Landshut
80-Jähriger würgt Ehefrau im Wahn – Gericht ordnet Unterbringung an
30. August 2016, 17:45 Uhr aktualisiert am 30. August 2016, 17:45 Uhr
Erst ging er ihr an die Gurgel. Dann befahl er ihr, seinen Koffer zu packen. 40 Jahre lang hatten Maria und Ludwig N. "eine gute Ehe" geführt, wie beide vor Gericht versicherten. Dann hatte in der Nacht auf den 14. Dezember 2015 "der Wahn die Steuerung" übernommen, wie es der psychiatrische Sachverständige Dr. Gregor Groß beschrieb, und Ludwig N. versuchte, seine schlafende Frau zu töten.
Die erste Strafkammer des Landgerichts sah einen versuchten Totschlag als erwiesen an. Weil dieser im Zustand der Schuldunfähigkeit stattfand, ging es am Dienstag aber vor allem um die Unterbringung von Ludwig N. in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Kammer unter Vorsitzendem Richter Markus Kring folgte den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung und ordnete diese an - setzte die Vollstreckung der Maßregel aber auch aufgrund des hohen Alters zur Bewährung aus. Allerdings stellte sie N. unter Führungsaufsicht und machte ihm zur Auflage, dass er in ein Pflegeheim zieht.
Die Staatsanwaltschaft war von einem versuchten Mord ausgegangen. Laut Antragsschrift hatte sich der 80-Jährige gegen 4.45 Uhr in das gemeinsame Schlafzimmer begeben und begonnen, seiner schlafenden Frau Maria mit ganzer Kraft ein Kissen auf das Gesicht zu drücken, um sie dadurch zu töten. Dazu hatte er sich auf die Hüften der 79-Jährigen gekniet. Ludwig N. sei dabei bewusst gewesen, so die Staatsanwaltschaft, dass die Schlafende mit keinem Angriff rechnete, was er für seine Zwecke habe ausnützen wollen. Maria N. erwachte jedoch sofort und wehrte sich mit aller Kraft gegen den Angriff ihres Mannes. Es gelang ihr, ihm das Kissen zu entreißen. Daraufhin würgte Ludwig N. seine Frau mit beiden Händen - der Rechtsmediziner stellte später "deutliche Hautrötungen" am Hals- und Kehlkopfbereich fest - und kündigte ihr dabei mehrmals an, dass er sie nun töten werde. Auch hier gelang es Maria N. letztlich, ihren Mann wegzuschubsen. Aufgrund des heftigen Widerstandes seiner Frau ließ der 80-Jährige letztlich von ihr ab. Der psychiatrische Sachverständige war in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass N. zur Tatzeit an einer organisch bedingten schizophrenen Störung litt - welche das Eingangsmerkmal einer krankhaften seelischen Störung im Sinne des Paragraphen 20 des Strafgesetzbuches erfüllt, was heißt, dass N. zur Tatzeit schuldunfähig war. Teile des Gehirns von N. seien geschädigt - möglicherweise durch eine langjährige Arteriosklerose -, was die Ursache für die wahnhaften Störungen sein könne. Dass N. in der Nacht durchaus planvoll vorgegangen sei, widerspreche nicht seiner Schuldunfähigkeit, so Groß: "Da übernimmt der Wahn die Steuerung." Groß empfahl die Trennung des Paares, da sich der Wahn auf die Frau beziehe.
Wie die Beweisaufnahme ergeben hat, hatte Ludwig N. sich nach dem Angriff auf seine Frau mit einem Messer Stichverletzungen im Bauchbereich zugefügt. Die Frage eines Polizisten, ob er seine Frau habe töten wollen, soll er bejaht haben; "i hab gmoant, wenn, dann sollt' ma alle zwoa kaputt sei". Vor Gericht machte N. keine Angaben zu den Ereignissen am 14. Dezember in der Wohnung des Ehepaares in Eching. Seinem Verteidiger Patrick Schladt zufolge hat der 80-Jährige "keinerlei Erinnerungen mehr an diese Nacht", bedauere den Vorfall aber sehr. Zeugen sprachen von einer "unauffälligen Ehe", bis auf die Tatsache, dass Ludwig N. ganz klar den Ton angegeben habe. "Er hat bestimmt und sie hat sich dem gefügt", sagte der Neffe von Maria N. Der Polizist berichtete vor Gericht, dass N. auch nach der Tat sehr dominant gegenüber seiner Frau gewesen sei. "In forschem Ton" habe er diese etwa aufgefordert, ihm einen Koffer für das Krankenhaus zu packen - "und sie wollte immer gleich losrennen", so der Polizist.
Maria N. leidet nach eigenen Angaben heute noch unter den Folgen des Angriffes. Sie habe Alpträume und schlafe schlecht. Etwa zwei Monate vor der Tat, nach einer Knie-OP, habe ihr Mann angefangen, sich zu verändern. Damals habe er auch die Diagnose Prostata-Krebs erhalten, aber der Arzt habe gemeint, ihr Mann könne in seinem hohen Alter damit gut weiterleben. Doch ihr Mann habe seitdem nicht mehr gesprochen und kaum mehr etwas gegessen. An dem Tag vor der Tatnacht sei er allerdings wieder wie früher gewesen. Er habe mit Appetit gegessen, sei den ganzen Tag über sehr nett gewesen. "Als ich schlafen gegangen bin, hat er mir sogar noch eine Gute Nacht gewünscht." Auf ihre Ehe angesprochen, sagte die Portugiesin, "ich mochte meinen Mann sehr gern. So viele Jahre..." Dann fing sie zu weinen an.
Es sei nicht Aufgabe der Kammer gewesen, die Art der Beziehung zu bewerten, so Richter Kring in der Urteilsbegründung. Tatsache sei, dass sowohl Ludwig als auch Maria N. vor Gericht von einer "guten Ehe" gesprochen hätten. Es gebe keinen Ansatzpunkt, dass sich im Vorfeld der Tat "ein stiller Ärger" bei Ludwig N. aufgebaut hätte, der sich in der Tatnacht entladen habe. Das Paar habe 40 Jahre lang unauffällig miteinander gelebt. Die Tat steche so aus der Lebensgeschichte der beiden heraus, dass die Kammer wie der psychiatrische Sachverständige davon ausgeht, dass es sich um einen erweiterten Suizidversuch gehandelt habe. Kring sprach von einem altruistischen Motiv: N. habe gedacht, er müsse an der Krebserkrankung sterben und seine zuckerkranke Frau, die sich nie um die Finanzen habe kümmern müssen, käme dann ohne ihn nicht zurecht im Leben.