Konflikte
Deutsche Sudan-Evakuierung durch London verzögert?
27. April 2023, 10:19 Uhr
Die Bundeswehr hat den umkämpften Sudan nach dem Rettungseinsatz der vergangenen Tage wieder verlassen. Die letzten Soldaten des Evakuierungskontingents landeten am späten Mittwochabend um 22.40 Uhr in Jordanien, wie ein Sprecher des Einsatzführungskommandos sagte. Damit haben sich die deutschen Streitkräfte von einem Militärflugplatz Nahe der Hauptstadt Khartum zurückgezogen.
Die Bundeswehr war nach Angaben des Befehlshabers zur Absicherung des Einsatzes auch mit Waffen zur Panzerabwehr ausgerüstet. Die Kräfte seien so aufgestellt gewesen, "dass wir jederzeit ein Gefecht hätten aufnehmen und uns verteidigen können und dabei durchhaltefähig gewesen wären", sagte Generalmajor Dirk Faust am Mittwoch der "Bild"-Zeitung. "Wir hatten alle Fähigkeiten, die erforderlich sind, um uns gegen stärkere Feindkräfte vor Ort durchzusetzen - von der Handwaffe bis hin zur Panzerabwehrfähigkeit."
Die Bundeswehr hat mit ihren Evakuierungsflügen insgesamt etwa 780 Menschen aus über 40 Nationen aus dem nordostafrikanischen Land gebracht, darunter 230 Deutsche.
Das britische Verteidigungsministerium wies indes Vorwürfe zurück, die deutsche Evakuierungsmission im Sudan durch eigenwilliges Vorgehen verzögert zu haben. Die BBC hatte zuvor unter Berufung auf hochrangige Quellen in der deutschen Politik berichtet, das britische Militär sei am Wochenende ohne Zustimmung der sudanesischen Armee auf dem Flugfeld gelandet. Das habe die Gastgeber so verärgert, dass sie den Zugang zunächst gesperrt hätten, so der Bericht. Dadurch sei ein halber Tag verloren gegangen.
"Es ist nicht korrekt, nahezulegen, dass die britischen Bemühungen die deutschen Pläne verlangsamt haben", hieß es in einer Stellungnahme des Verteidigungsministeriums in London. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hatte am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenministerin Annalena Baerbock angedeutet, die Briten hätten sich über Vorgaben der Sudanesen hinweggesetzt.
Unterdessen setzten einige Länder die Evakuierungen ausländischer Staatsbürger aus dem Sudan fort. Das französische Außenministerium teilte mit, Frankreich habe 398 Menschen per Schiff evakuiert. Darunter befanden sich neben fünf Franzosen auch Deutsche sowie Menschen aus insgesamt 50 Nationen.
Im Sudan läuft Abend eine dreitägige, brüchige Waffenruhe zwischen der Armee und den rivalisierenden Rapid Support Forces (RSF) aus. Der UN-Sondergesandte im Sudan, Volker Perthes, kündigte allerdings Gespräche über eine Verlängerung der Feuerpause um weitere 72 Stunden an. Der BBC sagte Perthes, die sudanesischen Streitkräfte hätten Verhandlungen in Juba zugestimmt, der Hauptstadt des benachbarten Südsudan. Die erneute Verhandlungsinitiative wurde vom nordostafrikanischen Regionalverbund Igad organisiert. Eine Reaktion der RSF stand allerdings zunächst aus.
In Teilen Khartums kam es im Laufe des Tages trotz der Waffenruhe laut Medienberichten erneut zu Kämpfen und Luftangriffen. Kritisch ist die Lage zudem in der Region West-Darfur. Die Armee gab bekannt, im dem Bundesstaat komme es zu ethnischen Konflikten. Berichten zufolge soll es zu Gewalt zwischen den afrikanischstämmigen Masalit sowie arabischstämmigen Gruppen gekommen sein. Bereits gestern hatte auch Perthes vor Plünderungen, Übergriffen auf Zivilisten sowie Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volksgruppen gewarnt. Seit Jahrzehnten gibt es immer wieder schwere ethnische Konflikte in der Region.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hatte am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenministerin Annalena Baerbock auf ein unterschiedliches Vorgehen einzelner Nationen hingewiesen. Die USA hätten von ihrer stärkeren Präsenz in der Region profitiert, sagte er. "Und die Briten waren letztlich so früh, weil sie sich, wie soll ich das formulieren, diplomatisch über das hinweggesetzt haben, was die Sudanesen vorgegeben haben."
Während die deutsche Evakuierungsmission bereits vorerst beendet wurde, waren auch am Donnerstag noch britische Flüge von Khartum geplant. Großbritanniens Außenminister James Cleverly warnte jedoch, es sei nicht sicher, ob Flüge über das Ende des 72-stündigen Waffenstillstands am Donnerstagabend hinaus fortgeführt werden könnten.