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Tanzen und die Freiheit spüren: Jennifer Gigl (27) über die Swing-Jugend der Nazi-Zeit
27. April 2016, 14:00 Uhr aktualisiert am 27. April 2016, 14:00 Uhr
In den goldenen Zwanzigern liegen die Anfänge des Swings, welche sich von Amerika auch schnell nach Europa ausbreiteten und die Menschen zum Tanzen brachten. Vor allem in den Großstädten wie Berlin und Hamburg fand der Swing viele Anhänger, insbesondere Jugendliche. Doch während des Nationalsozialismus galt genau diese Musikrichtung als undeutsch und entartet, da sie in den USA vornehmlich von schwarzen Menschen gespielt wurde. Jugendliche, die ihrer Liebe zum Swing dennoch nachgingen und somit auch einen speziellen Lebensstil pflegten, passten nicht in das Bild, welches die Regierung von der Volksgemeinschaft hatte - und genau dies sollte den Jugendlichen, deren Idole Louis Armstrong oder Benny Goodman waren, zum Verhängnis werden.
Zahlreiche Swing-Bands wurden gegründet und etliche Partys veranstaltet - zunächst große Tanzfeste, nach vermehrten Razzien ab 1940 jedoch zusehends abseits der Öffentlichkeit und im kleinen privaten Rahmen. Doch die Jugendlichen ließen sich nicht abschrecken. Auf diesen privaten Partys wurden die verpönten Platten gehört und es wurde nach einem ganz eigenen Stil getanzt, den die Regierung als "Affentanz" bezeichnete. Bald schon bildeten sich einzelne Cliquen, die gemeinsame Erkennungszeichen trugen und wenig von einer Geschlechtertrennung hielten, wie sie unter anderem in der Erziehung der Nationalsozialisten propagiert wurde. Die Nazi-Regierung prangerte diesen Lebensstil vehement an.
Sehr bewusst grenzten sich die Jugendlichen immer mehr von der geforderten Norm ab und orientierten sich vor allem am amerikanischen Lebensstil. Gesprochenes und Geschriebenes wurde mit englischen Sprachfetzen durchsetzt und die Jugendlichen gaben sich gegenseitig englische Namen, wie zum Beispiel Bobby und Teddy bei den Jungen und Dolly und Mickie bei den Mädchen. Generell sprach man sich selbst auf der Straße unkonventionell mit Jazz-Katze, Old Boy oder Swing Girl an. Auch der nationalsozialistische Gruß "Heil Hitler" wurde ins Lächerliche gezogen und unter anderem zu "Swing Heil" umgewandelt, um deutlich die Ablehnung des Nazi-Regimes zu zeigen.
Die Kleidung zeigte nach außen jedoch am deutlichsten die Abgrenzung zur "Norm". Die Jungen trugen karierte Sakkos, oft Hut und Regenschirm. Die Haare trug man lang, meist mit Zuckerwasser und Pomade nach hinten gegelt. Die Mädchen kleideten sich bewusst feminin, kurze Röcke waren keine Ausnahme und die Zigarette war beinahe schon ein Muss neben der Dauerwelle und Make-up.
Zwar grenzte sich die Swing-Jugend bewusst durch ihr Äußeres, ihre Musikvorliebe und ihrem Verhalten von der Norm ab, jedoch kann man diese Jugendlichen nicht direkt zum Widerstand gegen das Regime zählen. Viele Anhänger der Swing-Jugend besuchten Veranstaltungen der Hitlerjugend oder des Bunds Deutscher Mädel, ehe sie anschließend zu den privaten Swing-Veranstaltungen gingen. Die Swing-Kids fielen deutlich aus den Idealvorstellung der Nationalsozialisten, scheuten es jedoch auch nicht, die Regierung zu parodieren, was zahlreiche Verhaftungen nach sich zog.
Bereits seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war die Swing-Musik verboten und im Laufe der folgenden Jahre wurden die Maßnahmen schärfer. Viele Cafés zierte ein Schild mit der Aufschrift "Swingtanzen verboten". Die Nationalsozialisten begannen fortan mit der Verfolgung der Swing-Kids, da sie ihrer Meinung nach die deutsche Volkskraft schädigten. 1940 nahmen die Verhaftungen von Swing-Jugendlichen zu. Am 18. August 1941 trat die "Sofort-Aktion gegen die Swing-Jugend" in Kraft. So wurden über 300 Mitglieder der Swing-Jugend verhaftet. Viele von diesen Jugendlichen wurden zur Umerziehung ins Arbeitslager gesteckt - nur wenige überlebten diese Zeit im Jugendkonzentrationslager und starben an mangelnder Ernährung oder Erschöpfung. In Folge dieser Repressionen nahm ein kleiner Teil der Swing-Jugend Kontakt zur Widerstandsgruppe der "Weißen Rose" auf.
Die Liebe zur Jazz- und Swing-Musik kostete viele Jugendliche das Leben. Zunächst nicht politisiert, wollten die Swing-Jugendlichen einfach nur tanzen und ein bisschen den Duft der Freiheit spüren, der von Amerika aus nach Europa zog. Doch genau dieser Wunsch wurde vielen zum Verhängnis.