Interview
Raus aus dem Kokon: "Milky Chance" sind mit ihrem neuen Album "Blossom" zurück
30. März 2017, 15:11 Uhr aktualisiert am 28. März 2023, 14:50 Uhr
Sie sind zurück. Nach dem Riesenerfolg ihres ersten Albums "Sadnecessary" waren "Milky Chance" lange auf Reise. Am 17. März erschien der Nachfolger des deutschen Duos: "Blossom". Wir haben uns mit Sänger Clemens Rehbein über die neue Platte unterhalten. Ein Gespräch über Melancholie, unseren Planeten und warum die Band auf Reisen eigentlich immer dasselbe sieht.
Clemens, euer erstes Album trug den Titel "Sadnecessary", auf Deutsch "traurig". Eure neue Platte heißt nun "Blossom", "blühen". Wie kam es denn zu diesen gegensätzlichen Albumtiteln?
Clemens Rehbein: Ich weiß gar nicht, ob das so gegensätzlich ist. Philipp (Dausch, Schlagzeuger und Band-Partner von Clemens bei Milky Chance, Anm. d. Red.) kam mit der Idee für diesen Namen. Den Song "Blossom" gab es schon. Irgendwann kam der Moment, dass wir dieses eine Wort vor uns hatten und uns klar war, dass das die Platte erklärt. Generell mochten wir das Wort, ich benutze viele Metaphern aus der Natur und "Blossom" ist für mich ein schönes Wort. Es hat unsere Gefühlslage gut beschrieben. Dass viel aufgeblüht ist in den vergangenen Jahren. Was wir alles erleben durften. Dass viel in unserem Leben passiert ist. Dass wir so viele Konzerte spielen durften und uns als Musiker weiterentwickeln konnten. Das Wort ist ein wenig ein Resümee der vergangenen Jahre, es beschreibt aber auch unser Gefühl in der Gegenwart mit unserem neuen Album.
Ist "blühen" und "sich entfalten" auch ein Thema der Platte?
Auf jeden Fall! Alleine die Tatsache, dass wir Konzerte spielen und so viel Bühnenerfahrung sammeln durften. Das spielt alles mit rein in die neue Platte. Sie ist viel handgemachter und organischer. Es findet sich darauf viel Persönliches, viel Selbstreflexion. Aber generell trifft es das Thema "aufblühen" im Sinne von "entwickeln", "entfalten" sehr gut.
Auf dem Titelsong des Albums, "Blossom" singt ihr folgende Textzeile: "’Cause all I need is to see you Blossom out". An wen ist diese Zeile gerichtet? Wen wollt ihr aufblühen sehen?
Die Zeile ist speziell an meine Tochter gerichtet. Ich bin vor etwa eineinviertel Jahren Papa geworden. Insgesamt ist der Song ein Zusammenspiel aus sehr persönlichen und undefinierten Phrasen. Und der Refrain geht an meine Tochter.
Im Titel "Cocoon" singt ihr im Refrain "So let’s go back to our cocoon". War das auch ein wenig das Motto für "Blossom", also die Musik weiterzumachen von "Sadnecessary", eurem Kokon?
Ja klar, das kann man so sehen. Es ist jetzt nicht das Thema des Songs. Es geht ja darum, sich selbst zu isolieren. Aber das haben wir natürlich auch versucht. Wenn man ins Studio geht und anfängt, an neuen Songs zu arbeiten, hat man am liebsten nichts anderes im Kopf und versucht die Außenwelt komplett auszublenden. Das hat was davon, dass man in sein Kokon geht, in sein Studio, in seine Musikwelt. Man probiert sich aus und sonst passiert nicht so viel.
Wie schon die Songs auf eurem ersten Album, klingen die Lieder auf "Blossom" etwas melancholisch, aber trotzdem leicht und entspannt. Ist das auch eine Einstellung, mit der ihr durchs Leben geht?
(lacht) Ja, vielleicht. Ich glaube schon, dass wir Melancholiker sind. Ich fühle mich zu Melancholie hingezogen. Ich denke, das ist auch etwas Schönes, etwas Prachtvolles und etwas Besonderes. Und klar geht man auch mit einer gewissen Melancholie durchs Leben. Aber auch mit Leichtigkeit. Wir sind jetzt nicht Typen, die sich zwei Wochen lang den Kopf zerbrechen, nur zu Hause rumsitzen und nicht wissen, was sie tun sollen. Wir sind schon eher Macher, freuen uns, sind dankbar und denken nach vorne. Aber immer auch mit einem Touch von Melancholie.
Welches Ziel habt ihr denn mit "Blossom"?
Wir haben schon ziemlich viele persönliche Ziele erreicht. Als wir die Platte fertig hatten, war das größte Ziel erreicht. Weil wir es geschafft haben, ein zweites Album aufzunehmen, mit dem wir total happy sind, worüber wir uns total gefreut haben und wo wir eine Entwicklung als Musiker gefühlt haben. Alles andere ist noch offen. Dieses Jahr ist schon komplett mit Touren durchgeplant. Wir werden sehr viele Konzerte spielen, so an die hundert Stück. Damit sind wir jetzt beschäftigt. Man denkt gar nicht so groß an irgendwelche Ziele. Jetzt leben wir erstmal wieder auf der Bühne.
Ist man da auch froh, dass es - nach der langen Zeit im Studio - wieder auf die Bühne geht?
Klar. Es ist immer so ein Mix. Ich meine, wir waren auch sehr froh, als wir ins Studio gehen konnten und endlich wieder neue Musik erschaffen durften. Wir sind dreieinhalb Jahre mit dem ersten Album getourt. Das ist schon eine lange Zeit und dann hat man wieder Bock auf neue Musik. Aber klar, man ist dann mal fertig und wenn die Proben losgehen, freut man sich wieder, wenn man die Lieder live auf der Bühne spielen und die Musik richtig erleben kann. Man bekommt auch noch mal einen anderen Zugang zu den Liedern, wenn man sie dann öfters schon mal live gespielt hat. Man taucht noch mal anders in die Materie ein. Und das ist auf jeden Fall sehr cool.
Ihr habt nach dem ersten Album für fast ein Jahr eine Weltreise unternommen. Wie habt ihr unseren Planeten dabei empfunden?
Verrückt. Man muss dazu sagen, dass das Touren relativ einseitig ist. Man reist sehr schnell, ist jeden Tag woanders, sieht aber trotzdem immer die gleichen Dinge. Man kommt am Flughafen an, fährt zum Club. Es ist daher ein wenig schwierig, sich ein umfassendes Bild zu machen. Unser Eindruck ist relativ oberflächlich und gemischt. Man sieht viele zubetonierte Flächen, wenig Natur. Das gibt einem manchmal ein etwas unwohles Gefühl. Aber man sieht auch viele schöne Sachen. Die Welt kommt einem irgendwann auch relativ klein vor. In elf Stunden kann man von Frankfurt nach Los Angeles fliegen. Wenn du das mehrmals gemacht hast, kommt dir das gar nicht mehr so lange vor. Dann bist du gefühlt am anderen Ende der Welt. Es ist aber auf einmal ganz normal. Schon verrückt.
Der Song, mit dem ihr bekannt geworden seid, "Stolen Dance", hat mittlerweile auf Youtube über 300 Millionen Aufrufe. Könnt ihr es eigentlich manchmal selbst nicht fassen, was seitdem passiert ist?
Ja, auf jeden Fall. Es gibt schon die Momente, in denen man sich mal zwicken muss. Auch wenn man über die letzten Jahre sinniert und in Erinnerungen schwelgt, kommt das Gefühl, dass das echt krass ist, was passiert ist. Und dass es auch einfach ein sehr großes Privileg ist. Wir sind sehr happy darüber und dankbar. Wir waren oft überwältigt und sind es immer noch.