FDP-Chef im AZ-Interview
Christian Lindner: "Wir klagen gegen den Mietendeckel"
24. Oktober 2019, 6:21 Uhr aktualisiert am 24. Oktober 2019, 17:50 Uhr
Am liebsten würde der Parteivorsitzende der Liberalen dies mit der CDU tun - was Lindner zur Thüringen-Wahl, der Syrien-Initiative und der Zukunft der GroKo sagt.
Der 40-jährige Christian Lindner ist seit Dezember 2013 Vorsitzender der FDP. Seit 2018 ist er mit der RTL-Reporterin Franca Lehfeldt liiert.
AZ: Herr Lindner, was halten Sie vom Vorstoß der Verteidigungsministerin, in Syrien eine Schutzzone einzurichten?
Christian Lindner: Von Deutschland wird seit Langem eine stärkere Rolle erwartet. Wir haben in der letzten Woche den Vorschlag unterbreitet, einen Nato-Sondergipfel einzuberufen. Das Ziel muss sein, die Region zu stabilisieren, um menschliches Leid und neue Fluchtbewegungen zu verhindern. Dazu braucht es ein Mandat der Vereinten Nationen, also auch eine Einbindung der USA und Russlands.
Dass Frau Kramp-Karrenbauer einen solchen Vorstoß unternimmt, ist in der Sache richtig. Rätselhaft ist allerdings das Verfahren, denn offenbar sind unsere internationalen Verbündeten, der Koalitionspartner SPD, die Schwesterpartei CSU und der Außenminister nicht eingebunden gewesen. Wir hoffen, dass sich diese Vorgehensweise nicht nachteilig auf das Ergebnis auswirkt.
Christian Lindner will Zeichen für Meinungsfreiheit setzen
Wann haben Sie vor der Idee der Ministerin erfahren?
Am Montagabend.
Noch vor dem Außenminister?
Das weiß ich nicht. Ich halte es bei einem so gewichtigen Vorstoß aber für guten Stil, dass die Regierung die Opposition informiert. Schließlich ist nicht auszuschließen, dass es später um Bundeswehrmandate geht.
Ein Thema für eine Aktuelle Stunde im Bundestag?
Syrien war letzte Woche Thema und die neuen Entwicklungen muss man erst abwarten. Wir halten es aufgrund aktueller Ereignisse für nötig, ein Zeichen für Meinungsfreiheit zu setzen.
Okay, abrupter Themenwechsel. Was ist passiert?
Es gibt Morddrohungen gegen Politiker. Bei unserem Spitzenkandidaten in Thüringen wird wegen seiner klaren rechtsstaatlichen Position in der Migrationspolitik die Hauswand beschmiert.
"Stimmen für die FDP können die Verhältnisse komplett umdrehen"
Auch was die Umfragen betrifft, ist es um die FDP in Thüringen nicht gut bestellt, oder?
Im Vergleich zu vor fünf Jahren stehen wir viel besser da, denn Umfragen sehen uns im Landtag. Wir kämpfen jetzt. In Thüringen schätzen viele Menschen unsere vernunftgeleitete Klimapolitik. Viele haben den Eindruck, dass der Wohlstand nur noch verteilt wird und sich keine Partei außer der FDP mehr darum kümmert, wie wir die Wirtschaft stark halten können. Nicht zuletzt haben wir einen taktischen Vorteil: Die Mehrheitsverhältnisse sind so, dass nur mit der FDP im Landtag die linke Regierung beendet werden kann. Ein paar Stimmen mehr für die CDU sind egal, Stimmen für die FDP können die Verhältnisse komplett umdrehen.
Dann müssten sie gegebenenfalls mit der SPD koalieren?
Ein Fortschritt wäre in jedem Fall, wenn nicht die sozialistische Linkspartei das Land führt, deren Ministerpräsident in der DDR keinen Unrechtsstaat sieht. Dass es die Linkspartei ernst meint mit ihrem Sozialismus, sieht man ja in Berlin mit dem Mietendeckel.
Was ist schlecht am Mietendeckel?
Er ist eine Form der Enteignung. Er zerstört Rechtssicherheit und die Garantie des privaten Eigentums. Die Wohnungsnot löst man nur mit neuen Wohnungen, also mehr Bauland, schnellere Genehmigungen und eine sinkende Grundsteuer. Ich bin sicher, dass der Mietendeckel eine Verfassungsklage nicht übersteht.
Wer klagt?
Unsere FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Im Deutschen Bundestag schlage ich der CDU/CSU-Fraktion vor, mit uns gemeinsam nach Karlsruhe zu gehen. Der Kritik in Worten müssen jetzt Taten folgen. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der Marktwirtschaftspartei CDU.
"Wir waren bei der CSU-Rachemaut immer skeptisch"
Jetzt wechseln wir mal abrupt das Thema. Am Freitag wird der Maut-Untersuchungsausschuss vom Bundestag eingesetzt. Die FDP ist daran nicht ganz unschuldig. Was erwarten Sie sich davon? Den Rücktritt von Verkehrsminister Scheuer?
Wir waren bei der CSU-Rachemaut immer skeptisch, aber hier wurden möglicherweise fahrlässig Millionen Euro Steuerzahlergeld verschleudert. Wenn sich das bestätigt, wäre Herr Scheuer nicht zu halten.
Wäre die Vergabe der Forschungsfabrik für Batteriezellen an Münster und die Rolle der Ministerin Karliczek nicht eher einen Untersuchungsausschuss wert?
Mit dem Instrument gehe ich nicht zu inflationär um. Das müssen wir uns ansehen. Aus der reinen Sache heraus spricht gegen den Standort Nordrhein-Westfalen nicht so viel. Unser FDP-Wirtschaftsminister hat dort viele Impulse für Zukunftsmobilität gesetzt.
Zum Abschluss die ewige Frage: Gibt es bald Neuwahlen?
Ich rechne nicht damit.
Also hält die GroKo?
Ich glaube nicht, dass die SPD die Regierung verlässt. Die CDU gibt der SPD doch alles, so wie sie ja auch den Grünen nachläuft. Aber selbst für den Fall des Koalitionsbruchs rechne ich nicht mit sofortigen Neuwahlen, sondern eher mit einer Minderheitsregierung über das nächste Jahr und einem Wahltermin etwa Anfang 2021.
Wo steht dann die FDP?
In der Mitte. Bei Klima und Migration erwarten die Menschen Vernunft. Steuerentlastungen sind überfällig. Statt Milliarden für Umverteilung muss die Bildung besser werden.
In der Mitte steht ja schon die CDU. Aber im Ernst: Die FDP könnte aus einer Minderheitsregierung politisch Profit schlagen? Die Umfragewerte sind ja gerade nicht so toll.
Ich sehe die Union nicht in der Mitte. Sie eilt eher den Grünen nach. Zwei Jahre vor der letzten Bundestagswahl, also etwa wie jetzt, standen wir bei fünf Prozent, dann wurden es fast elf.
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