Landgericht Landshut
Messestecherei in Asylbewerberunterkunft: 7 Jahre Haft
30. September 2016, 17:37 Uhr aktualisiert am 30. September 2016, 17:37 Uhr
Hussein A. versuchte noch, die Situation zu deeskalieren. Er ignorierte die Beleidigungen seines Landsmanns und auch die ersten Schläge.
Doch als dieser ihn zu Boden schubste, zog der 25-jährige Iraker sein Messer und kannte kein Erbarmen mehr: Mit 17 Stichen verletzte A. seinen Mitbewohner in der Asylbewerberunterkunft an der Siemensstraße derart, dass der 23-Jährige wenige Tage später im Krankenhaus an einem multiplen Organversagen verstarb. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts verurteilte Hussein A. am Donnerstag wegen Totschlags in einem minder schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten.
Das Opfer habe den Angreifer während es Streits zwar provoziert, der Messerangriff sei aber "von Anfang an mit bedingtem Tötungsvorsatz erfolgt", begründete Vorsitzender Richter Markus Kring die Entscheidung der Kammer. Am 25. Dezember vergangenen Jahres war es zum Streit zwischen den beiden Männern gekommen. Auslöser war ein vorangegangener Diskobesuch gewesen, bei dem sich der Angeklagte in den Augen des späteren Opfers ungebührlich benommen habe. "Es hat ihm nicht gepasst, dass wir Spaß mit Mädchen hatten und auch Alkohol getrunken haben", hatte Hussein A. zu Prozessbeginn erklärt.
Über eine Erklärung seines Verteidigers Maximilian Kaiser hatte der 25-Jährige die tödlichen Messerstiche einräumen und auch sein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen lassen. Er habe dem 23-Jährigen zu Beginn des Streits mehrmals gesagt, er solle seine Belehrungen lassen. Doch dessen Beleidigungen seien immer heftiger geworden; unter anderem habe er die Turkmenen beschimpft, zu denen er gehöre, und seine Familie. Dann habe es die ersten Schläge gegeben. Dann wisse er nur noch, dass er zum Messer gegriffen habe, als der andere ihn zu Boden geschubst habe.
Der 23-Jährige versuchte nach den ersten Messerstichen noch über mehrere Zimmer hinweg, zu fliehen. Das Opfer habe auf der Flucht um sein Leben gefleht, sagte Richter Kring in der Urteilsbegründung. Doch der Angeklagte kannte kein Erbarmen. Mitbewohner, die ihn von der Tat abhalten wollten, schrie H. zu, sie sollten weggehen, ansonsten wären sie als Nächste dran.
Dies zeige, so Kring, dass H. während seiner sich zehn bis 15 Minuten hinziehenden Messerattacke ansprechbar gewesen sei. Ein Affektdelikt sei daher auszuschließen. Der psychiatrische Gutachter Dr. Klaus Lang hatte eine solche Affekttat zuvor ebenfalls ausgeschlossen und den Angeklagten für voll schuldfähig erklärt. H. habe zunächst versucht, den Streit einzudämmen. Auch mit der Bitte an den 23-Jährigen, er solle mit Rücksicht auf die anwesenden Kinder die Beschimpfungen lassen, habe er ein besonnenes Verhalten an den Tag gelegt.
H. habe den Angriff zudem selbst beendet, als er bemerkt habe, dass der Blutverlust bei seinem Landsmann größer werde. Eine krankhafte psychische Störung hatte Lang ebenfalls ausgeschlossen. Dafür gebe es keinerlei Hinweise. Nachdem Hussein A. vor Gericht erklärt hatte, er habe seit 2011 nach einer Verletzung mit einer Handgranate sieben Splitter im Kopf und habe seither immer wieder Aussetzer, hatte die Kammer ein CT des Gehirns in Auftrag gegeben - das dann allerdings keinerlei Auffälligkeiten gezeigt hatte.
Oberstaatsanwalt Dr. Klaus Ruhland hatte für Hussein A. wegen Totschlags innerhalb eines Strafrahmens von fünf bis 15 Jahren eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren gefordert. Ein minder schwerer Fall liege nicht vor, so Ruhland: Der Angeklagte habe "absoluten Vernichtungswillen" gezeigt. Verteidiger Kaiser war da anderer Meinung: Er beantragte die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren in einem minder schweren Fall des Totschlags. "Es war ein nicht mehr hinnehmbarer Exzess", so Kaiser zu der Tat. Sein Mandant sei aber nicht der Auslöser gewesen. "Er hat nur reagiert." A. habe sich nach dem Schubs auf den Boden in einer objektiven Notwehrlage befunden. Kaiser hielt zudem eine zweite Strafrahmenverschiebung für angebracht, da man seinem Mandanten aufgrund seiner Drogen- und Alkoholprobleme eine verminderte Schuldfähigkeit nicht absprechen könne.
Wie Richter Kring in der Urteilsbegründung sagte, hätten Haar- und Blutprobe ergeben, dass Alkohol und Drogen zur Tatzeit keinerlei Rolle gespielt hätten. Zu einem minder schweren Fall sei man dennoch gekommen, da die Kammer ein Verschulden seitens des Angeklagten nicht habe feststellen können. Dass man innerhalb des verschobenen Strafrahmens von einem bis zu zehn Jahren das Strafmaß dann wieder im oberen Bereich angesiedelt habe, liege auch an der Generalprävention, so Kring: Gleichartige Taten von Asylbewerbern hätten sich in letzter Zeit gehäuft. "Da darf kein falsches Signal gesetzt werden."