SSV Jahn Regensburg
Heiko Herrlich erzählt: Zwei Mittagessen für 600 Euro zur Strafe
20. Juli 2017, 14:44 Uhr aktualisiert am 20. Juli 2017, 14:44 Uhr
Heiko Herrlich ist nach dem Aufstieg des SSV Jahn Regensburg in die 2. Bundesliga nach Leverkusen gewechselt. In einem Interview spricht er dennoch noch einmal über die Zeit in der Oberpfalz. Er erzählt unter anderem von einer Strafe für einen Spieler, der den Co-Trainer beschimpft hatte.
Heiko Herrlich hat klare Vorstellungen davon, wie eine Fußball-Mannschaft zu funktionieren hat. Der Teamgeist muss über allem stehen, jeder muss sich als Diener des anderen sehen. Nur in der Gemeinschaft gelingt der Erfolg. "Das Vereinswappen vorne auf dem Trikot ist wichtiger als der Name hinten drauf" - ein Satz, den Herrlich beispielsweise immer und immer wieder wiederholt.
In Regensburg entstand unter dem Fußballlehrer ein ganz besonderer Teamgeist. Ein Teamgeist, der den Club von der Regionalliga bis in die 2. Bundesliga durchmarschieren ließ. Nun, da der Jahn kurz vor dem Saisonstart in eben dieser 2. Liga steht, ist Herrlich nicht mehr da. Der Erfolgstrainer heuerte nach dem überraschenden Aufstieg bei Bundesligist Bayer 04 Leverkusen an und soll bei der Werkself den Erfolg zurückbringen.
Um das Saisonziel, wieder in den internationalen Wettbewerb zu kommen, zu erreichen, legt Herrlich bei seinen Spielern ähnliche Maßstäbe wie in Regensburg an. "Natürlich kann es sein, dass der Teamgedanke irgendwann bei einem Spieler mal abhandengekommen ist, weil jemand aus seinem Umfeld gemeint hat, dass die Farbe der Schuhe wichtiger sei oder die Anzahl der Tattoos. Aber dann muss ich als Trainer eingreifen und ihn daran erinnern, wie viel Spaß es bereitet, als Team zu agieren und Spiele zu gewinnen, eben weil man ein Team ist", sagt der 45-Jährige im Interview mit der "Welt".
Herrlich: "Du brauchst nicht die besten Spieler, du brauchst die richtigen Spieler"
Als Beispiele führt er neben den Würzburger Kickers, die von der Regionalliga bis in die 2. Liga durchmarschiert sind, und dem Überraschungsmeister 2016 in England, Leicester City, eben auch Jahn Regensburg an. "Du brauchst nicht die besten Spieler, du brauchst die richtigen Spieler", so seine These.
Bekannt über den Fußballtrainer Herrlich ist auch, dass er ein sehr gläubiger Christ ist. So kam es in Regensburg auch vor, dass er seinen Spielern aus der Bibel vorlas. Eine Geschichte dazu erzählt er im Interview mit der "Welt". So hätte er einen Spieler, der dem Co-Trainer vor der Mannschaft ein Schimpfwort an den Kopf geknallt habe, eigentlich rausschmeißen müssen. Er habe lange überlegt, was er nun mache.
Herrlich trat vor die Mannschaft, die den Rausschmiss des Spielers erwartet hätte, und las aus dem Johannes-Evangelium vor. Die Stelle, als Jesus geholt wird, um eine Ehebrecherin zu richten, die nach Meinung des Volkes gesteinigt werden sollte. Jesus aber sagte: "Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein auf sie." Herrlich entschied sich gegen den Rausschmiss. Der betreffende Spieler musste stattdessen zwei Mittagessen für die gesamte Mannschaft übernehmen. "Und wenn ein Spieler in Regensburg die Mitspieler zwei Mal für je 300 Euro einladen muss, tut das im Geldbeutel weh", so Herrlich.
"Gefühl, schon zum Inventar zu gehören"
Auch zu seinem gerade in Fankreisen kritisch gesehenen Abschied vom Jahn äußert sich Heiko Herrlich noch einmal. "Mein Vertrag in Regensburg hatte keine Gültigkeit für die Zweite Liga, darauf hatte ich die Verantwortlichen nach der gewonnenen Relegation gegen 1860 München auch aufmerksam gemacht. Es kam allerdings nichts zurück, das gab mir so ein bisschen das Gefühl, schon zum Inventar zu gehören", berichtet er. Und dann sei eben Bayer 04 Leverkusen gekommen.
"Dass ich dann ein solches Angebot nicht ausschlage, müsste zumindest verständlich sein", so Herrlich. Und zumindest für die Verantwortlichen um Geschäftsführer Christian Keller sei es das auch gewesen. "Ich habe mich vom ersten bis zum letzten Tag zu 100 Prozent mit meiner Aufgabe beim Jahn identifiziert. Auch das hat Christian Keller gesagt. Ich habe alles gegeben, was ich konnte. Andererseits hat auch der Verein mir vieles gegeben. Deswegen werde ich immer dankbar bleiben, auch wenn beide Seiten jetzt ein anderes Kapitel aufgeschlagen haben."