Union

Zieht Merz die K-Karte - oder laufen sich zwei Jüngere warm?

Mehr als zwei Jahre vor der nächsten turnusgemäßen Bundestagswahl macht in der Union mal wieder die Frage der Kanzlerkandidatur die Runde. Die aussichtsreichsten Kandidaten spielen auf Zeit.


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NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (l) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.

Markus Söder und Hendrik Wüst wollen in Sachen Kanzlerkandidatur nicht raus mit der Sprache. So oft der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident sowie sein nordrhein-westfälischer CDU-Amtskollege beim gemeinsamen Auftritt in der Münchener Residenz auch nach dem für die Union so leidigen Thema gefragt werden, wirklich Neues ist nicht zu erfahren. Derzeit sei das kein Thema, wird unisono beteuert. Erst im Spätsommer 2024 würden CDU und CSU "geschlossen und einheitlich" die K-Frage entscheiden.

Pünktlich zur gemeinsamen Sitzung der Kabinette von Bayern und NRW hat "Bild" eine Umfrage des Insa-Instituts veröffentlicht, wonach 31 Prozent der Union mit einem Kanzlerkandidaten Söder größere Erfolgschancen zutrauen und nur 21 Prozent mit CDU-Chef Friedrich Merz. Aber auch dies handeln die beiden Landeschefs kurzerhand als "Momentaufnahmen" ab. "Und wenn ich das so sagen darf: Die Umfragen in Bayern sind die, die für mich die wirklich interessanten sind. Denn meine Aufgabe ist Bayern", ergänzt Söder und betont, dass an ihm eine "hervorragende Einigung" zur Kandidatenfrage nicht scheitern werde.

So sehr sich Söder, Wüst und kurz zuvor in Berlin auch Merz an diesem Tag bemühen, das Thema kleinzuhalten - mehr als zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl wabert es längst wieder durch die Union. Vor der Bundestagswahl 2021 hatte der Machtkampf zwischen Söder und dem damaligen CDU-Chef Armin Laschet um die Kanzlerkandidatur fast zum Bruch der Union geführt. Und - darin sind sich CDU und CSU einig - ihr am Ende auch alle Chancen auf einen Wahlsieg genommen.

Hört man sich in Berlin in der Union um, gibt es beim Thema K-Frage mindestens zwei Deutungen, wenn es um Merz geht. Zum einen heißt es, der Sauerländer habe nicht drei Anläufe auf den CDU-Vorsitz genommen, um die Kanzlerkandidatur einem anderen zu überlassen. Aber es gibt in der Union auch Stimmen, die es für möglich halten, dass der 67 Jahre alte Merz am Ende doch einem Jüngeren und vielleicht chancenreicheren Kandidaten den Vortritt lässt. Söder ist 56, Wüst erst 47 Jahre alt. Vor allem für Wüst heißt das: Er kann warten.

Zwar liegt die Union in Umfragen derzeit zwischen 27,5 und 31 Prozent - und damit deutlich vor der SPD mit bis zu 20 Prozent oder den Grünen mit bis zu 18 Prozent. Doch eigentlich, so glauben manche in CDU und CSU, müsste man angesichts des anhaltenden Streits der Ampel-Partner SPD, Grüne und FDP schon bei 33 bis 35 Prozent liegen.

Schon seit längerer Zeit liegt die Union wie festgetackert bei der 30-Prozent-Marke. Intern gibt es auch Stimmen, die einen Grund dafür bei Merz sehen: Bei Frauen und in der jüngeren Generation komme er nach wie vor nicht so gut an.

Sollte das bis zur Entscheidung über die Kanzlerkandidatur so bleiben, könnte Merz mit einem Verzicht und einer in der Folge gewonnenen Wahl für sich verbuchen, die CDU nach dem Desaster bei der Wahl 2021 quasi selbstlos wieder aufgebaut zu haben. Zudem hätte er dazu beigetragen, die Union nach nur einer Legislaturperiode wieder an die Macht zurück geführt zu haben. Der Vorwurf des Ehrgeizlings wäre endgültig vom Tisch, der Dank der Union ihm gewiss.

Wann immer über die K-Frage in der Union spekuliert wird, fällt automatisch der Name Wüst. Der Münsterländer steht für eine jüngere Politiker-Generation und hat sich als Gewinner bewährt. Im einwohnerstärksten Bundesland setzte er sich 2021 ohne Scharmützel als Nachfolger von Laschet an der Spitze der Regierung und der NRW-CDU durch und gewann 2022 die Wahl. Danach schmiedete er das erste schwarz-grüne Bündnis in NRW. Auch mit Blick auf den Bund wäre dies eine für viele in der Union vorstellbare Farbkonstellation.

Dagegen hat sich Söder in Bayern im laufenden Wahlkampf klarer als je zuvor in seiner Karriere gegen die Grünen positioniert. Anders als Wüst hat sich der Bayer auch mehr oder weniger deutlich zu seinen Ambitionen in der K-Frage geäußert: "Für mich ist das Kapitel Berlin in Form einer Kandidatur - so würde ich sagen - definitiv abgeschlossen", sagte er schon Ende Februar. Dies gelte "in jeder Beziehung. Die Geschichte Bund ist erledigt."

So weit Söder und Merz die Debatte auch von sich und ihren Parteien wegschieben, Fakt ist: Zunächst ist Merz am Zug. Sollte er als Chef der großen CDU und der Unionsfraktion im Bundestag sein Erstzugriffsrecht in Anspruch nehmen, könnte ihm das niemand streitig machen. Ohne die wohlwollende Unterstützung des CDU-Chefs ist keine erfolgreiche Kanzlerkandidatur denkbar, da könnten Umfragen noch so sehr eine andere Sprache sprechen. Einen Streit über die K-Frage kann sich die Union nicht noch mal leisten, will sie nicht wieder und noch mehr Wähler verprellen.

Ein Machtkampf würde der Union zudem nicht erst bei der Bundestagswahl, sondern schon Anfang 2024 bei der Europawahl schaden. "Unabhängig davon, wer das wird - wir führen keine Europawahl mit einem bereits nominierten Kanzlerkandidaten der Union. Das wird nicht stattfinden", betont Merz in Berlin.

Bleibt die Frage, warum dann ausgerechnet CDU-Vize Carsten Linnemann kürzlich dem "Spiegel" sagte: "Ich halte Friedrich Merz für den besten Kandidaten, um dieses Land wieder nach vorne zu bringen." Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), nannte Merz im "Spiegel" einen "exzellenten Kandidaten" und warnte vor möglichen Machtkämpfen. In der CSU sehen viele die Aussagen als "Testballons" und "Ausrufezeichen", die insbesondere zum Ziel hätten, eine unkontrollierte Debatte zu verhindern, bei denen ein anderer Name als Merz laut gerufen würde.

Danach sieht es derzeit aber weder CDU-intern noch in der CSU aus. In beiden Parteien ist derzeit niemand zu finden, dem das Thema unter den Nägeln brennt. Nur wer genau hinhört, findet Formulierungen, die das relativieren. Gerne ist dann die Rede davon, dass am Ende derjenige Kanzlerkandidat werden müsse, der die aussichtsreichsten Chancen auf den Sieg habe. Fortsetzung folgt.