Bundesregierung
Waffenlieferungen: Scholz warnt vor «Überbietungswettbewerb»
8. Februar 2023, 13:28 Uhr aktualisiert am 8. Februar 2023, 17:49 Uhr
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Verbündeten zur Geschlossenheit bei den Waffenlieferungen in die Ukraine aufgerufen und vor einem "Überbietungswettbewerb" gewarnt. "Der Zusammenhalt innerhalb unseres Bündnisses und unserer Allianzen ist unser höchstes Gut", mahnte der SPD-Politiker in einer Regierungserklärung im Bundestag kurz vor einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Paris.
"Was unserer Geschlossenheit hingegen schadet, ist ein öffentlicher Überbietungswettbewerb nach dem Motto: Kampfpanzer, U-Boote, Flugzeuge - wer fordert noch mehr? Was schadet, sind markige innenpolitische Statements und Kritik an Partnern und Verbündeten auf offener Bühne."
Deutschland werde sich daran nicht beteiligen, betonte Scholz. "Denn jede Dissonanz, jede Spekulation" über mögliche Interessenunterschiede nutze einzig und allein dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seiner Propaganda."
In der Debatte über die Lieferung von Kampfpanzern in die Ukraine war Polen vorgeprescht und hatte Deutschland öffentlich unter Druck gesetzt. Nach der Entscheidung für die Bereitstellung der Panzer im internationalen Verbund dringt Polen nun auf eine schnelle Entscheidung über die Lieferung von Kampfjets. Scholz hatte sich dazu skeptisch geäußert. Der Krieg gegen die Ukraine wird eines der Hauptthemen des EU-Gipfels sein, der am Donnerstag in Brüssel beginnt und zu dem Selenskyj erwartet wird.
Zuvor wollen sich Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron am Mittwochabend in Paris mit dem ukrainischen Präsidenten treffen. Es ist die zweite persönliche Begegnung des Kanzlers mit Selenskyj seit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Im Juni war Scholz zusammen mit Macron und dem damaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi nach Kiew gereist, um dort den Weg für den EU-Kandidatenstatus der Ukraine freizumachen.
Deutschland hat bislang die Lieferung von 14 Leopard-2-Panzern zugesagt und der Rüstungsindustrie die Genehmigung für den Export von bis zu 178 Exemplaren des älteren Leopard 1 erteilt. Linke und AfD kritisierten die Entscheidungen in der Debatte über die Regierungserklärung. Die AfD-Fraktionschefin Alice Weidel warf Scholz vor, "Deutschland de facto zur Kriegspartei zu machen in einem Krieg, der nicht der unsrige" sei. "Sie machen Deutschland zur Zielscheibe", sagte Weidel an die Adresse des Kanzlers.
Die Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali forderte diplomatische Bemühungen statt Waffenlieferungen. "Sie riskieren immer mehr, dass Deutschland zur Kriegspartei wird", sagte sie.
Scholz dankte in seiner Rede den Ehrenamtlichen, Vereinen, Initiativen oder Religionsgemeinschaften, die bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine mithelfen. "Das ist ein Zeichen großer Menschlichkeit. Und dafür sage ich von ganzem Herzen Danke."
Der Kanzler stellte sich auch hinter die Einberufung eines Flüchtlingsgipfels durch Innenministerin Nancy Faeser (SPD). "Ich begrüße ganz ausdrücklich, dass die Bundesinnenministerin alle Verantwortlichen im Bund, in den Ländern und Kommunen schon bald zu einem erneuten Spitzengespräch über die anstehenden Herausforderungen zusammenbringt." Auf die Forderung der Opposition, dass er selbst zu einem solchen Gipfel einladen sollte, ging Scholz nicht ein.
CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz kritisierte dies in seiner Erwiderung auf die Regierungserklärung. "Das ist jetzt eine Aufgabe für Sie, für Sie persönlich", sagte der CDU-Chef an die Adresse des Kanzlers. Er verwies darauf, dass ein Gipfel unter der Leitung Faesers bereits im vergangenen Oktober ergebnislos geblieben sei. Den Städten und Gemeinden müsse nun aber dringend geholfen werden.
Neben dem Krieg gegen die Ukraine und der Migration wird die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Europas ein Hauptthema bei dem Gipfel in Brüssel sein. Die USA forderte Scholz angesichts ihres umstrittenen milliardenschweren US-Investitionsprogramms zu Entgegenkommen auf. "Unsere laufenden Gespräche über den Inflation Reduction Act sind dafür eine gute Ausgangsbasis - jedenfalls dann, wenn die USA auf Regeln verzichten, die europäische Unternehmen zum Beispiel gegenüber Unternehmen aus Kanada und Mexiko benachteiligen", sagte der Kanzler. Darüber werde mit den USA beraten, "partnerschaftlich, gelassen und vertrauensvoll".
Der sogenannte Inflation Reduction Act sieht milliardenschwere Investitionen in den Klimaschutz vor, knüpft viele Subventionen und Steuergutschriften aber daran, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren - was in Europa Sorge vor Wettbewerbsnachteilen auslöst.