130 Tonnen Sand

Die Mattinger haben keinen Damm: So gehen sie mit der Flut um

Im Donaudorf Matting gibt es keinen Damm. Seit Samstag haben Feuerwehrleute Tausende Sandsäcke verlegt. Nebenan, bei der Walba von Eva und Josef Menzl, ist die Straße überschwemmt. Ein Besuch.


Konzentriert, ruhig, aber auch mal humorvoll: So ist die Stimmung im Donaudorf Matting im Landkreis Regensburg.

Konzentriert, ruhig, aber auch mal humorvoll: So ist die Stimmung im Donaudorf Matting im Landkreis Regensburg.

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Im Video erzählt Simon Stadler aus der Redaktion Wörth wie die Geschichte hinter diesem Türchen entstanden ist.

Video zum Thema:

Das Zunftstüberl ist ein Ausflugslokal wie aus dem Bilderbuch. Direkt an der Donau gelegen, gleich bei der Mattinger Fähre. Ein lauschiger Biergarten, überdacht von Laubbäumen; Radler und Spaziergänger rasten hier gerne. Am Montag freilich trinkt niemand eine Biergartenhalbe: Tische, Stühle und Sonnenschirme sind auf die Seite geräumt, den Biergarten umspült eine bräunliche Brühe. Die Donau hat sich aus ihrem Bett erhoben und das Zunftstüberl eingekesselt.

Einnehmen kann die Donau das Wirtshaus jedoch nicht. Ein ungefähr hüfthoher Wall verhindert das, er hält das Wasser ab, rundumadum. Gebaut ist er aus Sandsäcken, akribisch aufgetürmt in mehreren Reihen. Über die Sandsäcke ist noch eine Schutzfolie gespannt, die Konstruktion wirkt stabil. Wird halten. Auch wenn das Wasser weiter steigt. Im Hintergrund arbeiten Pumpen, aus einem Feuerwehrschlauch und einem weiteren läuft das Wasser ab.

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In Ufernähe ist in Matting alles überflutet.

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Der Schutzwall eines Anliegers.

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Bei der Walba, dem berühmten Lokal von Eva und Josef Menzl in Unterirading, ist die Straße überflutet. Die Walba selbst ist jedoch trocken.

Alexander Heigl wirkt zufrieden, als er den Schutzwall abklopft. Der junge Mann mit den braunen Haaren ist Kommandant der Feuerwehr Matting, erst im März haben ihn die Aktiven gewählt. Und jetzt gleich mal die Feuertaufe. Wobei es ja eher eine Wassertaufe ist.

Heigl hat oft das Handy am Ohr, bei ihm laufen viele Fäden zusammen. Hier was abklären, dort was anfordern. Der junge Kommandant wirkt jedoch nicht hektisch oder gar panisch. Niemand hier tut das. Die Aktiven der Feuerwehr Matting machen am Montagvormittag einen sehr ruhigen, einen abgeklärten Eindruck. Es ist eine ernste Lage, das freilich, aber kein Grund zur Furcht. Es bleibt auch mal Zeit für einen Spruch oder Flachs. Als zum Beispiel zwei Männer mit Gummistiefeln um die Ecke waten, durchs knöcheltiefe Wasser, um den Sandsackwall zu begutachten, da scherzen die Aktiven dahinter: "Ja ja, die Hochwassertouristen wieder." Alle schmunzeln.

Alle aktuellen Informationen zum Hochwasser in Ostbayern finden Sie unter idowa.de/hochwasser

Gelassenheit, Konzentration, Humor: Mit dieser Mischung begegnen die Mattinger der Flut. Gut, ist ja jetzt auch nicht die erste. Sie haben hier eine gewisse Erfahrung mit der Donau und ihren Eigenheiten.

Ein Damm würde das Ortsbild "verschandeln"

Matting ist ein 320-Seelen-Dorf bei Pentling. Normalerweise fließt die Donau hier friedlich vorbei und fügt sich zusammen mit den bewaldeten und felsigen Steilhängen auf der anderen Uferseite zu einem Idyll. Jetzt gerade bleibt der Blick eher an den überschwemmten Flächen entlang des Mattinger Ufers im Vordergrund hängen: Wege und Straßen hat die Donau schon verschluckt, Bäume und Sträucher ragen aus dem Wasser, ebenso wie die Tore des überfluteten Fußballplatzes. Schilder warnen Fußgänger.

Was man vergeblich sucht, sind Dämme. Gibt es hier nicht. Auch keine Wände oder Mauern oder dergleichen. Nach der Flut 1999 sei ein Donaudamm mal im Raum gestanden, man habe damals darüber diskutiert, erinnert sich ein Feuerwehrmann. Den Damm haben sie dann aber verworfen. Er hätte das Ortsbild komplett über den Haufen geworfen, hätte es "verschandelt", wie der Feuerwehrmann sagt. Matting wäre dann nicht mehr Matting gewesen, zumindest nicht so, wie man es kennt. Und die bislang entstandenen Schäden hätten sich ja im Rahmen gehalten, viele Anwohner hätten vieles selbst reparieren können.

Deshalb fiel die Entscheidung: kein Damm, dafür vorsorgen. Vorausdenken, nicht erst auf den letzten Drücker handeln, das schreiben sie in Matting groß. "Wir haben seit Samstag sehr gut vorgearbeitet", berichten die Feuerwehrleute. Nimmermüde haben sie Sand in die Säcke geschaufelt und diese am Ufer gestapelt. Etwa 9.000 Sandsäcke werden da jetzt liegen, schätzen sie.

Angeliefert wurden - grob über den Daumen gepeilt - etwa 120 bis 130 Tonnen Sand. Am Samstag haben sie phasenweise auch Sandsäcke gefüllt, die nach Unterlaichling bei Schierling kamen. Dort hatte es ein Starkregenereignis gegeben und es herrschte akuter Bedarf.

Die Feuerwehr Matting zählt etwas mehr als 200 Mitglieder und ungefähr 40 Aktive, wobei man das jetzt nicht so genau trennen kann. Jeder hilft. Unterstützung bekamen diese Einsatzkräfte aus dem gesamten Kreisbrandmeisterbezirk: Bis zu elf Feuerwehren aus dem Bereich Pentling/Obertraubling waren vor Ort und haben dazugeholfen. Am Montagvormittag ist nur noch die Feuerwehr Gebelkofen da, die dann aber auch wieder fährt. Gerade gibt es nichts zu tun. Abwarten. "Die anderen Feuerwehren stehen Gewehr bei Fuß", sagt ein Feuerwehrmann, "wenn wir sie brauchen und anfordern, sind sie da."

Es sind aber nicht nur die Feuerwehren, die in Matting gegen das Hochwasser anschaufeln und anstapeln und anschrauben. Es sind auch die Anwohner, die Nachbarn. Neben dem Zunftstüberl hat ein Anlieger - unterstützt von anderen - einen eigenen Sandsackwall montiert. Verstärkt mit Balken und Brettern. Im Hof liegt schon die Pumpe bereit, falls später doch ein bisserl Wasser eindringen sollte. Damit das Wasser die Barriere nicht einfach davonspült, ist sie beschwert mit massiven Gewichten.

Landwirte haben sie angeliefert. Dieser Zusammenhalt, dass einer dem anderen etwas bringt und ihm hilft, ohne Wenn und Aber, ohne langes Drumherumreden, das sei typisch in Matting, erzählen die Feuerwehrleute. Sie sagen Sätze wie "Wir sind ein Dorf". Jeder langt irgendwie hin. Auch im Hintergrund. Dass Getränke kommen oder eine Tasse Kaffee oder eine Brotzeit, das sei völlig selbstverständlich, eigentlich ja gar nicht der Rede wert, sagen sie. Es mag abgedroschen klingen, aber es geht halt nur gemeinsam. Auch die Gemeinde und der Bauhof leisten laut Feuerwehr vorbildliche Unterstützung.

Die Sandsackbarrieren sind zu bewachen

Man muss es ja sagen, wie's ist: An so einem Wochenende kommen Stunden zusammen, auf allen Seiten. Schaufeln, stapeln, absichern und die Augen offenhalten, rund um die Uhr. An den Sandsackbarrieren sieht jederzeit jemand nach dem Rechten, auch und gerade in der Nacht. Damit es ja zu keinen bösen Überraschungen kommt. Sie wechseln sich untereinander ab, sozusagen im Schichtsystem. Der zweite Kommandant - auch er noch ein junger Mann - ist am Montagvormittag nicht mit dabei. Der sei gerade daheim und ruhe sich aus, erzählen die anderen. Er sei erst um 7 Uhr nach Hause gekommen.

Und so stehen sie jetzt halt beim Zunftstüberl und harren der Dinge, die da kommen mögen. Tenor: "Wir haben die Lage gut im Griff."

Bei der Walba ist kein Durchkommen mehr

Und etwas Glück haben sie auch, denn sie sind nicht abgeschnitten von der Außenwelt. Ja, die Straße Richtung Bad Abbach ist gesperrt. Und auch auf der anderen Seite, in Richtung Prüfening, ist kein Durchkommen mehr möglich. Vorne bei der Walba, dem berühmten Ausflugslokal von Eva und Josef Menzl im Ortsteil Unterirading, ist zu erleben, wie schnell das geht. Beim Hinfahren kommt man noch durch mit dem Auto, auf der Straße hat sich eine große Lache gebildet, ein paar Zentimeter tief, mehr noch nicht. Man kann mit dem Auto vorbeifahren an der Walba, auch wenn der Unterboden ächzt und es spritzt und zischt. Beim Zurückfahren steht schon eine Absperrbake da. Die Walba ist trocken, die Straße jedoch überflutet. Also abbiegen nach rechts Richtung Graßlfing, den Berg hinauf.

Immerhin noch eine Verbindung

"Nach Graßlfing rauf, das ist jetzt die einzige Strecke, die man noch fahren kann. Aber so haben wir immerhin eine Verbindung", erzählen sie in Matting. Hätten sich die ersten, die düstersten Prognosen erfüllt, dann hätten sie auch diese Straße sperren müssen, sagen sie. Dann hätten sie keinerlei Verbindung mehr nach draußen gehabt. "Aber so schlimm ist es zum Glück nicht gekommen."