Lebendige Geschichte
Doku-Film über Aidenbacher Bauernschlacht gezeigt
21. März 2023, 12:28 Uhr
Er ist Fernsehjournalist, Buchautor, Leiter "Print" unseres Niederbayern TV Magazins, Drehbuchautor, Regisseur, Kameramann und Cutter. Kurzum: Mädchen, oder eher Mann für Alles, wenn es um die Medienwelt in und um Niederbayern geht. Warum ein altes Englischlexikon seiner Schwester quasi daran schuld war, dass er sich für die Bayerische Volkserhebung Anfang des 18. Jahrhunderts interessiert, und er dadurch nicht nur einen Historienroman verfasste, sondern gleich einen ganzen Dokumentarfilm komplett in Eigenregie drehte, erzählte Andreas Reichelt im Interview.
Wache Augen, stets ein leicht verschmitztes Lächeln auf den Lippen, immer akkurat gekleidet und dazu eine Winzigkeit Nervosität, die jedes Mal durchblitzt, wenn wir uns zum Interview treffen. Das ist Andreas für mich. So, wie ich ihn seit beinahe vier Jahren kenne. Damals, 2019 noch als Volontär fast noch in den Kinderschuhen in Sachen Kamera und Schnitt, sitzt er mir jetzt als gestandener Journalist gegenüber, der soeben noch die gerade über die Bühne gegangene Premiere seines inzwischen zweiten Dokumentarfilmes verdaut. Ich schreibe bewusst "verdaut", denn mal eben eine Arbeitsleistung von mehreren Jahren Recherche, monatelanger Vorplanung und schlussendlicher, filmischer Durchführung plus Postproduktion gut 350 Augenpaaren zu präsentieren - um dann im besten Fall mit Beifall belohnt zu werden - ist etwas, was selbst ihn noch zum Schwitzen bringt. Obwohl er regelmäßig vor vielen Menschen referieren muss.
Doch so ein Herzensprojekt nimmt für den Autor vielleicht noch einmal einen ganz anderen Stellenwert ein. Was er in Kreativarbeit von 2017 bis 2019 auf 283 Seiten schwarz auf weiß zu Papier brachte, ist nun quasi historisch noch eine Spur korrekter auf Celluloid gebannt. Sein Roman "Der Sohn des Hofmarksrichters" als Einstieg in einen knapp 29-minütigen Dokumentarfilm. Dieser wurde bereits hier bei NIEDERBAYERN TV ausgestrahlt und soll in leicht gekürzter Version auch im dann neuen Dokumentationszentrum des Marktes Aidenbach geschichtsinteressierten Besuchern gezeigt werden.
Wenn alles läuft - NICHT. Von Unwegsamkeiten und erfrorenen Fingern
"Aidenbach 1706 - vom Ende einer Volkserhebung" erzählt das Aufbegehren des bayerischen Landvolks gegen die österreichisch-kaiserliche Besatzung. Eine blutrünstige, grausame Zeit, die wir heute nicht einmal mehr ansatzweise nachvollziehen können. Außer, man hat sich bereits die Aufführung des Aidenbacher Kultur- und Festspielvereins angeschaut. "Lieber bairisch sterben…" heißt das Freilichtspiel, das normalerweise alle zwei Jahre unter anderem das Massaker von Aidenbach darstellt - gespielt von über 100 Mitwirkenden.
Sie sind es auch, die die Authentizität und historisch glaubhafte Tiefe in Andreas Reichelts Film transportieren. Dabei sind die schauspielerischen Einsätze jedoch teils ganz anders gelaufen, als geplant. Denn die Coronapandemie machte es dem Dokumentarfilmer nahezu unmöglich, das ursprünglich geschriebene Skript filmisch eins zu eins umzusetzen. Keine Freilichtaufführungen, keine Proben, kein "Scenes behind" oder wichtige, weitere Historiendarstellungen auch außerhalb Niederbayerns. Also hieß es improvisieren.
Selbst, wenn das bedeutete, mit halb gefrorenen Fingern den Joystick der Kameradrohne in Eiseskälte zu bedienen. Alles, für die perfekten Aufnahmen eines ganz und gar nicht mehr perfekten Drehplans.
Auf die Frage, wie lang denn eigentlich die Dreharbeiten gedauert hätten, hält er kurz inne, betont zunächst, dass Planung, Kamera, Dreh und Schnitt komplett in Eigenregie erfolgten, bis dann die Aussage kommt, er könne sich eigentlich nicht mehr genau an die Anzahl erinnern, aber es "seien wahnsinnig viele gewesen und viel mehr, als geplant". Aha, jetzt ist die Katze aus dem Sack. Ein ohnehin schon großes Projekt für eine quasi One-Man-Media-Show mit den Unwegsamkeiten einer Pandemie. Geklappt hat es trotzdem.
Recherche ist alles - oder: Wie ein blöder Zufall Schuld an allem war
Wer sich jetzt - zurecht, wie ich auch an dieser Stelle - fragt, wie um Himmels Willen der zweifache Familienvater, Autor, Journalist und Printmagazinleiter überhaupt auf diese wahnwitzig anmutende Idee gekommen ist, einen Dokumentarfilm über die bayerische Volkserhebung von 1705/06 zu drehen, wird überrascht sein.
"Eigentlich eine richtig blöde Sache", schmunzelt Andreas Reichelt an dieser Stelle im Interview in unserem NIEDERBAYERN TV PASSAU Studio. Er habe durch Zufall in einem alten Englischlexikon seiner Schwester die von ihr vermerkte Wohnadresse entdeckt.
Sie wohnten damals in der Plinganserstraße. Doch wer war eigentlich dieser Plinganser? Andreas' Interesse war damit geweckt. Und nicht nur das. Wenige Tage später, so erzählt er mir fast schon aufgeregt weiter, fiel ihm ein altes Foto seines Vaters in die Hände, das ihn mit einem Teil der von ihm bemalten Freilichtspielkulisse für Aidenbach zeigte. Damit gab es für Andreas kein Halten mehr und tausende, recherchierter Geschichtsbuchseiten später wusste er nicht nur, das Plinganser einer der Rädelsführer der Volkserhebung war, sondern auch, dass er irgendwann einmal einen Film darüber drehen musste.
Das Ergebnis können wir nun alle in der NIEDERBAYERN TV Mediathek sehen oder aber demnächst im Aidenbacher Dokumentationszentrum.
Und wer sich schon jetzt auf das nächste, dokumentarische Abenteuer unseres Tausendsassas freut, dem sei verraten: ja, es gibt bereits so einige Konzepte, die er filmisch umsetzen will. "Vielleicht was mit Nordmeer, mit Watt", meint Andreas Reichelt zum Schluss unseres Interviews. "Aber mehr möchte ich an dieser Stelle noch nicht verraten, das liegt noch weit in der Zukunft." Wir dürfen also gespannt sein!
Dieser Artikel stammt aus dem NIEDERBAYERN TV Magazin, Ausgabe 14.