Mit Mut auf die Poetry-Slam-Bühne

Redakteur David Voltz hat sich als moderner Poet versucht


Redakteur David Voltz ist bei einem Poetry Slam angetreten. (Foto: Susanne Raith)

Redakteur David Voltz ist bei einem Poetry Slam angetreten. (Foto: Susanne Raith)

Von Redaktion idowa

Da stehe ich also. Rund 400 Augen sind auf mich gerichtet. Das Licht scheint mir ins Gesicht. Zittrig klammere ich mich an meinen Zetteln fest, auf denen der Text steht, den ich gleich vortragen werde. Wo ich bin? Bei einem Poetry Slam. Das ist ein moderner Dichterwettstreit. Ich versuche mich heute hier beim Landshuter "SprechAkt" zum ersten Mal als Poet auf einer Bühne.

Wie es sich anfühlt, vor vielen Leuten auf einer Bühne zu stehen, weiß ich schon länger. Ich schauspielere in meiner Freizeit und ich habe den Poetry Slam der Jugendredaktion Freistunde von der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung und dem Straubinger Jugendzentrum moderiert. Jetzt wollte ich die Sichtweise ändern und selbst zum Poeten werden. Auf meinem Laptop dümpeln viele Texte herum - nachdenkliche und auch lustige. Zwei davon habe ich zum heutigen Poetry Slam mitgebracht.

Zu Beginn des Abends lerne ich die anderen Poeten kennen. Sie alle haben schon mehr Erfahrung als ich. Ich bin ziemlich aufgeregt. Meine Eltern und eine Freundin sind zur Unterstützung mitgekommen. Sie beruhigen mich und lenken mich ab. Die Moderatoren betreten die Bühne, starten den Dichterwettstreit und erklären die Regeln: Die Texte müssen selbst geschrieben sein. Singen ist verboten. Und jeder hat sieben Minuten Zeit für seinen Vortrag.

Es geht los. Die Reihenfolge der Poeten steht vorher nicht fest. Sie wird per Los entschieden. Ich bete, dass ich nicht als Erster auf die Bühne muss. Dann fällt mein Name und die Aufregung bricht über mich herein. Leicht benommen stehe ich auf, greife nach meinen Blättern und gehe vorsichtig zum Mikrofon. Ich räuspere mich. "Hallo, ich bin der David", sage ich nervös. "In meinem Text geht es um Mut zur Veränderung. Den braucht man manchmal", erkläre ich meinen nachdenklichen Text. Ich halte kurz die Luft an, atme tief ein und beginne mit meinem Vortrag.

"Ein Freund hat mal zu mir gesagt:
Fürchte dich nicht vor Veränderung,
fürchte dich vor dem Stillstand.
Und er hat Recht."
- David Voltz


Das Publikum ist totenstill. Alle Augen sind auf mich gerichtet. Schweißtropfen bilden sich auf meiner Stirn. Das Licht des Scheinwerfers ist sehr warm. Ich rede, rede und rede, halte dabei immer wieder Blickkontakt mit den Zuschauern. Meine Blicke treffen meistens einen Mann, der in der ersten Reihe sitzt. Er hört interessiert zu. Er lächelt leicht.

Es fühlt sich an, als wäre mein Text endlos lang. Ich erzähle darin kleine Geschichten, die alle von Menschen handeln, die etwas in ihrem Leben verändern sollten und dazu Mut brauchen. Es sind skurrile, traurige und schlimme Schicksale. Da ist zum Beispiel der 30-Jährige, der von einem Studium träumt, aber keins beginnen will, weil er das seiner Familie nicht antun kann. Oder es geht um eine Frau, die jahrelang von ihrem Ehemann geschlagen wird. Sie schweigt sich darüber aber aus und will keine Hilfe.

Ich komme zum Ende meines Textes. Den letzten Satz habe ich beim Üben zuhause vor dem Spiegel so oft wiederholt, dass ich ihn mittlerweile auswendig kann. Erleichtert rutscht er mir über die Lippen: "Und er hat Recht." Stille. Als ich zum Abschluss vorsichtig ein "Danke" ins Mikrofon hauche, beginnen alle zu klatschen. Ich atme aus. Geschafft! Bestärkt von dem Applaus gehe ich zurück auf meinen Platz ins Publikum. Jetzt liegt es an der Jury, ob ich es ins Finale des Poetry Slams schaffe und meinen zweiten Text vortragen darf. Fünf Zuschauer bewerten die Poeten. Während die Moderatoren laut meine Bewertung vorlesen, höre ich weg. Ich will nicht wissen, wie viele Punkte ich habe.

Bevor das Finale beginnt, erfahre ich, dass ich mit meinem Vortrag auf einem der hinteren Plätze gelandet bin. Ich bin nicht enttäuscht. Im Gegenteil: Beim nächsten Mal will ich mich mit meinen Worten weiter vorkämpfen. Der Gewinner des Poetry Slams bestärkt mich in meinem Vorhaben: "Ich mochte deinen Text. Weiter so!"