"Es gibt mehr als Fußball"
Trainer ohne Club: Ein Blick von außen
10. Juli 2018, 11:00 Uhr aktualisiert am 10. Juli 2018, 11:00 Uhr
Andreas Wagner, Roland Fuidl und Sepp Beller haben als Trainer gearbeitet. Aktuell sind alle drei ohne Verein - aus unterschiedlichen Gründen. Wie blicken sie inzwischen auf das Geschäft und können sie sich eine Rückkehr vorstellen? idowa hat nachgefragt.
Andreas "Stonie" Wagner sitzt in einem Café in Straubing. Er ist, wie man ihn kennt. Er lacht viel und ist gut drauf. Im Gespräch soll es um seine Zeit als Trainer, beziehungsweise viel mehr um seine "schöpferische Pause" gehen. Wagner musste erst überzeugt werden, sich dazu zu äußern. Denn er hat sich sehr bewusst eine Auszeit genommen. Rund eineinhalb Jahre ist Wagner zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aktiv im Fußball-Geschäft. Zuvor war er über zehn Jahre als Trainer tätig. Erst beim ASV Steinach, den er von der Kreisklasse bis in die damalige Bezirksoberliga geführt hat, dann im Nachwuchsbereich des SSV Jahn Regensburg und zuletzt zwei Jahre beim TSV Bogen.
Wagner war gerne Trainer und er hatte Erfolg, egal wo er war. Entsprechend zufrieden blickt er auf diese Zeit zurück. Doch nach über zehn Jahren war Schluss für ihn. Wagner legte den Fokus auf seine berufliche Karriere und widmete auch seinem Privatleben mehr Zeit. Er hat den Kilimandscharo bestiegen, den Sport wieder für sich entdeckt und ist einen Halbmarathon gelaufen. "Es gibt mehr im Leben als Fußball", sagt Wagner. Die Trainerarbeit vermisst er nicht groß: "Ich muss es aktuell nicht haben, mehrmals pro Woche und am Wochenende auf dem Platz zu stehen."
Als Wagner im Sommer 2016 nach dem geschafften Klassenerhalt in Bogen aufhörte, machte er zunächst als Sportlicher Leiter weiter und installierte Sepp Beller als seinen Nachfolger. Das Projekt war ursprünglich längerfristig angedacht - und endete doch abrupt. Nach nur zwölf Spielen warf Beller hin. "Es waren nur sportliche Gründe, die mich dazu bewegt haben. Nach relativ kurzer Zeit hat sich für mich ein Bild entwickelt, in dem einige Punkte nicht zu mir gepasst haben", blickt Beller zurück. Nach Beller gab auch Wagner im Winter seinen Posten auf - und der TSV Bogen stieg ein halbes Jahr später aus der Bayernliga ab.
Beller: "Muss keinem Erfolg mehr nachlaufen"
Für Beller war es die letzte Trainerstation. "Ich bin mit 64 Jahren in einem Alter, wo man den Aufwand nicht mehr haben muss - drei oder vier Mal Training pro Woche, dazu ist man das ganze Wochenende unterwegs", sagt er. Beller hat in seiner Karriere viele Erfolge gefeiert. Mit sechs Vereinen ist er sieben Mal aufgestiegen. Er führte den 1. FC Bad Kötzting in die Landesliga, bewahrte Jahn Regensburg vor einem Abstieg und stieg mit der DJK Vilzing von der Bezirksoberliga bis in die Bayernliga auf. Er schaffte mit der U19 Plattlings den Aufstieg in die Junioren-Bayernliga und wurde in dieser mit Ruhmannsfelden Dritter - nur ein kleiner Auszug. Deswegen ist ihm auch der Abschied vom Geschäft nicht sonderlich schwergefallen: "Ich habe in über 30 Jahren Trainertätigkeit viele Highlights erlebt und viele Erfolge gehabt. Ich muss keinem Erfolg mehr nachlaufen und niemandem mehr etwas beweisen."
Den Trainerjob vermisst Beller nicht wirklich. "Ich habe das über 30 Jahre lang mit Leidenschaft und hundertprozentigem Einsatz gemacht. Aber die Zeit als Trainer ist abgelaufen und ich denke gerne dran zurück." Gesundheitlich gehe es ihm besser als noch in der Zeit als Trainer und Beller genießt es, Zeit zu haben um beispielsweise Fahrrad zu fahren und einfach nicht mehrmals die Woche abends unterwegs zu sein.
Geschäft hat sich kaum verändert - die Charaktere schon
Beller hat auch die Entwicklung des Fußballs in den vergangenen Jahrzehnten mitgemacht. Das Geschäft, sagt er, habe sich nicht groß verändert. Themen wie Bezahlung im Amateurbereich, die habe es auch vor 30 Jahren schon gegeben. Was sich dagegen verändert hat, ist das Spiel an sich. Er habe in den über 30 Jahren einige Systeme bei seinen Mannschaften eingeführt, sich immer selbstständig weitergebildet. "Schnelligkeit, Athletik, läuferisches Vermögen - in diesen Punkten hat sich der Fußball sehr weiterentwickelt", sagt Beller. Ebenso hätten sich die Charaktere in den Mannschaften verändert. Ein Beispiel? "Dass ein Spieler in der Bayern- oder Landesliga während der Saison in den Urlaub gefahren ist, das hat es vor 30 Jahren nicht gegeben. Das ist auch eine Entwicklung, die ich total verurteile und die ich als Trainer nie akzeptiert habe."
Was nach Bellers Ansicht einen guten Trainer ausmacht? "Die guten Trainer sind die, die über Jahre hinweg und bei verschiedenen Vereinen erfolgreich sind", sagt er. Dabei mache es, angesprochen auf die "Generation Laptoptrainer", keinen Unterschied, wie der Erfolg erreicht wird. "Am Ende setzt sich nur der durch, der erfolgreich ist - ob mit Laptop oder ohne." Was Bellers Weg zum Erfolg war? "Ich habe immer versucht, ehrlich und korrekt zu den Spielern zu sein - egal ob Leistungsträger oder Nummer 18 im Kader." Zudem habe er auf die deutschen Tugenden geachtet: Pünktlichkeit, Einsatzbereitschaft und den Willen, alles für die Mannschaft und den Verein zu geben. "Das sind für mich Grundvoraussetzungen, um erfolgreich zu sein. Darauf aufbauend kann man dann über Taktik und individuelle Sachen reden", sagt Beller. Haben die Grundtugenden nicht gepasst, dann konnte ein Spieler auch schon mal Probleme mit Beller bekommen.
Fuidl kann Trennung von Cham nicht nachvollziehen
Ebenfalls ohne Trainerjob ist aktuell Roland Fuidl. Er musste sich im Winter unfreiwillig von seinem Posten beim ASV Cham verabschieden. Er wurde vom Verein entlassen - obwohl er neun Spiele in Folge nicht verloren und sieben davon gewonnen hatte. Für Fuidl war die Entscheidung damals nicht nachvollziehbar, und sie ist es noch immer nicht. "Ich habe immer die Einstellung verfolgt, dass auf diesem Niveau, auf dem wir uns bewegen, der Maßstab für einen Trainer der sportliche Erfolg ist", sagt er. Dies war hier aber seiner Einschätzung nach nicht der Fall. Cham hatte zwar einen schwachen Start in die Saison erwischt, was Fuidl nach einem Trainerwechsel nicht als ungewöhnlich einstuft - durch die Positivserie vor dem Winter hatte sich der ASV aber bis auf Rang vier vorgearbeitet.
Dass mit Andreas Lengsfeld ein guter Freund von Abteilungsleiter Matthias Altmann sein Nachfolger geworden ist, hatte für Fuidl zumindest ein "Gschmäckle". Unter Lengsfeld schnupperte der ASV zum Ende der Saison sogar noch an Relegationsplatz zwei ran. Doch das lag nicht nur am ASV Cham, dessen Punkteschnitt sich in der Rückrunde nur unwesentlich verbessert hatte, sondern auch am Schwächeln der Konkurrenten aus Waldkirchen und Hauzenberg. Diese Restrückrunde mit am Ende 22 Punkten aus zwölf Spielen hätte sich Fuidl auf jeden Fall mit der gefestigten Mannschaft im Winter auch zugetraut.
Sicht aufs Geschäft verändert
Vor seiner Station beim ASV Cham war Fuidl bereits als Trainer in Bad Kötzting, Miltach, im Chamer Nachwuchs und bei der SpVgg Lam tätig. Doch die letzte Station im Seniorenbereich des ASV Cham hat seine Sicht auf das Geschäft erheblich verändert. Fuidl empfindet den Umgang mit ihm rund um die Trennung im Winter als "unterste Schublade".
Seit dem Winter hat Fuidl Abstand gewonnen zum Geschäft. Auf Fußballplätzen ist er immer wieder anzutreffen - aber derzeit nur noch als Zuschauer. "Aktuell will ich nicht als Trainer arbeiten", stellt Fuidl klar, der das eine oder andere Angebot im letzten halben Jahr ausgeschlagen hat. "Man investiert extrem viel Zeit und Kraft in den Job als Trainer, dafür kann einem der Sport auch sehr viel geben", sagt Fuidl. "Aber aktuell habe ich nicht das Gefühl, dass mir der Fußball weiterhin so viel geben kann." Fuidl hat sich mehr Zeit genommen für die Familie, Freunde und andere Hobbys - Sachen, die während einer Trainertätigkeit auch ein bisschen auf der Strecke bleiben. "Bis in den Februar hinein Skifahren, das konnte ich schon lange nicht mehr und habe das in diesem Jahr einfach genossen", erzählt er.
Wie geht's weiter bei den Trainern?
Sepp Beller ist auch noch regelmäßig auf einem Fußballplatz anzutreffen. In Unterhaching war er zuletzt ein paar Mal, erzählt er. Dort spielt sein ehemaliger Spieler Stephan Hain. "Eine tolle Sache", sagt Beller. Einige seiner ehemaligen Schützlinge sind inzwischen selbst ins Trainergeschäft eingestiegen - die meisten davon als Spielertrainer, wie Sebastian Niebauer in Roding, Stefan Reiser in Schwarzach, Erich Vogl in Geiersthal oder Thomas Seidl, zur neuen Saison in Degernbach. Beller hat sie alle einmal besucht. "Sie sind alle so, wie ich sie auch als Spieler kennengelernt habe. Sie sind sehr ehrgeizig, übernehmen Verantwortung und haben ihre Erfolge", sagt Beller und schiebt nach: "Das freut mich schon sehr." Ebenso freut es ihn, wenn er als Feedback erhält, dass sie vieles von ihm gelernt hätten, wenngleich Beller betont: "Jeder Trainer muss seinen eigenen Weg finden. Es macht keinen Sinn, irgendjemanden zu kopieren. Sie sollen ihren eigenen Stil und ihre eigene Persönlichkeit entwickeln und nicht versuchen, José Mourinho oder der Beller Sepp zu sein."
Aushilfe alla Jupp?
Selbst noch einmal zu trainieren, das kann sich Beller grundsätzlich schon vorstellen - aber nur als Aushilfe, wenn ein Verein Hilfe benötigt und ihn die Aufgabe reizt. Alla Jupp Heynckes quasi. Ebenfalls vorstellbar ist, dass er bei einem Verein in der Sportlichen Leitung mithilft. Alles aber frühestens ab 2019, denn bis dahin ist Beller ordentlich beschäftigt. In der Familie laufen aktuell drei Bauvorhaben - ein Neubau, ein Anbau und ein Umbau. Beller hilft fleißig mit - "die Kinder freut's", sagt er.
Roland Fuidl denkt aktuell nicht darüber nach, wieder auf den Trainingsplatz zurückzukehren. "Aktuell reizt mich das nicht", sagt er. "Wenn man sich von einem Verein getrennt hat, weil der Erfolg nicht da war, dann hat man den Drang, es beim nächsten Mal besser zu machen", so Fuidl. Er ist aber mit einer absoluten Positivserie gegangen. Er wird seine Trainerscheine zwar noch einmal verlängern beim nächsten Mal, damit er gerüstet ist, sollte das Kribbeln doch noch einmal zurückkehren. Vorstellen kann sich Fuidl das aktuell aber eher weniger. Zu gut tut ihm der Abstand vom Fußballgeschäft.
"Stonie" Wagner nimmt zur neuen Saison wieder eine Aufgabe im Fußball wahr, aber nicht als Trainer. Er wird Scout beim Fußball-Zweitligisten SSV Jahn Regensburg. Hier ist er zuständig für das Spielerscouting im österreichischen Raum. Rund 50 Spiele pro Saison muss Wagner dafür im Nachbarland anschauen und möglichst attraktive Spieler für die Oberpfälzer aufspüren. In der zeitlichen Einteilung ist er frei. Er freut sich auf die neue Aufgabe: "Da passt alles zu einhundert Prozent."
Ob er noch einmal irgendwo als Trainer einsteigen wird, das lässt Wagner offen. Vorstellen könnte er es sich durchaus. "Aber dann muss wirklich alles hundertprozentig passen. Wenn auch nur ein Prozent nicht passt, dann werde ich es nicht machen." Wagner macht einen glücklichen und zufriedenen Eindruck - obwohl, oder gerade weil er ein bisschen Abstand vom Trainergeschäft bekommen hat.