Spieleentwickler aus Regensburg
CipSoft-Chef: "Was gscheits" machen oder Online-Spiele?
20. September 2020, 7:00 Uhr aktualisiert am 20. September 2020, 9:00 Uhr
Seine Anfänge erinnern ein bisschen an die von Mark Zuckerberg: Der Regensburger Stephan Vogler hat in den frühen 2000er-Jahren aus einem Internetprojekt an der Universität ein Unternehmen gemacht. Anstelle eines sozialen Netzwerks waren es bei ihm Online-Spiele, die mittlerweile bis zu einer Viertelmillion Menschen an den PC locken. Im Interview verrät der 44-jährige Geschäftsführer und Gründer von CipSoft, was seine Eltern am Anfang von seinem Beruf gehalten haben, wie lange seine Firma ein Spiel entwickelt und was ein gutes Online-Spiel heutzutage haben muss.
Herr Vogler, was macht Ihre Firma CipSoft genau?
Stephan Vogler: Wir entwickeln und betreiben Online-Spiele. Spiele, die man in erster Linie zusammenspielen kann. Unsere Firma ist insbesondere für "Tibia" bekannt. Ein Fantasy-Online-Spiel, das man auf dem PC spielt. Der Spieler übernimmt eine Rolle in einer Fantasywelt wie bei "Herr der Ringe". Es ist unser erfolgreichstes Spiel. Davon gibt es auch ein Spinoff als mobile Version, die man auf dem Smartphone oder Tablet spielt. "Tibia" ist 1997 auf den Markt gekommen, damals gab es nichts Vergleichbares. Das Spiel läuft immer noch, selbst nach über 20 Jahren. Letzte Woche haben wir nach längerer Zeit wieder ein neues Spiel, "LiteBringer", gestartet. Hier haben wir auch versucht, ein für heutige Verhältnisse neuartiges Spiel zu entwickeln.
"Haben Spiel einfach auf Uni-Computern laufen lassen"
Wann haben Sie CipSoft gegründet und wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Vogler: Meine Mitgründer und ich kennen uns noch aus der Schulzeit in Regensburg. Am Anfang haben wir eigentlich nur zusammen Computer gespielt, bis uns interessiert hat, wie man solche Spiele eigentlich entwickelt. An der Uni in Regensburg sind wir das erste Mal mit dem Internet in Berührung gekommen. Das war 1995. Weil es damals nur wenig Online-Spiele gab, haben wir noch während des Studiums angefangen, "Tibia" zu entwickeln. 1997 haben wir dann unser Spiel auf Uni-Computern laufen lassen und gleichzeitig weiterentwickelt. Als wir mit dem Studium fertig waren, waren schon einige hundert Leute auf den Servern online. Dann hatten wir die Wahl: "Was gscheits" machen, zum Beispiel bei Siemens anfangen, wie unsere Eltern das gerne gewollt hätten oder mit unserem Spiel weiterzumachen. 2001 haben wir uns schließlich für die Gründung von CipSoft entschieden.
Wie haben Sie aus CipSoft ein Business gemacht?
Vogler: Wir mussten "Tibia" in eine Form bringen, sodass wir auch Geld damit verdienen konnten. Wir mussten also ein neues Geschäftsmodell entwickeln. Das sah vor, dass alles was bis zur Gründung kostenlos war, auch kostenlos geblieben ist. Wir wollten ja die Spieler, die wir damals schon hatten, nicht verlieren. Alles was ab dem Zeitpunkt bei "Tibia" hinzugefügt wurde oder wird, kostet dafür eine Abogebühr. Das Spiel hat also ein "Freemium"-Modell. Die Spieler können grundsätzlich kostenlos spielen, aber nicht alles nutzen. Das Spiel in vollem Umfang gibt es dann nur mit der Gebühr. Andere User wiederum kaufen "Tibia Coins", mit denen man im Spiel zusätzlich Features freischalten kann. Unser Geschäftsmodell von damals funktioniert bis heute. Wir sind unabhängig, mussten nie einen Kredit aufnehmen und hatten auch nie einen Durchhänger. Das lag und liegt an "Tibia". In der Anfangszeit wurden wir von unseren Eltern unterstützt. Nach einem Jahr konnten wir uns dann schließlich die ersten vollen Gehälter auszahlen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite unter anderem, wie lange CipSoft Online-Spiele entwickelt und was es mit "Blockchain" auf sich hat.
"Spiele-Entwicklung ist Hochrisikoinvestition"
Wie viele Spieler gibt es mittlerweile in Ihrer Community?
Vogler: Wir haben eine Viertelmillion User, die regelmäßig spielen. 110.000 davon zahlen für die Spiele in Form von Abogebühren. So kommt der größte Umsatz zustande.
Wie hat sich die Firma im Laufe der Zeit entwickelt?
Vogler: 2002 ist "Tibia" recht schnell von alleine gewachsen. Immer mehr Leute haben angefangen, zu spielen. Wir mussten nie Marketing machen. Gleichzeitig kamen auch generell immer mehr Anfragen von Spielern. Ab da haben wir angefangen, Leute einzustellen. Die Support-Abteilung haben wir als Erstes eingeführt. Dann sind wir Jahr für Jahr immer mehr gewachsen. "Tibia" selbst auch: Wir entwickeln dieses Spiel seit 20 Jahren fortlaufend weiter. Das hat wahrscheinlich auch dazu geführt, dass sich das Spiel halten konnte und schon so lange erfolgreich ist. Mittlerweile hat CipSoft rund 100 Mitarbeiter. Rund die Hälfte kümmert sich um "Tibia", die andere Hälfte entwickelt neue Spiele.
"Was heute cool ist, ist in drei Jahren out"
Wie lange dauert es, um ein Spiel zu entwickeln?
Vogler: Bis ein Online-Spiel rauskommt, kann es Jahre dauern. Man setzt auf eine Idee, die erst in ein paar Jahren als Spiel am Markt erscheint, wenn überhaupt. Das macht die Sache so schwierig. Was jetzt cool ist, ist in drei Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder out. Deshalb ist die Entwicklung von Online-Spielen eine Hochrisikoinvestition. Man weiß im Voraus, dass viele Projekte scheitern werden. Wir haben in den letzten Jahren mehrere Spiele entwickelt, aber nie veröffentlicht. Ab und zu gelingt es dann doch, eine technische Neuheit zu finden, die gut zu Online-Spielen passt. Und daraus versuchen wir dann, ein neues Spiel zu entwickeln.
"LiteBringer" verwendet zum Beispiel die Blockchain-Technologie. Unsere Spieler wollen ihre Besitztümer, zum Teil mit echter Währung, untereinander handeln. Das haben wir im Laufe der Zeit festgestellt. Ist man länger im Spiel, findet man automatisch Dinge, die man mitnehmen kann, die einem dann gehören. Das sind dann beispielsweise wertvolle Schwerter oder Rüstungen. Damit die Spieler dann handeln dürfen, braucht man in Deutschland als Spieleanbieter aber eine Lizenz. Mit der Blockchain-Technologie können die Spieler dagegen handeln, ohne das wir daran beteiligt sind. Die Spieler können damit ihre Besitztümer für Kryptowährung verkaufen. Der Besitz im Spiel bekommt also tatsächlich einen echten Wert.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, was ein gutes Online-Game Stephan Vogler zufolge haben muss.
Das muss ein gutes Online-Spiel haben
Was ist Ihre Zielgruppe?
Vogler: Wir haben Spieler auf der ganzen Welt, weil unsere Spiele entweder auf Englisch oder mehrsprachig sind. Wir schränken hier also nichts ein. Die meisten Spieler sind zwischen 16 und 30 Jahre alt. Gut drei Viertel davon sind Männer. Interessant ist, dass "Tibia" erstaunlich gut in Südamerika läuft. "Tibia" als mobiles Spiel ist dagegen vor allem in Asien erfolgreich, wahrscheinlich weil dort das Smartphone wichtiger ist als der PC.
Was ist Ihr Lieblingsspiel und warum?
Vogler: Das gute alte "Tetris" auf dem Gameboy. Das habe ich bis zum Umfallen gespielt, auch heute spiele ich das noch ab und zu. In meiner Freizeit kommen aber ansonsten fast keine Spielstunden zusammen. Nach Feierabend habe ich für gewöhnlich keine Lust mehr zu zocken. Was ich aber mache, ist mir neue Spiele zumindest kurz anzusehen. Damit ich weiß, was zurzeit gut ankommt und erfolgreich ist. Das inspiriert mich dann wiederum für CipSoft.
Was muss ein gutes Online-Spiel haben?
Vogler: Es braucht eine ganze Reihe von Standard-Features. Man sollte chatten können, zusammenspielen können, gegeneinander spielen können und etwas aufbauen können. Spieler möchten sehen, dass etwas passiert ist, dass sie einen Fortschritt gemacht haben. Das hält die Leute. Dann braucht es allen voran noch eine gute Idee, um sich abzuheben. Die Kunst liegt darin, zu erkennen, was das sein könnte.