Anmerkungen

Marcel Proust muss weiterhin warten


Neulich habe ich mal wieder - ungefähr zum zehnten Mal in meinem Leben - Marcel Prousts Klassiker der Weltliteratur "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" aus dem Bücherschrank genommen. Erster Band. Edler Umschlag in schwarz, Reliefschrift in dunkellila. Die Seiten so dünn wie in einem Gotteslob. Wundervoll anzufassen. Macht schon was her, da kommt man in Lesestimmung. Wer kann da wiederstehen?

Proust gehört ja seit vielen Jahren zum Kanon, wie man vom Literaturpapst vor Jahren erfahren konnte und vor eben diesen Jahren habe ich zum ersten Mal versucht, das Jahrhundertwerk zu lesen (oder war es in der Schule?). Zugegeben: Zeit braucht man schon ein bisschen. Aber was ist schon Zeit? Proust konnte sich damals, nach Jahren des Müßiggangs (schönes, altes Wort) und nach einer Welle traumatischer Erfahrungen endlich, endlich dem Schreiben widmen. Und ich habe mir nun vorgenommen, mich endlich, endlich diesem Monumentalwerk zu widmen. Ich überschlage im Kopf, wie lange ich in etwa brauchen werde für die sieben Bände mit mehreren tausend Seiten: Wenn ich pro Abend soundso viele Seiten lese, könnte ich es schaffen, bevor…

Nach zehn Seiten übermannt mich der Schlaf und das Buch fällt mir aus der Hand. Als ich wieder wach werde, gehe ich zum Bücherschrank und entdecke ein verlockendes Buch, das ich schon seit vielen Jahren lesen möchte: "Ulysses" von James Joyce. Nicht mal tausend Seiten? Okay: Proust muss mal wieder warten.

Die Zeit wird kommen, wenn ich sie gefunden habe.