Die Lage im Überblick
Ukrainische Großstadt kämpft mit Folgen von Drohnenattacken
27. November 2024, 4:54 Uhr
Nach einer beispiellosen Welle russischer Drohnenangriffe auf die Ukraine haben die Menschen in der westlichen Großstadt Ternopil weiterhin mit den Folgen zu kämpfen. Teile der Stadt sind offiziellen Angaben zufolge weiter ohne Strom, die Warmwasserversorgung ist bei winterlichen Temperaturen um den Gefrierpunkt gekappt. Deutschland kündigte an, erneut Mittel zur Reparatur der ukrainischen Energieinfrastruktur zur Verfügung zu stellen. Sorge bereitet der Ukraine und ihren Verbündeten derweil eine neue russische Rakete.
Russland hatte die Ukraine in der Nacht zu Dienstag mit einer bislang beispiellosen Zahl an Drohnenangriffen überzogen. Nach Angaben der ukrainischen Flugabwehr wurde das Land mit 188 Drohnen und vier ballistischen Raketen des Typs Iskander-M attackiert. Laut dem ukrainischen Nachrichtenportal "Ukrajinska Prawda" war es die bis dahin größte Anzahl an Drohnen, die Russland in einer Nacht gestartet hat.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte ein, dass im Gebiet Ternopil die Behebung der Folgen der Drohnenangriffe Zeit brauchen werde. "Fast 200 russische Drohnen gegen die Ukraine innerhalb eines Tages sind beinahe 200 Beweise, dass die russischen Bestrebungen extrem weit weg von irgendeiner Idee eines echten Friedens sind", unterstrich der Staatschef in seiner abendlichen Videoansprache. Die Ukraine wehrt sich seit mehr als zweieinhalb Jahren gegen eine russische Invasion.
In der gut 150 Kilometer von der EU-Grenze entfernten Großstadt Ternopil leben über 200.000 Menschen. "Ein Teil der Stadt ist heute ohne Stromversorgung", sagte Bürgermeister Serhij Nadal in einem am Abend über Telegram verbreiteten Video. In einigen Stadtteilen gebe es daher nur alle acht Stunden für zwei Stunden Strom. Wasserversorgung und Kanalisation seien zwar wieder komplett funktionsfähig, allerdings gebe es kein warmes Wasser. Der Betrieb der Fernheizungssysteme müsse zum Teil mit Generatoren aufrechterhalten werden. Für den Betrieb von Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten kommen Notstromer zum Einsatz.
Bei einem russischen Angriff auf die nordostukrainische Großstadt Sumy kamen nach offiziellen Angaben mindestens zwei Menschen ums Leben. "Wahrscheinlich ist unter den Trümmern noch ein weiterer Mensch", sagte Selenskyj. Eine Autowerkstatt sei getroffen worden, außerdem seien ein weiteres Gebäude und ein Kindergarten in Mitleidenschaft gezogen worden.
Selenskyj zufolge soll Sumy mit Mehrfachraketenwerfern beschossen worden sein. "Schutz davor ist real nur durch die Vernichtung russischer Waffen, russischer Abschussrampen auf russischem Territorium möglich", sagte er. Daher sei es so wichtig, Ziele in Russland attackieren zu können.
Sumy liegt nur gut 30 Kilometer vom umkämpften russischen Grenzgebiet Kursk entfernt. Die Führung in Kiew hat erst seit Kurzem die Erlaubnis ihrer Verbündeten, weiterreichende westliche Waffensysteme aus den USA, Großbritannien und Frankreich auch gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet einsetzen.
Das ukrainische Militär soll nach russischen Angaben mit ATACMS-Raketen aus US-Produktion eine S-400-Flugabwehrstellung und einen Flugplatz in der Region Kursk angegriffen haben. Das Verteidigungsministerium in Moskau räumte auf seinem Telegram-Kanal ein, dass mindestens drei der weitreichenden Raketen bei den Angriffen nicht abgefangen werden konnten.
In der russisch besetzten Stadt Nowa Kachowka im südukrainischen Gebiet Cherson sollen unterdessen mindestens vier Menschen durch Mörserbeschuss getötet worden sein. Weitere sieben seien verletzt worden, teilte der von Moskau eingesetzte Statthalter des Gebiets, Wladimir Saldo, bei Telegram mit. Russland und die Ukraine gaben sich gegenseitig die Schuld. Die Angaben beider Kriegsparteien lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Den Einheiten der ukrainischen Armee gelang es nach eigenen Angaben im ostukrainischen Gebiet Charkiw, in die Stadt Kupjansk vorgedrungene russische Soldaten zurückzudrängen. "Dort ist alles unter der Kontrolle unserer Streitkräfte", versicherte der Sprecher der für den Abschnitt zuständigen Armeegruppe, Nasar Woloschyn, im Nachrichtenfernsehen. Auch russische Vorstöße auf das ukrainisch kontrollierte Westufer des Flusses Oskil seien gescheitert. Bei der Zerstörung russischer Technik kommen demnach vor allem Drohnen zum Einsatz.
Vor knapp zwei Wochen soll Militärbeobachtern zufolge eine russische Einheit überraschend in die östliche Vorstadt von Kupjansk vorgestoßen sein. Das ukrainische Militär bestätigte das nicht. Die Frontlinie verläuft dennoch nur knapp zwei Kilometer nördlich des Verkehrsknotenpunktes. Kupjansk war von Februar bis September 2022 bereits russisch besetzt.
Zur Reparatur der ukrainischen Energieinfrastruktur stellt die Bundesregierung weiteres Geld zur Verfügung. Die insgesamt 65 Millionen Euro fließen in den Energieunterstützungsfonds (Ukraine Energy Support Fund), wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bekanntgab. Dieser wird seit 2022 von vielen internationalen Geldgebern bestückt.
Vertreter der 32 Nato-Staaten und der Ukraine haben sich unterdessen über Erkenntnisse zu einer neuen russischen Mittelstreckenrakete ausgetauscht. Bei den Beratungen auf Botschafterebene in einer außerplanmäßigen Sitzung des Nato-Ukraine-Rats ging es nach Angaben aus Bündniskreisen unter anderem darum, welche Möglichkeiten zur Abwehr der Waffe es gibt. Im Gespräch sind demnach insbesondere US-Raketenabwehrsysteme vom Typ Patriot und THAAD. Über Letzteres verfügt die Ukraine bislang nicht.
Die russischen Streitkräfte hatten die experimentelle Mittelstreckenrakete mit dem Namen Oreschnik am Donnerstag erstmals bei einem Angriff auf die ukrainische Großstadt Dnipro verwendet. Russland behauptet, dass sie mit Hyperschallgeschwindigkeit fliegen und nicht abgefangen werden kann. Experten bezweifeln zumindest den zweiten Punkt. Es wird davon ausgegangen, dass die Rakete theoretisch auch mit nuklearen Sprengsätzen bestückt werden könnte.
Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.