Landkreis Straubing-Bogen
Alleine auf der Anklagebank
16. Oktober 2018, 8:12 Uhr aktualisiert am 16. Oktober 2018, 8:12 Uhr
Der Prozess um die Geiselhöringer Wahlfälschung geht weiter. Wegen der Schwere der Tat muss sich Karl B. weiter vor dem Landgericht Regensburg verantworten. Ihm werden Wahl- und Urkundenfälschung sowie Verleiten zur Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen vorgeworfen. Die drei rumänischen Mitangeklagten einigten sich mit der Staatsanwaltschaft auf eine Einstellung des Verfahrens.
In Rumänien gebe es ein Sprichwort: "Herrlichkeit und Dummheit haben ihren Preis", lautet es. Ins Gespräch brachte es am Montag Dagmar Ciccoti. Die Verteidigerin verlas die übersetzte geständige Einlassung ihrer rumänischen Mandantin - einer ehemaligen Mitarbeiterin des Spargel- und Beerenbauern Karl B. aus Geiselhöring. "Die Herren waren andere, die Dummen wir", schrieb diese am Ende ihrer Erklärung. Davor hatte die ehemalige Erntehelferin und Putzfrau B.s beschrieben, wie sie die Monate rund um die Manipulation der Stadtrats- und Kreistagswahlen 2014 wahrgenommen hatte. Die Einlassungen der Mitangeklagten, eine Büroangestellten und ein Mechaniker, waren vom Wortlaut unterschiedlich, von der Aussage aber identisch.
Richter ermahnt Krempl und Waas
Alle drei zeichneten ihren ehemaligen Arbeitgeber Karl B. als strengen Gutsherren, der seine Arbeiter "mit eiserner Hand" führe. Direkt habe er nur bei wichtigen Angelegenheiten mit den Arbeitern gesprochen, ansonsten ließ er seine Botschaften über Mittelsmänner ausrichten.
Für eine Fahrt nach Rumänien Anfang 2014 habe B. aber selbst die Anweisungen gegeben. Ebenso wenige Monate davor, als die Büroangestellte mit einer weiteren Frau Listen über die Arbeiter und deren Wohnanmeldungen erstellen sollten. "Als wir fertig waren, gab Herr B. Anweisung, über 100 Arbeiter nach Geiselhöring umzumelden", erklärte die Büroangestellte in ihrer Einlassung. Auf den Widerspruch der Bürodamen, es sei kein Platz in Geiselhöring frei, habe B. erwidert, das gehe schon, die meisten seien ja in Heimaturlaub.
Im Januar 2014 sei klar geworden, dass auch die umgemeldeten Erntehelfer wählen dürften. Auf die erneute Nachfrage, ob dies rechtmäßig sei, soll B. geantwortet haben: Ja, auch der alte Bürgermeister hätte seine Wahl mithilfe von Erntehelfern gewonnen.
Bei Passagen wie dieser waren aus dem Besucherraum Bemerkungen zu hören. Am Montag hatten sich nur unwesentlich mehr Zuhörer eingefunden als am ersten Verhandlungstag. Allerdings waren mit Bernhard Krempl und Ludwig Waas dieses Mal namhafte darunter. Krempl (Freie Wähler) hatte die manipulierte Bürgermeisterwahl gegen seinen Konkurrenten Herbert Lichtinger von der CSU verloren. Waas ist Vorsitzender des Freie-Wähler- Kreisverbands Straubing-Bogen. Am Freitag hatte er angekündigt, bei einer Einstellung des Verfahrens gegen Karl B. einen Untersuchungsausschuss im Landtag beantragen zu wollen. Die Verteidigung Karl B.s stieß sich vor allem am Erscheinen Krempls, da dieser als potenzieller Zeuge geladen werden könnte. Richter Georg Kimmerl sah keine Veranlassung, Krempl aus dem Saal zu bitten, mahnte aber, das Lachen zu unterlassen.
Die Einlassungen fuhren mit der Beantragung der Briefwahlunterlagen für die Helfer fort. Als die Wahlzettel da waren, habe B. für den März schließlich angeordnet, die zwei weiblichen Mitangeklagten müssten nach Rumänien fahren, um die Briefwahlbögen unter ihrer Anleitung von den Erntehelfern ausfüllen zu lassen. Mit auf den Weg gab er seinen Boten einen vorausgefüllten Bogen und die Weisung, die Wahlunterlagen müssten penibel genau ausgefüllt und unterschrieben werden, da sie sonst ungültig seien. Beim Ausfüllen des Musterbogens soll B. seine Frau um Hilfe gefragt haben.
Anweisungen, wie der Polizei zu antworten sei
Für die lange Fahrt stellte B. den drei Angeklagten eines seiner Autos und eine Tankkarte zur Verfügung, zudem fuhr der mitangeklagte Mechaniker mit. Die Stunden für die Fahrt und die Spesen versprach B. zu vergüten. Dies sei bis heute nicht passiert, beteuerten alle drei Angeklagten in ihren Einlassungen.
In Rumänien seien die Unterlagen an die Arbeiter verteilt worden. Da einige von ihnen nicht in der Lage waren die Bögen auszufüllen, hätten die Mitangeklagten "mitgeholfen". Wurde jemand nicht angetroffen, unterschrieben andere Erntehelfer für sie. Die Bögen brachten die drei Mitangeklagten wieder mit nach Deutschland.
In Geiselhöring angekommen, habe B. die Bögen gezählt und festgestellt, dass einige fehlen würden. Seine Helfer erklärten, diese seien noch nicht ausgefüllt, woraufhin B. befohlen habe, die fehlenden Bögen zu holen. Anschließend hätten die weiblichen Mitangeklagten und B. selbst die verbliebenen Bögen gemeinsam ausgefüllt und zugeklebt.
Anschließend habe B. die Umschläge erneut gezählt und seine Frau damit beauftragt, sie ins Rathaus zu bringen - aber nicht alle auf einmal. Als die Affäre später öffentlich geworden sei, habe B. klare Anweisungen geben lassen, in welcher Form die Helfer bei Polizeikontrollen zu antworten hätten.
Die geständigen Einlassungen der Angeklagten waren eine Bedingung der Staatsanwaltschaft für die Einstellung ihres Verfahrens. Zahlt jeder von ihnen eine Geldauflage von 1.000 Euro an die Staatskasse, endet das Verfahren gegen sie automatisch. Allen dreien war nach der Verhandlung große Erleichterung anzusehen. Viereinhalb Jahre hatte sie der Skandal beschäftigt.
Karl B. - für den die Unschuldsvermutung gilt - sitzt weiter auf der Anklagebank. Bei ihm komme eine Einstellung derzeit nicht infrage, erklärte Oberstaatsanwältin Christine Müller. Das war durchaus überraschend, noch am vergangenen Dienstag hatte Müller eine Einstellung aus Sicht der Staatsanwaltschaft für "durchaus denkbar" gehalten. Es stehe aber die Schwere der Schuld entgegen. Die Wahlmanipulation sei ein einzigartiger Fall, der einer weiteren Beweisaufnahme bedürfe. Zudem stellte Müller den Antrag, die Sitzung nicht auszusetzen, wie von der Verteidigung beantragt. Schließlich hätten die Beweismittel allen Parteien jederzeit zur Verfügung gestanden.
Die Kammer um Richter Georg Kimmerl sah das anders. Es mache einen Unterschied, ob 27 Gigabyte Material mit einer Suchmaschine durchsucht werden könnten oder nicht. Ein Gutachten des LKA hatte festgestellt, dass eine entsprechende technische Möglichkeit seit Ende 2014 bestanden habe - die Prozessbeteiligten, insbesondere die Verteidigung, aber nichts davon wussten. Mit Rücksicht auf den Grundsatz des fairen Verfahrens ordnete die Kammer daher die Aussetzung der Hauptverhandlung an. Mit einer Fortsetzung ist erst im neuen Jahr zu rechnen.