Aloisius Ratzinger nach seiner Schwester Maria und dem Bruder Georg am frühen Morgen des Karsamstags, 16. April 1927, im oberbayerischen Marktl am Inn geboren und noch am selben Tag getauft.
Die Symbolik des Karsamstags ließ Ratzinger nicht mehr los, schreibt der Papst-Biograf Peter Seewald in "Benedikt XVI. - ein Leben". Im tatsächlichen Sinn nicht mehr los ließ der kleine Joseph, der schließlich die Volksschule in Aschau am Inn besuchte, einen Teddybären, der ihn bis nach Rom begleiten und auch dort noch einen Platz im päpstlichen Appartement finden sollte, so Seewald weiter.
Zuvor war die Familie nach Tittmoning umgezogen. Seine erste Begegnung mit einem hohen Geistlichen hat der kleine Joseph hier, als Münchens damaliger Kardinal und Erzbischof Michael Faulhaber den örtlichen Kindergarten besucht. Er beeindruckt den Vierjährigen so sehr, dass er in diesem Moment beschließt, eines Tages auch Kardinal zu werden.
Doch zunächst bricht der Zweite Weltkrieg aus. Im Zuge der Jugenddienstpflicht kommt Ratzinger in die Hitlerjugend und wird als Flakhelfer in München eingesetzt. Ende 1944 wird er zur Wehrmacht eingezogen. Nach dem Krieg kommt Joseph Ratzinger in US-Gefangenschaft und wird am 19. Juni 1945 entlassen.
Der Terror der Nazis, bekannte der spätere Papst einmal, wie Seewald schreibt, habe seine Entscheidung über den weiteren Werdegang seines Lebens sehr beeinflusst.
Seewald zitiert Ratzinger: "Im Glauben meiner Eltern hatte ich die Bestätigung für den Katholizismus als einem Bollwerk der Wahrheit und der Gerechtigkeit gegen jenes Reich des Atheismus und der Lüge, das der Nationalsozialismus darstellte."
So beginnt Joseph Ratzinger 1946 sein Studium der Theologie und Philosophie in Freising und München, zusammen mit seinem Bruder Georg.
Joseph ist der Jüngste in der Schar der Priesterseminaristen, ein Attribut, das ihn auf mehreren Lebensstationen beschreiben wird.
Er ist unscheinbar, zurückhaltend - und beschäftigt sich am liebsten stundenlang in der Bibliothek, was ihm den Spitznamen "Bücher-Ratz" einbringt. Sein Bruder, der Musiker, wird der "Orgel-Ratz".
Fünf Jahre nach dem Studiumsbeginn, im Juni 1951, werden die beiden Ratzinger-Brüder im Freisinger Dom zu Priestern geweiht. Joseph Ratzingers "stiller Wunsch" sei es immer gewesen, Professor zu werden, dennoch nahm er die Aufgaben eines Seelsorgers ernst. Sein Wunsch sollte sich trotzdem bald erfüllen.
Zunächst ist Joseph Ratzinger für ein Jahr Kaplan in Bogenhausen - "die schönste Zeit meines Lebens". Dort muss er viele Taufen halten, weil in der Pfarrei eine Geburtsklinik liegt, wie er im Interviewband "Letzte Gespräche" (2016) erzählt. "Da war ich nicht einmal so ungeschickt wie sonst immer", berichtet der spätere Papst.
Zweifel gibt es, aber ein direktes Verlangen nach Familie nicht
Zuvor gibt es aber den einen oder anderen Zweifel an seiner Berufung, räumt Ratzinger in Gesprächen mit seinem Biografen ein. Auch eine Frau, deren Name nie verraten wurde, soll dabei eine Rolle gespielt haben. Ein direktes Verlangen nach Familie habe er aber nie gespürt, so Ratzinger im Interviewbuch "Salz der Erde".
1953 dann promoviert Ratzinger über den Kirchenvater Augustinus, sein großes Vorbild, vier Jahre später habilitiert er über den Theologen Bonaventura, wird Studentenseelsorger in Freising.
1958 beginnt Ratzinger mit gerade einmal 26 Jahren als Professor seine Hochschullehre in Freising und wird auf dem Domberg als "jüngster Theologieprofessor der Welt" gefeiert. Es folgen Stationen in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg. Dort ist Ratzinger übrigens gern auf dem Radl unterwegs, später in München als Bischof aber nicht mehr. "So unkonventionell wagte ich nicht zu sein", sagte er darüber dem Biografen Seewald später.
Von 1962 bis 1965 nimmt Ratzinger als theologischer Berater des Kölner Erzbischofs Joseph Frings am Zweiten Vatikanischen Konzil in Rom teil, der Richtungsstreit danach und die fortschreitende Säkularisation beunruhigen ihn, der sich zwar als Teil der Fortschrittskräfte sieht, aber in ganz anderem Sinne als etwa der Schweizer Kirchenkritiker Hans Küng, der sein Gegenspieler werden sollte.
Am 25. März 1977 schließlich ernennt Papst Paul VI. Ratzinger zum Erzbischof von München und Freising. Begeistert ist Ratzinger darüber zunächst nicht, hatte er doch in Regensburg ein Haus für sich und seine Geschwister gebaut, ist Vizerektor der dortigen Universität und sieht sich so am Ziel seiner Träume.
Doch am 28. Mai weiht der Würzburger Bischof Josef Stangl Joseph Ratzinger nach fast 25 Jahren Lehrtätigkeit im völlig überfüllten Münchner Dom zum Bischof. Nur vier Jahre später ernennt Papst Johannes Paul II. ihn zum Präfekten der Glaubenskongregation in Rom, der zentralen Instanz für die Glaubens- und Sittenlehre in der katholischen Kirche.
Ratzinger kehrt Bayern daraufhin den Rücken Richtung Vatikan. Ruth Schormann
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Lesen Sie am Dienstag in der Print-Ausgabe in Teil 2: "Der Wachhund des Papstes" - Joseph Ratzingers Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan