Tödliche Messerstiche vor Dingolfinger Disco
Verwirrung vor Gericht: Hat er aus Notwehr gehandelt?
4. August 2016, 17:24 Uhr aktualisiert am 4. August 2016, 17:24 Uhr
Fortsetzung im Prozess um die tödliche Messerattacke vor der Dingolfinger Diskothek Atrium im Oktober 2015. Widersprüchliche Zeugenaussagen sorgen für Verwirrung vor Gericht.
"Ich habe gedacht, der bringt ihn um." Vor der ersten Strafkammer des Landgerichts Landshut hat eine Taxifahrerin heute von massiven Schlägen des späteren Opfers gegenüber dem Angeklagten berichtet. Die Schläge seien nur so auf den am Boden liegenden Murat A. "niedergeprasselt", bestätigte ein Kollege. Die Taxifahrer wollen beobachtet haben, wie der Angeklagte dem Opfer dann noch hinterhergelaufen ist, nachdem dieses von ihm abgelassen hatte.
Die Türsteher hingegen wollten auch nach mehrmaliger Belehrung durch Vorsitzenden Richter Markus Kring bezüglich ihrer Wahrheitspflicht als Zeugen von Schlägen des späteren Opfers nichts mitbekommen haben. Unklar blieb am zweiten Verhandlungstag, wann und in welcher Reihenfolge die Stichverletzungen bei dem 24-Jährigen entstanden sind. Auch das rechtsmedizinische Gutachten konnte den Ablauf des Kampfes nicht vollständig klären.
War es Notwehr?
Folgt man den Aussagen der Taxifahrer, so tut sich doch der Gedanke an eine Notwehrsituation bei Murat A. auf. "Der Mensch, der da drunter liegt, steht nicht mehr auf", habe er sich gedacht, so ein Taxifahrer. Das spätere Opfer sei dann aber plötzlich aufgestanden und "ganz normal" weggegangen. Der Angeklagte sei ihm hinterher und habe ihn von hinten angefallen. A. habe das spätere Opfer von der Seite aus geschlagen; ein Messer habe er aber nicht gesehen, sagte der Zeuge. Das habe er erst in der Hand des Angeklagten bemerkt, als dieser an ihm vorbeigelaufen sei, während der 24-Jährige plötzlich zusammengesackt sei.
Laut Anklage erfolgten die Messerstiche ja bereits, als Murat A. und der Geschädigte am Boden lagen. Aber sowohl die Taxifahrer als auch die Türsteher wollen bei diesem Gerangel kein Messer beziehungsweise keine Stiche beobachtet haben. Die Türsteher verneinten gar, Schläge gesehen zu haben. "Da habe ich gerade nicht hingeschaut" oder "Weiß ich nicht" lauteten die Antworten häufig. Er habe die Situation zunächst als "nicht so extrem" empfunden, sagte einer der Türsteher. Dann sei der 24-Jährige auf ihn zugekommen - "blutüberströmt" - und zusammengebrochen. "Das kann doch gar nicht sein", habe er sich da gedacht. Seine Kollegen und er hätten dem Geschädigten das T-Shirt ausgezogen: "Da haben wir schon den ersten Stich gesehen." Dass der Angeklagte nach der Auseinandersetzung am Boden noch einmal auf den 24-Jährigen eingeschlagen hat, wie von den Taxifahrern beschrieben, war in den Schilderungen der Türsteher kein Thema. Diesen zufolge war der Geschädigte nach dem Vorfall auf dem Boden ohne Unterbrechung auf sie zugegangen und schließlich am Eingang zur Diskothek zusammengebrochen.
Gutachterin: Stiche aus liegender Position "schwer vorstellbar"
Murat A. hatte im Übrigen bestritten, mehrere Messer gehabt zu haben; er habe nur eines zu Hause eingesteckt. Der rechtsmedizinischen Sachverständigen zufolge rühren die festgestellten Verletzungen bei dem Türsteher aber "definitiv" von zwei Messern - einem Käsemesser und einem "gängigen Haushaltsmesser" - her. Wann genau die Stichbewegungen - die Sachverständige kam auf zehn massive - erfolgt seien, könne aber nicht rekonstruiert werden. Es gebe Stichverletzungen, so die Gutachterin, die aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Wucht aus einer liegenden Position heraus schwer vorstellbar seien. Aber auch ein seitliches Stechen im Stehen passe zu einigen Verletzungen nicht. Zum Angeklagten sagte die Rechtsmedizinerin, man habe eine Vielzahl von Verletzungen im Kopfbereich festgestellt, die durch stumpfe Gewalteinwirkung, also von Schlägen, entstanden seien. Beide Männer seien zur Tatzeit stark alkoholisiert gewesen.
Der Prozess wird kommenden Donnerstag fortgesetzt.