Alles kann, nichts muss

Zwei Festival-Fans sprechen über ihre Leidenschaft


Foto: Mathias Adam

Foto: Mathias Adam

Von Julia Gabauer

Bestandsaufnahme: Du hast die letzte Nacht durchgetanzt. Deine Klamotten riechen dementsprechend. Der Rücken protestiert, die Isomatte ist einfach viel zu hart. Nur zwei Stunden Schlaf haben dir bockwurstähnliche Augenringe beschert. Draußen ist ein fernes Echo von "Helga"- Rufen zu vernehmen, dein Zelt-Nachbar schmeißt zischend seinen Grill an, bei dem Geruch knurrt dir der Magen. Aber dann erinnerst du dich daran, dass deine heiß ersehnte Band heute spielt. Du springst auf, machst eine Katzenwäsche und strömst voller Vorfreude mit anderen Musikfans vor die Bühne. Und für diesen Moment war es alles wert.

Eine typische Festival-Situation, die Jessica Tögl und Dominic Metzger nur zu gut kennen. "Das Durchhaltevermögen kommt mit der Erfahrung", erklären die beiden Festival-Fans schmunzelnd. Davon können sie viel aufweisen. Der 22-Jährige trägt an seinem Arm 17 Eintrittsbänder, alleine von größeren Festivals. Mindestens genauso viele Band-Shirts hat er im Schrank hängen, sein Souvenir bei jeder Veranstaltung. "Wenn es nach mir geht, sind es noch lange nicht genug", sagt der Bogener lachend. Auch die 19-Jährige zählt ingesamt etwa zehn besuchte Festivals. Bis nach Österreich ist sie schon gefahren. Doch was bringt die beiden dazu, andauernd ihr bequemes Zuhause gegen Dixie-Klo und Schlafsack einzutauschen?

"Für ein Wochenende bricht man komplett aus dem Alltag aus", erklärt Dominic. "Auf einem Festival macht sich keiner Sorgen um den nächsten Tag", ergänzt Jessica. "Jeder ist einfach nur." Diese besondere Atmosphäre sollte ihrer Meinung nach jeder einmal spüren. "Spätestens, wenn du bei jemanden auf den Schultern sitzt, über die Menschenmenge schaust, funkelnde Lichter siehst und ganz nah an der Band dran bist, dann weißt du warum", schwärmt die 19-Jährige.

Musik und mehr Doch um gute Bands zu sehen, könnte man doch auch einfach auf ein Konzert gehen, oder? "Auf keinen Fall", sagen beide wie aus einem Mund. Auf einem Festival sei das Preis- Leistungs-Verhältnis viel besser. Für weniger Geld sieht man mehr Bands. Die tollen Erinnerungen mit guten Freunden gibt es gratis dazu. Das ganze Drumherum macht es dann komplett. Dominic zum Beispiel fährt schon gar nicht mehr wegen der Musik aufs Festival. "Ich habe die meisten Bands schon so oft gesehen, mir geht es mehr um das Feeling", erklärt er. Zum Beispiel Freunde zu treffen, die er sonst das ganze Jahr über nicht sieht, und sich sofort wieder mit ihnen verbunden zu fühlen. Man lerne auch interessante fremde Leute kennen. Einfach über den Zeltplatz gehen, sich zu jemanden dazustellen, der gerade Gitarre spielt und mitsingen. Es sei total einfach, Anschluss zu finden. Diese typische Zeltplatzromantik bringt die Menschen zusammen.

Keine Vorurteile

Genau deswegen seien Festivals die beste Möglichkeit, Vorurteile über den Haufen zu schmeißen. "Auf einem Festival treffen die unterschiedlichsten Musik-Kulturen und Menschen aus aller Welt aufeinander. Und trotzdem feiern alle miteinander ganz friedlich wie auf einem riesigen Jahrmarkt", erklärt der Bogener. Niemand wird abgestempelt, auch nicht, wenn er beim Moshpit vor der Bühne nicht mitmachen will, lieber früher ins Bett geht oder Ohrstöpsel trägt. Alles kann, nichts muss. Auf welche Festivals sie als nächstes gehen, steht für beide schon fest: Bei Jessica ist es Southside, bei Dominic Summer Breeze. Und eines ist sicher: "Immer wenn man als Festival-Fan denkt, man hat schon alles gesehen, passiert etwas mit dem man nie gerechnet hätte." Denn "Live fast" (Lebe schnell) ist nicht umsonst ein Anagramm von Festival.

Jessica und Dominic sind begeisterte Festivalgänger - wenn auch mit unterschiedlichem Musikgeschmack. Er hört Metal und sie mag eher die Indie-Richtung.

Jessica und Dominic sind begeisterte Festivalgänger - wenn auch mit unterschiedlichem Musikgeschmack. Er hört Metal und sie mag eher die Indie-Richtung.