Bundesfinanzminister
Wirecard: Olaf Scholz muss viele Fragen beantworten
20. Juli 2020, 19:45 Uhr aktualisiert am 20. Juli 2020, 19:45 Uhr
Es wird eng für Bundesfinanzminister Olaf Scholz und seine Leute im Fall Wirecard. Aber auch die Kanzlerin gerät jetzt in den Fokus.
Berlin - Der Ablauf steht noch nicht genau fest, der Tag, an dem Olaf Scholz in die Mangel genommen wird, aber schon. Am 29. Juli kommt der Finanzausschuss des Bundestages zur Sondersitzung zusammen. Hauptthema ist die Insolvenz der Wirecard AG.
Der Bundesfinanzminister wird voraussichtlich daran teilnehmen, er wird sich bohrenden Fragen zu dem Skandal um mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von rund 1,9 Milliarden Euro stellen müssen.
Opposition und zu gewissen Teilen auch CDU/CSU wird dabei bewusst sein, dass weder der SPD-Finanzminister noch sein Staatssekretär Jörg Kukies allein die politische Verantwortung tragen.
Mögliche Unregelmäßigkeiten bei Wirecard früher bekannt
Auch Kanzlerin Angela Merkel gerät in den Fokus. "Sie hat es angesprochen", bestätigte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demme am Montag, dass sich die deutsche Regierungschefin bei ihrer China-Reise im September 2019 für Wirecard einsetzte.
Bei ihrem Besuch in Peking sprach Merkel allgemein von einer Öffnung der chinesischen Finanzmärkte. "Das gilt sowohl für Banken als auch für Versicherungen. Hier konnten Deutsche auch Teil an dieser Öffnung sein" sagte sie.
Das Problem: Die Finanzaufsicht BaFin hatte schon weit vorher auf mögliche Unregelmäßigkeiten bei Wirecard verwiesen. Die Aufsicht erließ am 18. Februar 2019 ein Leerverkaufsverbot gegen Wirecard. Aufmerksam wurde die BaFin am 30. Januar 2019 durch einen Bericht der "Financial Times".
Scholz hatte sich Mitte Januar 2019 beim deutsch-chinesischen Finanzdialog in Peking aufgehalten. Aus Diplomatenkreisen verlautete anschließend, es sei dabei auch "um Zugangsfragen im Bankenbereich und um Lizenzen sowohl für Versicherungen als auch für Privatbanken" gegangen. In der Abschlusserklärung begrüßte China jedenfalls "den Einstieg deutscher Unternehmen im Bereich Zahlungsverkehr".
Der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach nannte die Sondersitzung des Finanzausschusses "erforderlich, um mehr Transparenz in die Vorgänge um die Insolvenz der Wirecard AG zu bringen".
Olaf Scholz ein gewiefter Taktiker
"Klar ist, dass sich verschiedene Vorwürfe gegen Wirecard über Jahre gestreckt haben; teilweise gab es ja schon im Jahr 2008 Vorwürfe", heißt es in seinem Ministerium. Opposition und Union können auch Staatssekretär Jörg Kukies kaum in die politische Haftung nehmen.
Dessen Treffen mit Wirecard-Chef Markus Braun sind an sich erst einmal nichts Anrüchiges. Der Finanzexperte wurde von Scholz unter anderem genau wegen solcher Kontakte ins Ministerium geholt.
FDP-Finanzexperte Frank Schäffler sagte am Montag im BR, Kukies habe am 50. Geburtstag von Braun teilgenommen, "obwohl zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon eine forensische Untersuchung der KPMG stattgefunden hat". Das sei schon "bezeichnend", findet er.
Wie lief der Info-Strom zwischen Scholz und Merkel?
Die eigentlich spannende Frage wird der Finanzausschuss nicht klären können. Laut Vize-Regierungssprecherin Demmer hatte Merkel bei ihrem Besuch in Peking "keine Kenntnis von Unregelmäßigkeiten bei Wirecard".
Wenn das so stimmt, dann stellt sich die Frage, warum Scholz die Kanzlerin nicht bereits im Februar 2019 informierte? Ein Ministeriumssprecher sagte am Montag, die dem Minister seinerzeit vorliegenden Details seien "im Wesentlichen öffentlich bekannt" gewesen.
Mit anderen Worten: Die als emsige Zeitungsleserin bekannte Merkel hätte schon früh selbst wissen können, was los ist. Verbrannt ist Scholz nach dem 29. Juli absehbar aber nicht. Dafür haben bei Wirecard zu viele Menschen ihre Hand im Spiel.
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