Bundestag
Schwangerschaftsabbruch: Wird Paragraf 218 noch reformiert?
5. Dezember 2024, 5:00 Uhr
Für Betroffene ist es oft die schwerste Entscheidung ihres Lebens, für die Gesellschaft ein hochsensibles Thema: Abtreibung. In Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch eine Straftat - auch wenn er unter ganz bestimmten Bedingungen nicht bestraft wird. Hunderte Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen im Bundestag wollen das jetzt neu regeln. Heute wird ihr Antrag erstmals im Parlament beraten. Es könnte das Ende einer seit Jahrzehnten geführten Debatte sein - wenn das Ampel-Aus das Vorhaben nicht ausbremst.
In Paragraf 218 des Strafgesetzbuches steht aktuell quasi ein Kompromiss: Eine Abtreibung ist in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, weil laut Grundgesetz das ungeborene Leben geschützt werden muss. Sie ist aber nicht strafbar, wenn sie innerhalb der ersten zwölf Wochen stattfindet und die Frau sich zuvor hat beraten lassen. Ohne Strafe bleibt ein Abbruch auch, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer Vergewaltigung vorgenommen wird.
Sie sind der Meinung, dass Frauen, die abtreiben wollen, wegen des Gesetzes schlechter versorgt werden. Die strafrechtliche Regelung schrecke Ärztinnen und Ärzte davon ab, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Außerdem rechnen die Parlamentarier damit, dass Krankenkassen die Kosten für den Eingriff regulär übernehmen würden, wenn die Illegalität aufgehoben wird.
Laut Statistischem Bundesamt gab es in Deutschland im Jahr 2023 rund 106.000 gemeldete Schwangerschaftsabbrüche - rund 2,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Oft sind junge Frauen betroffen, die meisten im Alter zwischen 18 und 34 Jahre. 96 Prozent der Abtreibungen wurden nach der Beratungsregelung vorgenommen. Medizinische Gründe und Sexualdelikte waren nur in vier Prozent der Fälle Grund für den Abbruch.
Der maßgeblich von Grünen und SPD vorangetriebene Entwurf sieht vor, dass Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz herausgenommen werden. Abtreibungen sollen bis zur 12. Woche rechtmäßig werden. Die Pflicht zur Beratung soll bestehen bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartepflicht von drei Tagen zwischen Beratung und Abtreibung. Wenn ein Abbruch ohne Beratungsbescheinigung vorgenommen wird, soll sich künftig nur der Arzt oder die Ärztin strafbar machen. Die Frau bliebe straffrei. Die Kosten sollen die Krankenkassen übernehmen.
Der Bundestag kann noch bis zu seiner derzeit für den 23. Februar geplanten Neuwahl Gesetze beschließen - mit straffem Plan wäre also ausreichend Zeit. Aber SPD und Grüne allein haben keine Mehrheit im Parlament. Versucht wird die Reform deshalb über einen sogenannten Gruppenantrag. Solche Anträge werden bei ethisch komplexen Fragen über Lagergrenzen hinweg gestellt. In der Regel müssen sich die Abgeordneten bei einer Abstimmung dann nicht an der Linie ihrer Fraktion orientieren, sondern entscheiden ganz frei.
Derzeit sitzen 733 Abgeordnete im Bundestag, für eine Mehrheit sind also 367 Stimmen nötig. Bisher unterstützen 327 Parlamentarier die Abtreibungs-Legalisierung, vor allem von SPD, Grünen und Linken. Doch ob der Bundestag vor der Neuwahl überhaupt über den Antrag abstimmen wird, ist offen. Denn erst einmal wird er heute in den zuständigen Rechtsausschuss überwiesen - und wann er dann zum Beschluss auf die Tagesordnung des Bundestags kommt, wird in diesem Ausschuss entschieden.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, befürchtet, dass Union und FDP den Antrag im Rechtsausschuss "versenken", ihn also so lange nicht zum Beschluss freigeben, bis neu gewählt wird.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat bereits kritisiert, dass das Thema im Schnellverfahren durchgeboxt werden solle. Bis zur Wahl bleibe keine Zeit für eine seriöse Beratung eines solch grundlegenden Themas, argumentiert er. Auch der neue FDP-Generalsekretär Marco Buschmann lehnt eine Reform vor der Neuwahl ab. Vor dem Ampel-Bruch hatten auch einige FDP-Politikerinnen und -Politiker den Antrag unterstützt. Die AfD ist generell gegen eine Legalisierung von Abtreibungen.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann warb vor der Bundestags-Beratung noch einmal um Zustimmung: "Wer jetzt wieder die Verschiebung auf die nächste Wahlperiode fordert, ignoriert nicht nur den Rat der Expertinnen, sondern auch den Wunsch so vieler Frauen und der Mehrheit in unserem Land zu einer Änderung des Paragraf 218", erklärte sie.
Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.