Interviewserie "Über den Rand"
Influencerin: „Höchstens eine Stunde am Tag auf Instagram“
23. August 2020, 7:00 Uhr aktualisiert am 23. August 2020, 7:00 Uhr
Sie ist Model, Influencerin und Autorin. Pharah Seutter hat die Traumjobs vieler junger Mädchen. Die 21-Jährige verdient ihr Geld mit Modeljobs in Berlin, schreibt Kinderbücher und hat stattliche 100.000 Follower auf Instagram als pharah_onic. Wie oft sie schon als Mädchen auf der Straße gescoutet wurde, was sie über Internet-Trends sagt, die auch die Bayerische Luftrettung etwas angehen, und ob Social Media krank macht, erzählt Pharah Seutter im idowa-Interview.
Pharah, Sie sind Model, aber mittlerweile auch unter die Schriftsteller gegangen. Es sollen noch zwei weitere "Miss Laurel"-Bände erscheinen. Wie kam es dazu und wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?
Pharah Seutter: Interesse am Schreiben hatte ich tatsächlich schon immer. Ich habe als Kind eigene Geschichten geschrieben. Gedichte von mir wurden mehrmals in Sammelbänden der "Bibliothek deutschsprachiger Gedichte" veröffentlicht. Das war lange, bevor ich angefangen habe zu modeln. Mit "Miss Laurels magische Mode" habe ich mir jetzt einen Traum erfüllt. Ich wollte schon immer ein Buch schreiben. Als Autorin zu arbeiten war keine spontane Idee. Fürs Schreiben hatte ich schon immer eine Leidenschaft.
Um was geht es in "Miss Laurels magische Mode"?
Pharah: Um Mode. Und um ein Mädchen, das zu ihrer Tante nach London kommt. Die Tante ist Modedesignerin und hat magische Fähigkeiten, mit denen sie ihre Kleidungsstücke verzaubert. Gemeinsam müssen die beiden einen Weg finden, die Boutique auf der anderen Straßenseite zu stoppen, die unter sehr schlechten Bedingungen produziert. Pelze von bedrohten Tierarten werden dort zum Beispiel für die Herstellung verwendet. "Miss Laurels magische Mode" ist bereits im September 2019 erschienen. Es ist ein Kinder- und Jugendbuch, das auf 10- bis 14-Jährige abzielt.
Wer Influencer ist, ist nicht automatisch Model. Als was sehen Sie sich und warum?
Pharah: Ich sehe mich in erster Linie als Model, das auch soziale Medien nutzt. Das Attribut Influencerin kam erst nach und nach mit den Followern auf Instagram. Ich habe ja nicht angefangen beispielsweise zu bloggen und deswegen plötzlich Modeljobs bekommen, sondern genau andersrum. Erst kamen die Jobs, dann die Follower.
Von Mikro- und Makro-Influencern
Wie kamen Sie zum Modeln?
Pharah: Ich wurde gescoutet. Immer mal wieder und auch in verschiedenen Städten. Einmal in München, einmal in Barcelona, einmal in Berlin, auch einmal in Regensburg. Modelscouts sind meist an öffentlichen Plätzen, an Sightseeing-Attraktionen, in Shoppingcentern, Bahnhöfen oder auch in kleinen Boutiquen unterwegs und halten Ausschau. Damals plante ich aber gar nicht, Model zu werden. Weil mich aber über die Jahre so viele Scouts angesprochen haben, mal war ich 16, mal 17, habe ich dann doch den Entschluss gefasst, nach dem Abitur mit dem Modeln anzufangen.
Kommt es beim Modelscouting auf Instagram auf die Anzahl der Follower an?
Pharah: Manchmal. Eine gewisse Reichweite kann einem durchaus Jobs verschaffen. Und das macht dann wiederum Scouts oder eine Agentur auf einen aufmerksam. Es gibt aber auch Accounts, auf denen sich nicht zigtausende Follower tummeln, sondern einfach nur schöne Bilder von sich selbst gepostet wurden. Das sind dann sogenannte "Mikro-Influencer", die so zwischen 500 und 1.000 Follower haben. "Makro-Influencer" ist man ab ungefähr 50.000 Followern. Da gibt es aber keinen genauen Richtwert.
Sie sind in der Oberpfalz geboren, verbringen Ihr Leben aber seit ein paar Jahren in Berlin. Wie kann man sich Ihren Alltag vorstellen?
Pharah: Ich stehe jeden Tag in der Früh auf und frühstücke erstmal. Meistens eine Bowl mit gesundem Müsli. Davon mache ich dann nicht selten auch gleich ein Video und poste es für meine Fans auf Instagram. Dann geht es weiter ins Fitnessstudio. Anschließend kann mein Tag dann ganz unterschiedlich aussehen. Oft stehen Castings oder E-Castings an. Bei E-Castings muss ich in einem Video in der Regel ein Produkt präsentieren und auf die Wünsche der Firma eingehen. Oder ich stelle mich selbst kurz vor und erfülle eine Aufgabe. Das Video schicke ich dann meiner Agentur. Es gibt aber auch Tage, an denen ich direkt zum Job fahre. Die Jobs sind nicht immer in Berlin und können auch mal um 6 Uhr morgens beginnen. Bei einem klassischen Influencer-Job oder auch Blogger-Job mache ich dagegen einfach eine Story oder ein Bild von mir zusammen mit dem Produkt, das ich dann poste. Da habe ich aber schon Vorgaben, wie ein Post auszusehen hat.
Waren Sie am Anfang als junges Mädchen nicht sehr einsam in Berlin?
Pharah: Meine Agentur hat damals den Umzug von mir verlangt. Da war ich gerade 17 Jahre alt. Das ist jetzt vier Jahre her. Am Anfang war mein neues Leben aber noch viel zu aufregend, um mich einsam zu fühlen. Erst mit der Zeit habe ich mich dann das erste Mal einsam gefühlt. Mittlerweile habe ich aber Leute kennengelernt und mir ein Leben aufgebaut. In Berlin ist nun mal die Kreativbranche. Dort gibt es sehr viele Jobs und Model-Events. Auch habe ich in Berlin einen Personal-Trainer, der mir genau sagen kann, wie ich trainieren muss. Wichtig ist, dass ich nicht zu viele und auch nicht zu wenige Muskeln aufbaue. Meine Agentur selbst ist auch in der Hauptstadt. Das macht vieles einfacher.
Wurden Sie in Ihrem Business schon einmal schlecht behandelt?
Pharah: Diese sogenannten "Schattenseiten" gibt es in allen Berufen. Nicht nur in der Modebranche, obwohl das durch die Medien häufig in den Fokus gerät. Manchmal stimmt die Chemie bei einem Job durch das Team auf Anhieb. Es gibt aber auch Jobs, die einfach nur als "Job" zu sehen sind. Wirklich schlechte Erfahrungen habe ich persönlich aber noch nicht gemacht. Kolleginnen von mir haben mir aber auch schon erzählt, sie seien bei Castings oder Jobs beleidigt worden. Auch unter den Models gibt es oft Streitigkeiten. Da halte ich mich aber immer raus.
Nutzen Sie Ihre Reichweite auch, um Missstände aufzuzeigen?
Pharah: Auf jeden Fall. Ich möchte Produkte repräsentieren, hinter den ich selbst auch stehe. Um nachhaltige Produktion geht es nicht nur in meinen Posts, sondern auch in und an meinem Buch. Mein Buch habe ich ohne Plastikverpackung produzieren lassen. Gedruckt wird es in einer nachhaltigen Druckerei in Warschau.
Social Media Detox: Ein paar Tage offline
Corona und Influencer? Wo zwickt's?
Pharah: Viele Influencer, die meist Urlaubsfotos machen, wissen aktuell nicht, was sie angesichts der Reisebeschränkungen machen sollen. Gleichzeitig bahnt sich ein wirklich brandgefährlicher Trend an. Influencer zieht es jetzt nicht mehr an den Strand, sondern in die Berge. Viele Influencer machen vielleicht das erste Mal Urlaub in den Bergen und posten gerade riskante Fotos beim Wandern, Klettern oder aus Gumpen an Wasserfällen. Genau das ist das Problem. Da hat sogar die Bayerische Luftrettung schon davor gewarnt. In Gumpen, also diesen Abflussbecken, sammelt sich Schmelzwasser und Eiswasser. Im schlimmsten Falle kann man rausgespült werden. Ein lebensgefährlicher Trend, der da promotet wird. Weil es auch zahlreiche Nachahmer gibt, könnten die Rettungskräfte zusätzlich beansprucht werden. Influencer sollten verantwortungsbewusst mit ihrer Reichweite umgehen und keine Bilder von gefährlichen Aktionen posten.
Wie definieren Sie Ihren Stil?
Pharah: Mein Stil ist klar, klassisch und stilvoll. Basic-Tops und Farben wie schwarz oder weiß gehören zu meinen Favoriten. Muster oft weniger. Ich setze viel lieber Akzente. Das kann dann zum Beispiel eine bunte Handtasche zu einem einfarbigen Outfit sein.
Drei Lieblingsessen?
Pharah: Bulgur. Alles mit Matcha. Butterbreze.
Wie viel Zeit verbringen Sie pro Tag in den sozialen Medien?
Pharah: Ich versuche mir meine Zeit in den sozialen Medien einzuteilen. Im Vergleich zu früher habe ich die Zeit aber schon deutlich runtergekürzt. Eine App zeigt mir immer an, wie viel Zeit ich online und auf welchen Medien verbringe. Höchstens eine Stunde am Tag bin ich derzeit auf Instagram. Das beinhaltet dann aber schon die Bildbearbeitung und das Checken von Kommentaren und Nachrichten. Am Computer bin ich schon etwas länger. Ich schreibe ja Bücher.
Viele junge Menschen stehen in sozialen Netzwerken unter enormen Druck und leiden darunter. Macht Social Media krank?
Pharah: Soziale Medien beeinflussen uns sehr stark. Es ist eine Herausforderung geworden, sich nicht in dieser virtuellen Welt zu verlieren. Man muss sich wirklich immer vor Augen halten, dass Fotos Perfektion darstellen. In der realen Welt gibt es keine Filter und auch kein Photoshop. Junge Menschen dürfen da die Realität nicht verlieren. Man sollte sich viel lieber Freiräume einrichten. Ich bin froh, wenn ich mal ein paar Tage eine Auszeit von Social Media habe. Die Netzwerke haben aber auch gute Seiten. Viele Debatten wurden angestoßen. Missstände kann man schnell ausmachen. Vor meiner Zeit als Model hatte ich übrigens gar kein Social Media. Auch diese Option gibt es.
Was raten Sie Nachwuchsmodels?
Pharah: Bleibt eurem Stil treu! Springt nicht auf waghalsige Trends auf! Wenn ihr keine freizügigen Bilder machen wollt, sagt Nein!
In unserer Interviewserie "Über den Rand" sprechen die idowa-Redakteurinnen und Redakteure mit Menschen, die Einblicke in nicht alltägliche Bereiche geben können - weil sie zum Beispiel einen besonderen Beruf haben oder ein ungewöhnliches Hobby. Oder weil sie ein Leben führen, das einfach nicht der Norm entspricht - und genau deshalb Spannendes zu erzählen haben.