Landshut

Schauspieler oder psychisch krank?


Brima K. brachte vor Gericht gerade einmal zwei Worte heraus. Nun muss die Kammer prüfen, ob der mutmaßliche Drogendealer verhandlungsunfähig ist - oder nur schauspielert.

Brima K. brachte vor Gericht gerade einmal zwei Worte heraus. Nun muss die Kammer prüfen, ob der mutmaßliche Drogendealer verhandlungsunfähig ist - oder nur schauspielert.

Von kö

Brima K. brachte vor Gericht gerade einmal zwei Worte heraus. Nun muss die Kammer prüfen, ob der mutmaßliche Drogendealer verhandlungsunfähig ist - oder nur schauspielert.

Immerhin waren es schon zwei Wörter. Während Brima K. am ersten Verhandlungstag vor der sechsten Strafkammer des Landgerichts, wo er sich wegen Drogenhandels verantworten muss, lediglich das Wort Koko von sich gegeben hat, sagte er am Freitag noch "Massengrab". Dazu machte der 47-jährige Asylbewerber aus Sierra Leone erneut Schreibbewegungen in der Luft. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Ralph Reiter, ob das Verhalten des Angeklagten nicht etwas dick aufgetragen sei, meinte der psychiatrische Sachverständige Dr. Ludwig Schmid, der zwischenzeitlich mit einer vorläufigen medizinischen Einschätzung beauftragt worden war, er könne eine Simulation weder ausschließen noch befürworten: Ein Hinweis ist noch kein Beweis." Auf Antrag von Verteidiger Franz Auer, der seinen Mandanten als verhandlungsunfähig bezeichnete, muss die Kammer nun bis zum nächsten Verhandlungstermin über eine Einstellung des Verfahrens entscheiden.

Staatsanwalt Tilmann Roß konnte auch am Freitag die Anklageschrift nicht verlesen. Dem Vernehmen nach soll Brima K. von seiner Unterkunft im Asylbewerberheim Landshut aus einen regen Handel mit Marihuana getrieben haben. Dabei soll er auch eine Jugendliche als Drogendealerin angeheuert haben. Die 16-jährige Schülerin soll von ihm 70 Gramm Marihuana für 500 Euro auf Kommission bekommen haben. Anderen Jugendlichen soll er Gras zum Eigenkonsum verkauft haben. Als sein Münchner Lieferant im Januar festgenommen wurde, flog auch Brima K. auf.

Die Prozessbeteiligten gaben sich auch am Freitag redlich Mühe, Kontakt zu dem 47-Jährigen aufzunehmen. Richter Reiter hielt ihn durchaus für verhandlungsfähig. "Er gibt doch schon ein besseres Bild ab als beim letzten Mal." Brauchbare Antworten gab Brima K. aber erneut nicht. Außer den Wörtern Koko und Massengrab war nur Gemurmel zu hören. Zudem schrieb K. wieder Wörter in die Luft und hielt sich teilweise die Hand ans Ohr, als würde er Stimmen hören. Dies hatte er beim Betreten des Sitzungssaales zumindest kund getan: "I hear voices", hatte K. da deutlich vernehmbar gesagt. "Es ist schon auffällig, dass das gestörte Verhalten immer in der Hauptverhandlung besonders ausgeprägt erscheint", gab der psychiatrische Sachverständige Dr. Ludwig Schmid zu. Richter Reiter hatte zuvor noch angeboten, die Beisitzerin und er könnten ja die Roben ausziehen, falls es daran liegen sollte.

Schmid hatte den Angeklagten seit dem letzten Verhandlungstag im Bezirksklinikum Mainkofen beobachtet. Das als auffällig erscheinende Verhalten von K. müsse nicht zwingend auf eine psychiatrische Simulation deuten, sagte er. Über das in seiner Heimat erlebte Trauma wolle er nicht sprechen, was wiederum für eine psychische Belastung spreche - aber das sei "auch nur ein Hinweis, kein Beweis". Die vergangene Woche durchgeführten Untersuchungen hätten zumindest ergeben, dass eine hirnorganische Ursache für das seltsame Verhalten ausgeschlossen werden könne, so Schmid. Auch ein Drogenkonsum habe nicht stattgefunden. Möglicherweise, so der Vorschlag des Sachverständigen, könne ein psychiatrischer Gutachter, der Erfahrungen mit dem Kulturkreis habe, aus dem der Angeklagte stamme, mehr Feststellungen treffen.

In den Akten von Ausländerbehörde und Bezirkskrankenhäusern, wo K. wegen Angstzuständen behandelt worden ist, ist nichts von psychischen Auffälligkeiten wie Stimmen hören vermerkt. Die Kammer hegt den Verdacht, dass Brima K. von Mitgefangenen in der JVA Landshut den Tipp bekommen hat, "einen auf Psycho zu machen", um einer drohenden Abschiebung zu entgehen. Dafür spreche, so Reiter, dass der Angeklagte unmittelbar nach seiner Festnahme noch kooperativ gewesen sei und eingeräumt habe, selbst einen "ausgeprägten Marihuanakonsum" zu betreiben. Einen Handel bestritt der 47-Jährige aber.

Der Prozess wird am 11. November fortgesetzt.