Sondierungen

Grüne und FDP ziehen interne Zwischenbilanzen


Annalena Baerbock, Robert Habeck und Christian Lindner geben nach Sondierungsgesprächen ein Pressestatement.

Annalena Baerbock, Robert Habeck und Christian Lindner geben nach Sondierungsgesprächen ein Pressestatement.

Von mit Material der dpa

Nach den ersten Gesprächen wollen Grüne und FDP ihr weiteres Vorgehen für eine Regierungsbildung klären. Die Union gibt ein Bündnis unter ihrer Führung noch nicht verloren.

FDP und Grüne ziehen nach der ersten Runde von Gesprächen zur Bildung einer neuen Bundesregierung interne Zwischenbilanzen. Die Grünen wollen in einer digitalen Sitzung über den Stand der Sondierungen mit möglichen künftigen Koalitionspartnern beraten.

Auch die FDP kommt am Vormittag zu Gesprächen zusammen. FDP-Generalsekretär Volker Wissing hatte ein Zwischenfazit für die Zeit nach der ersten Gesprächsrunde von Union und Grünen angekündigt, die sich am Dienstag getroffen hatten. Mit dem Treffen endete eine erste Runde von getrennten Sondierungsgesprächen in verschiedenen Konstellationen.

Grüne streben Ampelkoalition an

Grüne und FDP haben wiederholt bekräftigt, nach der Bundestagswahl nun gemeinsam Grundlagen für einen politischen Aufbruch und Veränderungen schaffen zu wollen. Die Grünen streben eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP an, schließen aber auch ein Jamaika-Bündnis mit Union und FDP nicht aus. Die FDP zeigt sich der Union zugeneigt, hat sich allerdings bislang nicht festgelegt.

Entgeisterung löste am Dienstag eine Indiskretion aus dem schwarz-grünen Treffen aus. Die "Bild"-Zeitung berichtete über Einlassungen der Grünen bei den Themen EU-Finanzen, Migration und Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Die Grünen warfen CDU/CSU daraufhin einen Bruch der vereinbarten Vertraulichkeit vor.

"Es gab in den letzten Tagen vier Sondierungsgespräche. Aus zweien liest und hört man nix. Aus zweien werden angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen. Das fällt auf, liebe Union - und es nervt!", schrieb Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner in einem Tweet bei Twitter. Er nutzte nahezu die gleiche Formulierung wie am Montag FDP-Vize Johannes Vogel, der sich nach dem Treffen der Union und der FDP ebenfalls über Indiskretionen beklagt hatte. Auch CDU-Parteichef Armin Laschet sagte am Dienstagabend in Düsseldorf auf die Frage, wie er die Indiskretionen finde: "Es nervt."

Reul fordert Unterstützung für Laschet

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte mehr Unterstützung aus den Unionsreihen für Laschet. Mit Blick auf die Gespräche zur Regierungsbildung sagte er am Dienstagabend im ZDF-"heute-journal": "Ich würde mir manchmal wünschen, dass er da mehr Unterstützung bekäme." Es sei "nicht sehr hilfreich", wenn "eigene Kollegen einem in den Rücken fallen oder wenn darüber diskutiert wird, wann, wie, wo Armin Laschet seine Aufgaben, seine Ämter abgeben muss". Das störe die Gespräche und erhöhe nicht die Glaubwürdigkeit für den, der da verhandle.

Befragt zu den Indiskretionen nach den Sondierungsgesprächen, meinte Reul: "Das sagt was aus über die Schwäche oder die Disziplinlosigkeit der anderen." Laschet investiere viele Stunden, weil es ihm um die Sache gehe, während andere "unsolidarisch" unterwegs seien.

Niedersachsens CDU-Vorsitzender Bernd Althusmann hält die Chancen für die Bildung einer Koalition aus Union, Grünen und FDP für gering. "In meinen Augen ist ein solches Bündnis noch möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die Tendenzen scheinen derzeit eher Richtung Ampel zu gehen." Unter der Voraussetzung aber, dass FDP und Grüne noch keine Entscheidung für Ampel-Sondierungen getroffen hätten, plädierte Althusmann für ein Gespräch mit ihnen und der Union zu dritt: "Solange die vorangegangenen Sondierungen zwischen FDP und Grünen dies nicht ausschließen, wäre ein Treffen aller drei Partner einer eventuellen Jamaika-Koalition durchaus sinnvoll."

Zwischen "erheblichen Differenzen" und "interessanten Schnittmengen"

Der ehemalige Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi und neue Grünen-Bundestagsabgeordnete Frank Bsirske bezeichnete die Differenzen der Grünen mit der Union als "erheblich". Dem RND sagte er: "Und ihr innerer Zustand - die Zerstrittenheit und die erkennbaren Querschüsse gegen Armin Laschet - laden auch nicht gerade dazu ein, Vertrauen zu entwickeln."

Hingegen sieht CSU-Vize Manfred Weber "interessante Schnittmengen" mit den Grünen. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte Weber: "CDU und CSU machen ein seriöses Regierungsangebot. Wir sind dazu bereit, Verantwortung zu übernehmen und eine Jamaika-Koalition mitzugestalten."

Die europapolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Franziska Brantner, dringt auf Tempo. "Es braucht jetzt möglichst schnell eine handlungsfähige Bundesregierung", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. "Deutschland darf Europa nicht länger ausbremsen." Brantner verwies auf die im April anstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich und die Parlamentswahlen im Juni. "Kurz davor und danach wird es keine französische Europapolitik geben." Damit bleibe nur ein Zeitfenster Anfang des Jahres. "Wenn Deutschland das nicht nutzt, ist die EU erst im Herbst 2022 wieder handlungsfähig."

Die scheidende stellvertretende Fraktionschefin der FDP im Bundestag, Katja Suding, sieht ihre Partei in einer künftigen Bundesregierung in der Rolle des Modernisierers. "Deutschland braucht eine Reform-Koalition, die den Modernisierungsstau bei der Digitalisierung auflöst, wirksam unser Klima schützt und unser Bildungssystem zukunftsfähig macht. Dabei kann und wird die FDP eine treibende Kraft sein", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Jetzt sei ein echter Aufbruch möglich. In 16 Jahren mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Spitze des Landes sei vieles liegengeblieben.