Russische Invasion
Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
23. Februar 2023, 5:37 Uhr aktualisiert am 23. Februar 2023, 19:32 Uhr
Rund ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gibt es noch immer keine Aussicht auf Frieden. Über eine Resolution mit der Forderung nach einem Ende der Kämpfe und dem Rückzug Moskaus soll die UN-Vollversammlung abstimmen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den Krieg am 24. Februar 2022 begonnen.
Außenministerin Annalena Baerbock forderte die Weltgemeinschaft bei ihrer Rede in New York zu einem klaren Signal für ein Ende des russischen Angriffskriegs auf. "Heute muss sich jeder von uns entscheiden: Mit dem Unterdrücker isoliert dastehen - oder für den Frieden zusammenstehen", sagte die Grünen-Politikerin in der UN-Vollversammlung in New York. Baerbock sprach auf Bitten der Ukraine als letzte reguläre Rednerin vor Abstimmung über eine von mehr als 50 Staaten eingebrachte Resolution - das Votum wird auch als globaler Stimmungstest zu Russlands Krieg im Nachbarland gesehen. Die Abstimmung war für den Abend gegen 21 Uhr deutscher Zeit geplant.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte unterdessen davor, Kiew zu Friedensverhandlungen mit Moskau zu drängen. Andernfalls werde Russland seine Aggressionspolitik fortsetzen, sagte der 45-Jährige bei einer Pressekonferenz mit dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez in Kiew, der am Donnerstag zu seinem zweiten Besuch in die ukrainische Hauptstadt gereist war.
Eine angekündigte chinesische Initiative zur Beendigung des Krieges sah Selenskyj hingegen positiv. "Das sind die ersten Schritte und das ist nicht schlecht", sagte er. Allerdings habe er bisher noch kein Dokument gesehen und daher sei es noch zu früh für eine Beurteilung. "Wir werden unsere Schlüsse ziehen, sobald wir die konkreten Details sehen", sagte der Präsident. Man habe Peking die Bereitschaft zu einem Treffen auf diplomatischer Ebene signalisiert.
Russland hat innerhalb eines Jahres nach Angaben aus Kiew tausende Raketen auf die Ukraine abgefeuert. Insgesamt seien rund 5000 Raketenangriffe registriert worden, teilte der ukrainische Generalstabsvertreter Olexij Hromow mit. Dazu seien über 4500 Luftangriffe mit Flugzeugen, Hubschraubern und Drohnen geflogen worden. Der Einsatz einer solchen Masse Raketen in einem Krieg gilt als beispiellos. Seit Oktober greift Russland auch mit Raketen und Drohnen gezielt das Energiesystem des Landes an.
Das Bundeswirtschaftsministerium will die Umgehung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland erschweren. Außenhandelsdaten deuteten darauf hin, dass EU-sanktionierte Güter "in erheblichem Maß" aus der EU und damit auch aus Deutschland in bestimmte Drittländer ausgeführt und von dort nach Russland weiter exportiert werden, heißt es in einem Papier aus dem Haus von Ressortchef Robert Habeck (Grüne), das der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag in Berlin vorlag. Zuvor hatten RTL und n-tv darüber berichtet.
Konkret will das Ministerium Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen. So sollen Exporte in bestimmte Drittstaaten nur noch bei Abgabe von transparenten "Endverbleibserklärungen" im Rahmen der Ausfuhranmeldung möglich sein. "Das gilt für alle sanktionierten Güter, die von Bedeutung für die russische Kriegsmaschinerie sind. Dafür setzen wir uns auf EU-Ebene ein und passen die nationalen Regularien an", heißt es. Vorsätzliche Falschangaben sollten künftig europaweit eine Straftat sein.
Die Debatte über die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine ergibt für Bundeskanzler Olaf Scholz hingegen weiter "keinen Sinn", wie er am Donnerstag in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" sagte. Es müsse jetzt sichergestellt werden, dass sich die Ukraine gegen den russischen Angriff wehren könne. "Dazu leisten genau die Waffen, die wir zur Verfügung stellen, den notwendigen Beitrag." Außerdem sei Deutschland fest entschlossen, bei Waffenlieferungen "immer im Einklang mit unseren Verbündeten zu handeln". Er wehre sich daher gegen alle Vorschläge und Forderungen, dass man vorpreschen solle.
Kremlchef Putin kündigte kurz vor dem Jahrestag des Kriegs in der Ukraine an, die Entwicklung seiner Nuklearstreitkräfte weiter voranzutreiben. "Der Stärkung der nuklearen Triade werden wir nach wie vor verstärkte Aufmerksamkeit widmen", sagte Putin in einer vom Kreml veröffentlichten Rede anlässlich des "Tags des Vaterlandsverteidigers", der in Russland am Donnerstag gefeiert wurde. Der Staatschef stellte für dieses Jahr etwa erste Indienststellungen der neuen, mit Atomsprengköpfen bestückbaren Interkontinentalrakete vom Typ Sarmat in Aussicht. Ursprünglich war das allerdings schon für 2022 geplant.
Schon in seiner großen Rede zur Lage der Nation am Dienstag hatte Putin eine Modernisierung seiner Armee und die Aussetzung des letzten großen atomaren Abrüstungsvertrags mit den USA angekündigt, des so genannten "New Start"-Abkommens.
Im vergangenen Jahr hat Moskau insgesamt vier Gebiete im Osten und Süden der Ukraine völkerrechtswidrig annektiert. Zusammen mit der bereits 2014 einverleibten Schwarzmeer-Halbinsel Krim hält Russland damit derzeit rund 18 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets besetzt.
Das russische Verteidigungsministerium warf der Ukraine vor, eine Invasion in die von Moldau abtrünnige Region Transnistrien zu planen. Demnach wolle Kiew in naher Zukunft einen bewaffneten Einsatz "unter falscher Flagge" in Transnistrien durchführen - ihn also Russland in die Schuhe schieben. In der Region an der Grenze zur Ukraine sind seit den 1990er-Jahren russische Soldaten stationiert, die dort als sogenannte Friedenstruppen auftreten. Die Ex-Sowjetrepublik Moldau gehört nicht zur Nato, sie ist politisch zwischen proeuropäischen und prorussischen Kräften gespalten.
Der Geheimdienst der Republik Moldau hatte dagegen Russland bereits im Dezember vorgeworfen, eine Invasion zu planen. Auch der ukrainische Präsident Selenskyj hatte bereits erklärt, Russland habe konkrete Pläne zur Störung der politischen Ordnung in Moldau.
Die EU-Staaten konnten sich anders als geplant am Donnerstag nicht abschließend auf das zehnte Paket mit Sanktionen gegen Russland einigen. Wie die dpa in Brüssel von mehreren Diplomaten erfuhr, wollen die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten die Verhandlungen am Freitag - dem Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine - abschließen. Bis auf ein Detail sei man sich einig, hieß es.
Zum Jahrestag des Kriegsbeginns hat Polen begonnen, seine Grenzen zu Russland und Belarus mit Panzersperren zu sichern. "Das ist Teil unser Verteidigungs- und Abschreckungsstrategie", schrieb Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak auf Twitter. Die ersten Blockaden seien bereits an der Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad errichtet worden. Dazu postete er Fotos von Panzersperren aus Eisen und Beton. Polens Grenze zu dem Gebiet Kaliningrad, der ehemaligen Nordhälfte Ostpreußens, ist rund 200 Kilometer lang.