Russische Invasion
Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
3. März 2023, 5:24 Uhr aktualisiert am 3. März 2023, 16:54 Uhr
Nach mehr als einem Jahr Ukraine-Krieg lösen angebliche Angriffe und Sabotageakte auf russischem Territorium Unruhe in Moskau aus.
Russlands Präsident Wladimir Putin beriet heute mit seinem nationalen Sicherheitsrat. Im Kriegsgebiet in der Ostukraine verstärkten russische Angreifer den Druck auf die letzten Verteidiger der Stadt Bachmut. Um die Linie des Westens abzustimmen, reiste Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu US-Präsident Joe Biden nach Washington.
Putin hatte die Invasion des Nachbarlandes am 24. Februar 2022 begonnen. In den vergangenen Tagen meldete Russland mehrfach Drohnenangriffe auf eigenem Territorium. Zudem sorgte der mutmaßliche Vorstoß einer ukrainischen Nationalisten-Gruppe in der russischen Region Brjansk für Empörung. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB berichtete gestern von Gefechten mit angeblichen ukrainischen Sabotagetrupps. Putin sprach von einem Terrorakt. Die Ukraine weist die Verantwortung zurück. Verlässliche Informationen fehlen.
Unklar blieb zunächst auch, wie Putin reagieren könnte. Sein Sprecher Dmitri Peskow sagte heute, die Tat müsse aufgeklärt werden. Dann würden die Behörden die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen.
Putin äußerte sich zu Beginn der Sitzung des Sicherheitsrats in Moskau nicht zu den Ereignissen. Vielmehr nannte er den Schutz von Gebäuden russischer Sicherheitsorgane vor Terroranschlägen als Thema der Beratungen. Er bat Innenminister Wladimir Kolokolzew, Bericht zu erstatten. Nach offiziellen Angaben nahmen die Spitzen der Regierung, des Parlaments, des Militärs und der Sicherheitsbehörden teil.
In der Ukraine konzentrieren sich die Kämpfe auf den Osten und den Süden. Nach einem russischen Raketentreffer auf ein Wohnhaus in der südukrainischen Stadt Saporischschja wurden mindestens vier Tote geborgen, acht Menschen wurden verletzt, weitere blieben zunächst vermisst. Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte Vergeltung an. "Auf den heutigen brutalen russischen Raketenangriff auf Saporischschja werden wir militärisch und rechtlich reagieren", sagte Selenskyj gestern Abend.
Im Gebiet Donezk wurden nach Angaben örtlicher Behörden zwei Zivilisten durch russischen Beschuss getötet. Der ukrainische Generalstab teilte mit, es gebe weiter schwere Gefechte. Im Lauf der vergangenen 24 Stunden seien 85 russische Angriffe abgewehrt worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Als Ort der Gefechte wurden die Frontabschnitte Kupjansk, Liman, Bachmut, Awdijiwka und Wuhledar genannt.
Vor allem um Bachmut wird seit Monaten mit hohen Verlusten gekämpft. Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, sagte in einer Videobotschaft, seine Kämpfer hätten die Stadt fast vollständig eingekesselt. Es gebe nur noch eine Straße hinaus. Er forderte Selenskyj auf, den Verteidigern den Abzug zu erlauben.
Dagegen beharrt die ukrainische Seite darauf, dass die Stadt weiter verteidigt werde. Nach Militärangaben verschaffte sich der Oberbefehlshaber der Ost-Gruppierung, Olexander Syrskyj, in Bachmut einen Überblick über die Lage und zeichnete einzelne Soldaten aus.
Verteidigungsminister Oleksij Resnikow schloss gegenüber der "Bild"-Zeitung nicht aus, dass Bachmut an die Russen fallen könnte. Für Russland wäre dies aber nur ein "kleiner Sieg", sagte er. Die Stadt mit ehemals 74.000 Einwohnern ist weitgehend zerstört und hat nach Behördenangaben noch etwa 5000 Einwohner.
Insgesamt zeigte sich Resnikow aber zuversichtlich, "dass es eine Chance gibt, diesen Krieg in diesem Jahr mit unserem Sieg zu beenden". Als Ziel gab er "die Befreiung aller unserer zeitweilig besetzten Gebiete bis zu unseren international anerkannten Grenzen von 1991" aus. Dazu gehört auch die Schwarzmeerhalbinsel Krim. Selenskyj besuchte heute Lwiw in der Westukraine und ehrte getötete und verwundete Soldaten.
Im Bundesrat in Berlin verurteilten alle 16 Bundesländer einstimmig den russischen Angriffskrieg und sicherten der Ukraine weitere Hilfe zu - militärisch, humanitär und finanziell. Wegen der Fortdauer des Krieges und der unverändert hohen Zahl von Flüchtlingen aus der Ukraine forderten die Länder aber auch selbst Hilfe vom Bund. Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) regte einen Bund-Länder-Gipfel zur Flüchtlingspolitik mit Bundeskanzler Scholz an. Der Bund müsse seiner Verantwortung gerecht werden, sagte Wüst.
Rückhalt in Deutschland findet die bessere Ausstattung der Bundeswehr, die Scholz nach Beginn des Krieges eingeleitet hatte. 62 Prozent der Befragten im ZDF-Politbarometer wünschten sich weitere Ausgaben für die Bundeswehr - auch wenn dafür Schulden oder Einsparungen nötig wären. Laut einer Umfrage des Online-Meinungsforschungsinstituts Civey für die "Wirtschaftswoche" zeigten aber nur 26 Prozent Bereitschaft, nach dem Vorbild Dänemarks zur besseren Ausrüstung der Truppe auf einen Feiertag zu verzichten.
Die Militärhilfe war auch ein wichtiges Thema für Scholz' Arbeitsbesuch bei Biden in Washington. Zuletzt hatte es widersprüchliche Darstellungen aus dem Weißen Haus und dem Kanzleramt dazu gegeben, wie die Zusage von Kampfpanzern an die Ukraine zustande kam. Von Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan hieß es, Deutschland habe die Lieferung von US-Panzern zur Bedingung für die Zusage deutscher Leopard-Panzer gemacht. Die Bundesregierung dementierte das.