Castingshows

Sprungbrett oder Krise?


Für die einen hat sich die Teilnahme an einer Castingshow als absolute Katastrophe herausgestellt, für die anderen war es die beste Erfahrung ihres Lebens. Hier eine Übersicht über die verschiedenen Typen, die an Castingshows teilnehmen:

Typ 1: Profis, die die Show als Sprungbrett nutzen

Sie sehen die Show als absolut positive Erfahrung, weil ihnen ihre Teilnahme viele Möglichkeiten eröffnet hat. Zum Beispiel bekam "The Voice of Germany"-Teilnehmer Behnam Moghaddam (er erreichte Platz fünf) mit seiner Band "Mokka Express" vermehrt Anfragen für Auftritte.

Typ 2: Die Neuentdeckungen

Auch für sie ist die Teilnahme eine sehr positive Erfahrung. Sie erhalten durch die Casting- Show die Chance, sich weiterzuentwickeln und daran zu wachsen. Sie beurteilen ihre Teilnahme als Bereicherung. Zu diesem Typ gehört zum Beispiel Jonathan Enns, der bei "Deutschland suchte den Superstar" (DSDS) als 20-Jähriger den neunten Platz erreicht hat. Er beschreibt seine Eindrücke so: "Ich wurde reifer durch diese Erfahrung. Vor allem im Umgang mit Medien. Ich habe einen guten Einblick in die Welt des Entertainments bekommen und das hat mich eigentlich ein wenig abgeschreckt, weil man sich nicht gegenseitig respektiert, sondern den Menschen eher als Objekt betrachtet."

Typ 3: Abgewertete Hoffnungsträgerinnen

Zu diesem Typ gehört zum Beispiel DSDS-Teilnehmerin Annemarie Eilfeld (sie wurde Dritte). Sie wurde anfangs positiv bewertet, später dann aber ausgesprochen negativ dargestellt. Sie beschreibt ihre Erfahrungen so: "Ich war 18 Jahre alt und kannte diese Art einer TV-Produktion nicht. Ich vertraute immer allen und im Nachhinein war das naiv und hat mir und meiner Familie sehr viel Schmerz bereitet."

Typ 4: Heimliche Komplizen

Diese Teilnehmer sind selbstbewusste junge Menschen, die sich gezielt in Szene setzen beziehungsweise setzen lassen. Sie arbeiten eng mit dem Sender oder der Produktionsfirma zusammen. "Ich begriff, wie der Hase läuft, habe mich dafür entschieden, einen Spaßauftritt daraus zu machen", umschreibt eine DSDS-Kandidatin, die die Ausstrahlung ihres Castings als "sehr lustig" empfand: "Ich war ziemlich begeistert, da es so zusammengeschnitten wurde, wie ich es mir insgeheim gewünscht habe. Der Trubel danach war jedoch nicht so toll und ich hätte gerne darauf verzichtet."

Typ 5: Die krampfhaft Positiven, die die Beschämung umdeuten

Diese Kandidaten sind sich ihrer Abwertung nicht bewusst, deuten die Beschämung um und genießen die Aufmerksamkeit rund um ihre Person. Diese Kandidaten werden objektiv zu Freaks stilisiert, wollen dies aber nicht wahrhaben. So wie eine 29-jährige DSDSTeilnehmerin, die ihr Casting so beschreibt: "Schade ist, dass mir gesagt wurde, dass ich absolut nicht singen kann. Das hat mich schwer getroffen, weil ich sehr musikalisch bin." Dennoch blickt sie positiv auf die Ausstrahlung zurück: "Ich fand es toll, endlich eine Möglichkeit zu haben, im Fernsehen zu sein."

Typ 6: Die Bloßgestellten

Diese Kandidaten gehen naiv und mit großem Vertrauen auf ihre eigene Besonderheit in die Show. Sie werden während der Sendung als besonders unfähig zur Schau gestellt - womit sie zunächst überhaupt nicht gerechnet haben. Sie müssen nun mit der Häme aus dem sozialen Umfeld leben - zum Teil noch Jahre nach der Teilnahme. Eine ehemalige DSDSKandidatin, deren Bewerbung über Jahre hinweg wiederholt wurde und zudem jeder Zeit im Internet anzusehen ist, berichtet, wie jedes Mal wieder "der ganze Scheiß von vorne anfängt, dass man von jedem angesprochen wird". Im Nachhinein sagt sie: "Ich hätte mich niemals dort beworben, wenn ich gewusst hätte, was die mit den Leuten da alles machen, nur um sie blöd darzustellen, damit die Leute was zu lachen haben."

Typ 7: Die psychisch Überforderten

Einige Kandidaten sind durch die Anforderungen während und nach der Produktion psychisch überfordert. Die Castingshow führt sie dauerhaft in eine psychische Krise. Eine ehemalige DSDS-Kandidatin berichtet: "Ich war damals erst 16 Jahre alt und konnte damit nicht umgehen, bekam später Depressionen und bekomme bis heute mein Leben nicht in den Griff."

Quelle: Maya Götz, Christine Bulla und Caroline Mendel: "Sprungbrett oder Krise? Das Erlebnis Castingshow-Teilnahme". Eine Befragung von ehemaligen TeilnehmerInnen an Musik-Castingshows. Eine Kooperationsstudie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) und der Landesanstalt für Medien Nordrhein- Westfalen (LfM). LfM-Dokumentation 2013, Band 48.