Weg zur Neuwahl
Ringen um Neuwahltermin im Februar oder März
11. November 2024, 5:05 Uhr
Im Ringen um die Neuwahl des Bundestags wachsen die Aussichten, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Vertrauensfrage früher stellt als Mitte Januar, wie bisher von ihm geplant. Vom Datum der Vertrauensfrage im Bundestag hängt ab, wann eine Neuwahl stattfinden kann - nach Scholz' ursprünglichem Zeitplan würde Ende März gewählt. Immer wichtiger wird dabei inzwischen aber die Frage, wie weit der Termin vorverlegt werden kann, ohne eine ordnungsgemäße Wahlvorbereitung zu gefährden. Dieser Punkt dürfte auch bei einer Schaltkonferenz der Bundeswahlleiterin mit ihren Länderkollegen am Mittag eine Rolle spielen.
"Dass ich noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage stelle, wenn das alle gemeinsam so sehen, ist für mich überhaupt kein Problem", sagte Scholz am Abend in der ARD-Sendung "Caren Miosga". Wenn es eine Übereinkunft von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und dem Unionsfraktionschef Friedrich Merz dazu gebe, werde er diese beachten. Damit steht nun weniger der Kanzler selbst im Mittelpunkt der Diskussion als die beiden Fraktionschefs.
Scholz wollte die Vertrauensfrage ursprünglich am 15. Januar stellen, um eine Neuwahl Ende März herbeizuführen. Nach starkem öffentlichen Druck hatte er sich am Sonntag kompromissbereit gezeigt. "Dass ich noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage stelle, wenn das alle gemeinsam so sehen, ist für mich überhaupt kein Problem", sagte Scholz in der ARD-Sendung "Caren Miosga". Wenn es eine Übereinkunft der Fraktionschefs von SPD und CDU/CSU - Rolf Mützenich und Friedrich Merz - dazu gebe, werde er diese beachten.
Die Union lehnt dieses Verfahren jedoch ab. "Scholz sollte jetzt keine weiteren Nebelkerzen werfen, sondern zügig die Vertrauensfrage stellen", sagt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU) der "Bild". Gitta Connemann, die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), sieht den Kanzler in der Pflicht. "Er kann diese Entscheidung nicht einfach wegschieben - schon gar nicht auf den SPD-Fraktionschef", sagte die CDU-Politikerin der "Rheinischen Post".
Wie die Union dringt auch die aus der Koalition ausgeschiedene FDP auf einen möglichst frühen Wahltermin. "Das Wichtigste ist, dass das Land bald in der Lage ist, eine Richtungsentscheidung zu treffen", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nach der Präsidiumssitzung seiner Partei. "Das bedeutet die Neuwahl." Vor einer Entscheidung über den Wahltermin will sich die FDP nicht auf eine Unterstützung noch nicht abgeschlossener Reformprojekte festlegen.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr warnte vor den wirtschaftlichen Folgen einer Verzögerung. "Geht es nach Olaf Scholz, hätten wir erst im Sommer nächsten Jahres eine neue arbeitsfähige Regierung. Das können wir uns nicht länger leisten", sagte Dürr der Deutschen Presse-Agentur. "Das Vakuum, in das Olaf Scholz das Land manövriert hat, kostet uns jeden Tag Jobs und Wohlstand."
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wies Warnungen der FDP vor einer "Hängepartie" zurück. "Da ist die FDP wirklich eine Blitzmerkerpartei", sagte er in Berlin. "Natürlich gibt es eine Hängepartie." Sie sei vermeidbar gewesen, die FDP hätte sich das am vergangenen Mittwoch überlegen können. An dem Tag war die Koalition zerbrochen.
Bundeswahlleiterin Ruth Brand, die in einem Brief an den Kanzler vor "unabwägbaren Risiken" durch eine allzu frühe Wahl gewarnt hatte, steht in der Kritik. "Das Grundgesetz sieht für vorgezogene Neuwahlen klare Fristen und ein geordnetes Verfahren vor", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Patrick Schnieder, der dpa. "In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland war die Umsetzung dieser Neuwahlfristen nie ein Problem. Wir erwarten, dass auch die aktuelle Bundeswahlleiterin diese Vorgaben umsetzt und sich nicht vor den parteipolitischen Karren des Bundeskanzlers spannen lässt."
Regierungssprecher Hebestreit wies den Vorwurf der parteipolitischen Instrumentalisierung Brands durch Scholz zurück. "Dieser Vorwurf ist absurd", sagte er. Er verstehe das Ziel der Opposition, möglichst schnell zur Neuwahl zu kommen. "Und trotzdem muss es eben eine ordentliche Wahl sein. Und da sollte man nicht zu viele Hinweise ignorieren auf dem Weg dorthin."
Auch Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler warnt vor einem Wahltermin schon Ende Januar, wie die Union dies fordert. "Ich kann nur raten, besonnen an das Thema heranzugehen, auf Fachleute zu hören und jetzt nicht in einen Sofortismus bei der Feststellung des Wahltermins zu verfallen", sagte Bröchler der dpa. Natürlich müsse eine Neuwahl auch für Januar organisiert werden, wenn das politisch gewollt und vom Bundespräsidenten so entschieden werde. "Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das die Qualität demokratischer Wahlen gefährdet."
In Berlin musste die Bundestagswahl 2021 wegen schwerer Mängel teilweise wiederholt werden.
Generalsekretär Djir-Sarai berichtete, nach dem Bruch der Ampel hätten die Liberalen etwa 1.300 Neueintritte von Mitgliedern verzeichnet. Bis zum Wochenende habe es rund 80 Austritte gegeben. Die Zahl der FDP-Mitglieder war zuletzt auf rund 70.000 gesunken. Die SPD registrierte nach Angaben von Generalsekretär Matthias Miersch seit dem Ampel-Crash am vergangenen Mittwoch online mehr als 1.000 Parteieintritte.
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