Expertin im Interview
Die Sucht nach Nasenspray und ihre Risiken
17. Dezember 2019, 9:25 Uhr aktualisiert am 17. Dezember 2019, 9:25 Uhr
Winterzeit ist Schnupfenzeit und damit haben auch Nasensprays wieder Hochkonjunktur. Doch es gibt auch Menschen, die das ganze Jahr über an dem kleinen Fläschchen hängen. Das klingt harmloser als es ist. Laut einem Bericht des Spiegel gibt es in Deutschland aktuell schätzungsweise 100.000 Nasenspray-Süchtige. Im Interview mit idowa beantwortet Dr. Kornelia Andorfer die wichtigsten Fragen zu dieser Sucht. Sie ist Oberärztin an der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde am Universitätsklinikum Regensburg.
Frau Dr. Andorfer, welcher Wirkstoff im Nasenspray sorgt denn für die Suchtgefahr?
Dr. Kornelia Andorfer: Generell handelt es sich dabei um Nasensprays mit abschwellender Wirkung, sogenannter Decongestiva oder auch Alpha-Sympathomimetika. Diese enthalten einen Wirkstoff wie zum Beispiel Xylometazolin oder Naphazolin, der über Adrenalinrezeptoren die Gefäße in der Nasenschleimhaut verengt und somit die Nasenschleimhaut abschwellen lässt.
Wie oft sollte man ein Nasenspray idealerweise nutzen und ab wann kann man bereits von einer Sucht sprechen?
Dr. Andorfer: Decongestiva sind Medikamente, die man in der Akutphase einer entzündlichen Erkrankung von Nase und Nasennebenhöhlen verwendet. Die Anwendung erfolgt abhängig vom jeweiligen Produkt ein oder mehrmals täglich und insgesamt nicht länger als sieben bis zehn Tage. Bei der Nasenspray-Sucht handelt es sich um eine Abhängigkeit, die durch den Gewöhnungseffekt und die Schädigung der Schleimhaut im Rahmen der Langzeitanwendung auftritt. Ab wann diese Effekte auftreten, das variiert. Die vom Hersteller empfohlene Anwendungsdauer ist einzuhalten.
Welche Schäden kann man bei einer zu häufigen Nutzung von Nasenspray davontragen?
Dr. Andorfer: Vermutlich kommt es im Rahmen einer Langzeitanwendung zu einem überschießenden Anschwellen der Nasenschleimhaut - ein sogenannter Reboundeffekt - nachdem die Wirkung des Nasensprays nachgelassen hat. Zum Anderen werden die feinen Härchen auf der Nasenschleimhaut geschädigt und somit ihre Funktion als Klimaanlage für die Befeuchtung, Erwärmung und als Partikelfilter. Die Folge ist eine trockene, teils brennende Nase und eine Nasenatmungsbehinderung, das Risiko für Nasenbluten steigt, aber auch das Risiko für Infekte.
Im Vergleich zu einer Alkohol- oder Drogensucht klingt eine Nasenspray-Sucht erst einmal relativ harmlos, aber ist sie das auch?
Dr. Andorfer: Es handelt sich im Vergleich zum Alkoholismus und Drogensucht sicher um eine weit undramatischere Abhängigkeit. Für die Patienten bedeutet jedoch die Infektneigung, das Nasenbluten und das Gefühl, ohne ständigen Nasenspray-Gebrauch nicht mehr durch die Nase atmen zu können, sehr wohl eine starke Einschränkung ihrer Lebensqualität. Neben den bereits genannten Folgen kann die Nasenatmungsbehinderung Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und auch Angst- oder Beklemmungsgefühle bei den Betroffenen hervorrufen.
Was kann man tun, um von dieser Sucht wieder loszukommen? Gibt es etwaige Ersatzstoffe?
Dr. Andorfer: Patienten, die seit Jahren nicht mehr ohne Decongestiva auskommen, wird empfohlen, die Anwendung schrittweise zu drosseln und zum Beispiel erstmal auf Kinder-Nasensprays umzusteigen oder das Nasenspray mit Kochsalzlösung zu verdünnen. Bei schweren Fällen kann die Entwöhnung erst im Bereich eines Nasenlochs und im Verlauf auf der zweiten Seite erfolgen. Gleichzeitig wird eine Pflege mit befeuchtenden Mitteln, wie zum Beispiel einer Nasensalbe, einem Nasenöl oder pflegenden Nasensprays ohne abschwellenden Wirkstoff empfohlen, um die Regeneration der geschädigten Nasenschleimhaut zu unterstützen. Auch die Anwendung entzündungshemmender Nasensprays mit Cortison kann im Einzelfall hilfreich sein.