Konflikte

Bundeswehr evakuiert Hunderte Menschen aus dem Sudan


sized

Ein Airbus der Luftwaffe landet am Morgen mit aus dem Sudan evakuierten Menschen auf dem Flughafen BER.

Rennen gegen die Zeit: Die Bundeswehr und andere westliche Streitkräfte haben in den ersten beiden Tagen ihres militärischen Evakuierungseinsatzes mehr als 1000 Menschen aus dem Sudan gerettet. Die Luftwaffe flog Deutsche und andere Staatsbürger mit Militärtransportern aus dem von Kämpfen erschütterten Land aus und brachte mehr als 300 Menschen nach Jordanien in Sicherheit.

"Wir gucken natürlich mit Sorge auf die Lage, hoffen, dass sie vielleicht noch ein bisschen länger so hält, dass wir die Operation weiter fortführen können und werden jede Minute nutzen, um Leute rauszubringen", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin. Der Schutz eigener Staatsbürger habe Vorrang.

sized

Rauch hängt über der Hauptstadt Khartum.

sized

Rauch steigt nach einem Angriff über Khartum auf.

Sammelpunkt des Einsatzes ist ein militärisch gesicherter Flugplatz nahe Khartum. Die Bundeswehr hält Fallschirmjäger mit größerer Ausrüstung und Kommandosoldaten mit ihren Fähigkeiten bereit. "Zum Evakuierungskontingent gehören sowohl spezialisierte als auch Spezialkräfte", sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums. Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr war beteiligt.

Auch die für besondere Einsätze im In- und Ausland ausgebildete GSG 9 der Bundespolizei und die Einheit der Bundespolizei, die sich um den Schutz deutscher Diplomaten im Ausland kümmert, leistete einen Beitrag. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Maximilian Kall, teilte mit, "dass auch die Bundespolizei mit spezialisierten Einsatzkräften an dem Evakuierungseinsatz beteiligt ist". Fünf deutsche Polizisten, die im Sudan an einer internationalen UN-Mission teilgenommen hatten, wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums als Teil der Evakuierung durch die Vereinten Nationen über Port Sudan außer Landes gebracht.

Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass noch Deutsche vor Ort sind. Nicht beziffert werden könne, wie viele dies seien, "da wir auch einige nicht telefonisch erreichen im Moment", sagte ein Sprecher. "Wir wissen auch, dass einige Deutsche auf anderen Wegen Khartum schon verlassen konnten. Es gibt eine zweistellige Zahl, die auf einem Konvoi der Vereinten Nationen Richtung Port Sudan unterwegs ist." Außerdem waren ein Deutscher von US-Soldaten, neun Deutsche von Franzosen in Sicherheit gebracht worden. Unklar ist, ob noch Deutsche in der sudanesischen Hauptstadt festsitzen oder nicht selbstständig zu dem Sammelpunkt gelangen können.

Die Bundeswehr flog auch zahlreiche Menschen anderer Staaten aus Khartum aus. Nach einer vorläufigen Liste, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt, waren unter den 311 Evakuierten der ersten drei Flüge 42 Niederländer und mehr als 15 Österreicher. Zudem wurde eine einstellige Zahl Staatsangehöriger aus Australien, Bulgarien, Großbritannien, Belgien, Norwegen, Tschechien, Irland, Schweden und Portugal ausgeflogen. Mehr als die Hälfte der Evakuierten sind deutsche Staatsbürger.

Auf die Lage von Ortskräften deutscher Organisationen und Behörden angesprochen machte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes deutlich, dass die Situation anders sei als in Afghanistan. "In Afghanistan ging es ja bei den Ortskräften darum, dass das Personen waren, die in den Augen der Taliban westliche Verräter waren und auf die gezielt Jagd gemacht wurde", sagte er. "Hier haben wir es ja mit einer Situation zu tun, wo sich gerade zwei Armeen bekriegen und die keinerlei Rücksicht auf irgendwelche Zivilisten nehmen, aber jetzt nicht gezielt gegen unsere Ortskräfte vorgehen." Es gebe eine gesetzliche Verpflichtung zur Rettung eigener Staatsbürger.

"Es handelt sich um einen Einsatz zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen. Das sage ich auch mit Blick auf eine Mandatierung, die natürlich auch für solche Einsätze nötig ist", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Eine vorherige öffentliche Befassung des Bundestages hätte das Leben der zu rettenden Menschen gefährdet. Dem Parlamentsbeteiligungsgesetz entsprechend werde der Antrag auf Zustimmung nach Beginn der Operation gestellt.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), zeigte sich erleichtert über den bisherigen Verlauf der Evakuierungsmission. Gut finde sie, dass Generalinspekteur Carsten Breuer mit den Bürgerkriegsparteien verhandelt habe, um Zeitfenster abzusprechen, in denen man in das Land fliegen könne, sagte sie im Frühstart von RTL/ntv. Sie begrüßte, dass sich die Nationen gegenseitig helfen: "Da bleibt keiner stehen, weil er einen anderen Pass hat."

Seit dem Beginn der Evakuierungsaktionen im Sudan sind nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell bereits mehr als 1000 Ausländer in Sicherheit gebracht geworden. Er danke den Ländern, die mit gemeinsamen Anstrengungen ihre eigenen Landsleute, aber auch andere Staatsangehörige aus dem Land gebracht hätten, sagte der Spanier am Rande eines EU-Außenministertreffens.

Im Sudan waren vor mehr als einer Woche schwere Kämpfe zwischen den zwei mächtigsten Generälen des Landes und ihren Einheiten ausgebrochen. Die zwei Männer führten das Land im Nordosten Afrikas mit rund 46 Millionen Einwohnern seit zwei gemeinsamen Militärcoups 2019 und 2021. De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, kämpft mit dem Militär gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, den Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Eigentlich hätten die RSF der Armee unterstellt und die Macht im Land wieder an eine zivile Regierung übertragen werden sollen.

Nach Angaben der UN sind seit Beginn des Konflikts mindestens 427 Menschen getötet und 3700 verletzt worden, die eigentliche Opferzahl wird jedoch als wesentlich höher vermutet. Während ausländische Regierungen weiter ihre Staatsbürger evakuieren, flüchten Zehntausende Sudanesen unter Lebensgefahr auf dem Landweg in Nachbarländer, unter anderem in den Tschad, nach Ägypten und in den Südsudan.