The show must go on
AZ exklusiv: Was Dieter Hoeneß über den Liga-Neustart denkt
6. Mai 2020, 10:08 Uhr aktualisiert am 6. Mai 2020, 10:08 Uhr
Am Mittwoch entscheiden Deutschlands Spitzenpolitiker um Angela Merkel über die Fortsetzung der Bundesliga, alles deutet auf ein "Ja" hin - trotz Skepsis. "Den Fans fehlt der Fußball", sagt Dieter Hoeneß in der AZ.
München - Lasset die Spiele beginnen! Diesen Satz wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (65/CDU) am Mittwoch vermutlich nicht wörtlich so verkünden, inhaltlich aber genau das aussagen: Die Bundesliga startet wieder, Bund und Länder haben dem Konzept der Deutschen Fußball Liga (DFL) trotz aller Risiken und Bedenken offenbar zugestimmt.
Das sickerte bereits vor dem Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten an diesem Mittwoch durch. Bereits am dritten Mai-Wochenende (15.5. - 17.5.) soll der Ball rollen, neun Spieltage stehen noch aus. The show must go on! Irgendwie.
Hoeneß: Fußball "eine willkommene Ablenkung"
"Für mich gibt es ein klares Plus an Argumenten, die für einen Wiederbeginn sprechen", sagt Dieter Hoeneß, der frühere Bayern-Stürmer und langjährige Bundesliga-Manager (VfB Stuttgart, Hertha BSC, VfL Wolfsburg) im Gespräch mit der AZ: "Für die Klubs ist es existenziell, die Saison fortzusetzen. Der Fußball ist mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Es würde auch ein Stück weit Normalität einkehren. Und ich glaube, dass den Menschen, den Fans der Fußball fehlt." In der Corona-Zeit wäre der Fußball, so Hoeneß, "eine willkommene Ablenkung".
Viele Vertreter der Branche argumentieren ähnlich, es gibt allerdings auch jede Menge kritische Stimmen. Erst recht nach den Geschehnissen der vergangenen Tage. Da war der "Maulkorberlass" der DFL in Richtung der Klubs, der Umgang des 1. FC Köln mit dem Interview seines besorgten Spielers Birger Verstraete und nicht zuletzt das Facebook-Video des inzwischen suspendierten Hertha-Profis Salomon Kalou, der die Hygienevorschriften der Liga ad absurdum führte.
Dieter Hoeneß ist für einen Re-Start der Bundesliga
"Da macht die Liga hervorragende Konzepte, und dann gibt es Einzelspieler, wie jetzt zu lesen war, die sich sehr, sehr, sehr unglücklich verhalten", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU): "Ich finde auch gut, dass Profivereine sehr hart dagegen entscheiden, weil das bringt das ganze Konzept in Verruf." Genauso sieht es Hoeneß. "Ich bin dafür, dass die Bundesliga weitergeht, auch wenn ich die Argumente kenne, die dagegen sprechen und diese auch berechtigt sind", sagt der 67-Jährige weiter in der AZ: "Es kommt jetzt darauf an, dass jeder Einzelne vernünftig und verantwortungsbewusst handelt." Und eben nicht so wie Kalou.
Wobei die Abstandsregelung für Profis ohnehin aufgehoben ist, sobald das Mannschaftstraining beginnt. Paderborn übt bereits wieder gemeinsam, auch RB Leipzig und der VfL Wolfsburg haben die entsprechende Genehmigung dafür erhalten. Und so rechnet eigentlich niemand mehr damit, dass die Politik das Milliardengeschäft Fußball ausbremst - selbst dann nicht, wenn es zu weiteren Corona-Fällen in der 1. und 2. Liga kommen sollte. Dass zehn Infektionen (bei 1724 Tests, Ansteckungsrate 0,58 Prozent) aufgedeckt wurden, habe den "Zweck erfüllt, für zusätzliche Sicherheit zu sorgen und so die Spieler bestmöglich vor Ansteckung im Mannschaftstraining oder Spielbetrieb zu schützen", teilte die DFL mit. Man sieht es positiv.
FC Bayern plant Hotel-Quarantäne
Die Show muss weitergehen. Irgendwie. 770 Millionen Euro stehen auf dem Spiel, 56 000 Arbeitsplätze sind damit direkt oder indirekt verknüpft. Positiv für die Liga und ihr Image: Auch in anderen Bereichen wie dem Einzelhandel oder der Gastronomie (in Bayern ab 18. Mai) gibt es Lockerungen der Corona-Maßnahmen. Der Vorwurf des Fußball-Sonderwegs wird somit ein wenig abgeschwächt.
Und doch bleibt Skepsis, speziell was die Gesundheit der Spieler und Betreuer angeht. Wie soll verhindert werden, dass sich weitere Akteure infizieren und andere anstecken? Die Klubs planen, etwa eine Woche vor Wiederaufnahme des Spielbetriebs in Quarantäne, also in Hotels zu gehen, auch der FC Bayern um Trainer Hansi Flick (55/Foto). Kein Kontakt mehr zur Außenwelt. Es werden alle Register gezogen, um die Saison bis Ende Juni durchzupressen.