Interview
Joachim Herrmann (CSU) verteidigt harte Linie in der Asylpolitik - Kein Tempolimit auf der A3
10. August 2015, 21:55 Uhr aktualisiert am 10. August 2015, 21:55 Uhr
Joachim Herrmann bleibt trotz Kritik dabei: Spezielle Aufnahmezentren für Asylbewerber aus den Westbalkanländern seien keine Stigmatisierung, sondern könnten helfen, Verfahren zu beschleunigen, sagt der CSU-Politiker. Tempo 80 auf der A3 werde es wegen Flüchtlingen nicht geben - allerdings möglicherweise noch eine Zeitlang wegen Blow-ups: Bayerns Innen- und Verkehrsminister im Interview mit der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung.
Herr Staatsminister, in Bayern wird es in Kürze ein eigenes Zentrum für Asylbewerber aus dem Westbalkan geben. Die Grünen sagen, das dient nur der Stigmatisierung. Stimmt das?
Herrmann: Der Vorwurf ist völliger Unfug. Klar ist nach dem Grundgesetz: Politisch Verfolgte genießen Asyl. Klar ist in einem Rechtsstaat aber auch: Wer darauf keinen Anspruch hat, muss nach Prüfung seines Antrags unser Land auch wieder verlassen. Sonst hätte das ganze Verfahren ja keinen Sinn.
Das ginge aber auch in jedem anderen Erstaufnahmezentrum.
Herrmann: Wir wollen mit dieser Spezialisierung die Verfahren deutlich beschleunigen. Denn mehr als 99 Prozent der Anträge aus den Balkanländern werden abgelehnt. Deshalb müssen wir hier besonders schnell für die Rückkehr sorgen. Das Instrument "sicheres Herkunftsland" ist ja keine bayerische Erfindung, sondern steht in der Verfassung. Mit einer spezialisierten Sachbearbeitung wollen wir erreichen, dass gerade Asylbewerber aus diesen Ländern wesentlich schneller einen Bescheid bekommen und dann schneller wieder in ihre Heimatländer zurückkehren.
Ein Anreiz für den Zustrom aus diesen Ländern ist offenbar das Taschengeld, das Asylbewerber bekommen. Sollte man da nicht lieber auf Sachleistungen oder Gutscheine umsteigen?
Herrmann: Wir werden in den beiden Zentren für die Aufnahme von Asylbewerbern aus dem Balkan in jedem Fall einen absoluten Vorrang für Sachleistungen haben. Wir wollen auch im Bund erreichen, dass für Leute aus solchen Ländern von Anfang an die finanziellen Leistungen gekürzt werden, weil sie eben zu 99 Prozent keinen Erfolg haben. Wir dürfen das Geschäft der kriminellen Schleuserbanden nicht auch noch unterstützen, denn wir wissen, dass bei einigen der Asylbewerber das Geld, das sie Schleuserbanden bezahlt haben, anschließend aus deutschen Sozialleistungen refinanziert wird. Diesen geradezu absurden Kreislauf müssen wir unterbrechen.
Es hat - auch in Bayern - eine ganze Reihe von Anschlägen auf Asylbewerberunterkünfte gegeben. Die Bayern-SPD sagt, die Einrichtung spezieller Balkan-Zentren sei eine "Steilvorlage für rechtsradikale Wirrköpfe".
Herrmann: Das ist dummes Zeug. Wir müssen rechtsextremer Propaganda energisch entgegenwirken. Gewalt ist absolut tabu. Und dieser Staat hat auch den klaren Auftrag, die Unantastbarkeit der Menschenwürde auch jedes Flüchtlings zu schützen - auch für Menschen, die letzten Endes nicht hierbleiben dürfen. Auch die dürfen von niemandem in unserem Land attackiert werden. Dazu stehen wir. Aber das, was wir machen, fördert nicht etwa rechtsextreme Propaganda, sondern wirkt ihr gerade entgegen. Der Normalbürger in Deutschland muss auch spüren, dass dieser Rechtsstaat sich selber ernst nimmt - sowohl bei negativen als auch bei positiven Entscheidungen.
Viele Asylbewerber klagen gegen ablehnende Bescheide. Dann sind die Verwaltungsgerichte am Zug. Deren Präsidenten haben sich kürzlich beklagt, sie hätten zu wenig Personal. Was tun Sie dagegen?
Herrmann: Im Nachtragshaushalt 2016 sind 16 zusätzliche Richterstellen vorgesehen. Wir werden genau beobachten, wie sich die Arbeitsbelastung bei den Verwaltungsgerichten entwickelt. Erfreulicherweise werden aber bei Bewerbern aus dem Balkanländern Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz in der Regeln innerhalb von ein bis zwei Wochen abgelehnt. Dann können wir sie sofort in ihre Heimat zurückführen und brauchen ein Urteil in der Hauptsache nicht abwarten.
Immer wieder setzen Schleuser ganze Gruppen von Flüchtlingen auf der A3 in Niederbayern aus. Das Polizeipräsidium fordert deshalb dort jetzt generell Tempo 80. Was sagen Sie dazu?
Herrmann: Tempo 80 wird es nicht geben, das haben wir schon gemeinsam besprochen. Wenn es eine konkrete Gefahrensituation gibt, muss die Polizei das vor Ort absichern. Aber das müssen Einzelfallentscheidungen bleiben.
Ist das nicht eher ein Hilferuf der Polizei nach mehr Personal für Kontrollen?
Herrmann: Wir verstärken die Polizei. Da ist aber zunächst einmal die Bundespolizei gefordert, die hier deutlich mehr Beamte entlang der Grenze zu Österreich bekommen muss.
Risiko durch Blow-ups auf der Autobahn
Tempo 80 gilt im Sommer ohnehin auf vielen Autobahnabschnitten in Ostbayern - wegen Straßenschäden durch Blow-ups. Im Wirtschaftsausschuss hat es vor einiger Zeit geheißen, es dauert zehn Jahre, das zu beheben. Warum so lange?
Herrmann: Um eine ordentliche Sanierung durchzuführen, müssen wir in allen belasteten Bereichen die vorhandenen, 20 bis 22 Zentimeter dicken Betondecken komplett entfernen und durch neue mit 29 bis 30 Zentimetern ersetzen. Um das auf dieser Länge zu renovieren, braucht es etliche Jahre. Unser Ziel ist, das auf der A3 bis Ende 2018 komplett abzuschließen. Auf der A92 und A93 wollen wir zunächst mit behelfsmäßigen Maßnahmen die Sicherheit verbessern. Ich habe eine Prüfung in Auftrag gegeben, wie die Komplettsanierung beschleunigt werden kann, damit wir insgesamt früher fertig werden. Ein Ergebnis steht noch aus.
Ist es nicht eher peinlich, für solche Buckelpisten auch noch Pkw-Maut zu verlangen?
Herrmann: Im Moment wird ja noch keine verlangt. Bis die Pkw-Maut startet, haben wir sicherlich die meisten Probleme gelöst.
Der Verkehr auf der A3 in Ostbayern wird immer stärker. Wann kommt der sechsstreifige Ausbau zwischen Regensburg und der österreichischen Grenze?
Herrmann: Wir haben das zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Ich hoffe, dass da möglichst weite Strecken schon in den vordringlichen Bedarf eingestuft werden. Dann könnten wir mit der Planung beginnen. Nötig ist das zweifellos, weil vor allem der Schwerlastverkehrsanteil deutlich zunimmt. Auch der Pkw-Verkehr wird weiter wachsen.
Zwischen der A3 bei Straubing und der A92 bei Landau an der Isar ist die B20 ein echtes Nadelöhr. Wann kommt der vierstreifige Ausbau?
Herrmann: Auch dieser Ausbau ist seit März 2013 angemeldet. Wir hoffen, dass wir im Oktober einen ersten Vorentwurf des Bundesverkehrswegeplans bekommen. Es handelt sich hier um 30 Kilometer, das würde etwa 190 Millionen Euro kosten.
Wie geht es mit der B15 neu südlich von Landshut weiter?
Herrmann: Wir haben große Einigkeit, dass wir eine leistungsfähige Ostumgehung von Landshut brauchen. Dafür wollen wir die Voraussetzungen schaffen. Der Anschluss der B15 neu von Regensburg kommend an die A92 wird als Autobahnkreuz ausgeführt, sodass wir gleich weiterbauen können. Die Umgehung von Landshut wird ein topografisch anspruchsvolles und sehr teures Stück. Aber das wird jetzt geplant, inklusive Anschluss an die B299 und die alte B15. Dafür ist das Dialogforum einrichtet worden, das jetzt den Planungsprozess begleitet. Zum weiteren Verlauf gibt es unterschiedliche Meinungen vor Ort. Wir haben zwei alternative Trassen angemeldet: eine, die sich am alten Raumordnungsverfahren orientiert, und eine als Ausbau der bestehenden B15. Da erhoffen wir am Ende eine klare Entscheidung vom Bund.