Dingolfing/Landshut
Prozessauftakt um tödliche Messerattacke vor dem Atrium
2. August 2016, 16:50 Uhr aktualisiert am 2. August 2016, 16:50 Uhr
"Boah", soll das spätere Opfer gesagt und kurz inne gehalten haben, als Murat A. sein Messer zog. Dann ging der 24-Jährige weiter auf den drei Jahre älteren Murat A. zu - wenige Minuten später traf ihn ein Stich ins Herz. Die als Schwurgericht tagende erste Strafkammer des Landgerichts Landshut muss sich seit Dienstag mit dem tödlichen Streit vor der Diskothek Atrium in Dingolfing auseinandersetzen. Die Staatsanwaltschaft legt Murat A. Totschlag zur Last.
Laut der von Staatsanwalt Gerd Strohner vertretenen Anklage war Murat A. in der Nacht auf den 4. Oktober 2015 Gast der Diskothek. Im Verlauf des Abends kam es mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und den Security-Mitarbeitern der Diskothek. Dabei bedrohte er diese irgendwann auch mit dem Tod. "Der Angeklagte war wütend", so die Staatsanwaltschaft, "und wollte seinen Ärger durch Streit und tätliche Auseinandersetzung abreagieren." A. holte aus seinem nahe gelegenen Elternhaus zwei Messer und kehrte gegen 3.15 Uhr zum Haupteingang der Diskothek zurück. Dort provozierte er wiederum die Türsteher, wobei es ihm gleichgültig war, wer sich durch seine Beleidigungen angesprochen fühlte.
Das Opfer verblutete innerlich
Dies war schließlich ein 24-jähriger Gast, der beruflich ebenfalls als Türsteher tätig war, und seinen Kollegen vor der Tür offensichtlich auch beistehen wollte - später wurde bei ihm ein Blutalkoholwert von 2,56 Promille festgestellt. Der 24-jährige Pole ging dem Angeklagten - der ebenfalls erheblich alkoholisiert war - unbewaffnet entgegen. Es kam zu einem Gerangel, das laut Anklage maximal eine Minute dauerte und damit endete, dass das spätere Opfer auf Murat A. zum Sitzen kam und ihn mit der Faust schlug. Wie angekündigt und geplant, versetzte der Angeklagte dem 24-Jährigen mit den Messern eine Vielzahl von Stich- und Schnittverletzungen in Oberkörper und Rückenbereich. Ein Stich drang in den Herzbeutel - der 24-Jährige verblutete innerlich.
"Der Tod kam mir schon in den Sinn"
Laut rechtsmedizinischem Gutachten trafen das Opfer vier "feste Stiche". Murat A. - der unter anderem mit einem Kieferbruch ins Krankenhaus eingeliefert worden war - sagte gestern vor Gericht, er habe einmal kräftig zugestochen. Zuvor habe er mit dem Messer "hin und her gefuchtelt", um sich der Schläge des anderen zu erwehren, von denen sich "jeder angefühlt hat wie zwei". Murat A. hat dem Bekunden nach also "hin und her gefuchtelt", als er plötzlich gespürt habe, dass "das Messer steckte". Er habe es dann herausgezogen und einmal kräftig zugestochen. Der 28-Jährige tat sich schwer, die Frage von Vorsitzendem Richter Markus Kring zu beantworten, was er sich denn während des Kampfes gedacht habe. "Der Tod kam mir schon in den Sinn", sagte er schließlich nach längerem Zögern.
Drohungen in der JVA
"Murat A. soll Zeugen zufolge vor der tödlichen Auseinandersetzung angekündigt haben, er gehe jetzt nach Hause und hole eine Pistole. Der Polizei gegenüber soll er gesagt haben, er sei nach Hause, um Messer zu holen. Vor Gericht bestritt der 28-Jährige aber, nach Hause gegangen zu sein, um sich zu bewaffnen. Er habe heim wollen; doch die Haustür habe sich nicht aufsperren lassen. Er sei daher in den Garten gegangen. Dort sei immer noch ein Messer gelegen, das die Familie zwei Tage zuvor beim Grillen benutzt habe. Er habe es eingesteckt, so A., um gegenüber den Türstehern "cool dazustehen", um damit zu drohen. Dass er auf dem Rückweg zur Diskothek zu zwei Mädchen gesagt haben soll "Kommt mit. Hier gibt's gleich Action", bestritt Murat A.
Auch auf die Frage von Richter Kring, ob er leicht aggressiv werde, wusste A. keine rechte Antwort. Er werde aggressiv, wenn er getrunken habe und "wenn ich mich ungerecht behandelt fühle", sagte der Deutsch-Türke, der seinem Lebenslauf zufolge sowohl in der Türkei als auch in Deutschland bei dem Versuch scheiterte, beruflich wie privat Wurzeln zu schlagen. Richter Kring sprach zudem einen Vorfall in der Haftanstalt mit einem Wachmann an, der Murats Zelle durchsuchen sollte. Er würde ihm jetzt gerne ein Messer reinrammen und dieses umdrehen. Das würde er dann "genießen wie beim letzten Mal", soll A. zu dem Wachmann gesagt haben. A. bestritt auch dies. "Ich habe nur auf Türkisch geflucht."
Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.