Kommentar

Seehofer wollte womöglich zu viel


Horst Seehofer hat sich im Rahmen seiner Moskau-Reise mit einigen Aussagen wohl etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt.

Horst Seehofer hat sich im Rahmen seiner Moskau-Reise mit einigen Aussagen wohl etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt.

Normalität wieder herzustellen, war das erklärte Ziel. Am Ende könnten es ein paar wenige Aussagen sein, die die Moskau-Reise von Ministerpräsident Horst Seehofer in einem anderen Licht erscheinen lassen, als er selbst sich das wünscht.

Der CSU-Chef wollte im Dialog mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einen weiteren Gesprächsfaden aus Deutschland nach Moskau spinnen und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit neue Perspektiven geben. Die derzeit gegen Russland verhängten Sanktionen aufgrund des russischen Vorgehens in der Ukraine sieht Seehofer "kritisch", wie er in Moskau mehrfach betonte.

Hätte er es dabei belassen, diese Absichten zu betonen und mit dem Gespräch mit Putin eine für den Herbst geplante große Delegationsreise vorzubereiten, wäre wohl außer der üblichen Häme nicht viel passiert. Doch wagte sich Seehofer, sekundiert von dem früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), auf dem diplomatischen Parkett etwas zu weit heraus. "Schießereien" fänden derzeit noch in der Ukraine statt. Bei diesen "Schießereien" sind bisher rund 9.000 Menschen gestorben. Weiß er wirklich, wovon er redet?

Ein Korrespondent von Spiegel Online ist wohl anderer Meinung: "Die meisten Reporter (bei Seehofers Abschluss-Pressekonferenz in Moskau) reisen regelmäßig auch in die Ukraine. Sie haben von der Krim berichtet und dort die Spezialkräfte von Moskaus Armee mit eigenen Augen gesehen, während Putin der Weltöffentlichkeit ins Gesicht log, dort operierten nur Bürgerwehren. Woher nehmen die beiden Gäste aus München die Gewissheit, auf das Wort des russischen Präsidenten vertrauen zu können?" Seehofer spricht dagegen von "Grundvertrauen", das er Gesprächspartnern grundsätzlich entgegenbringe.

Am großen Rad der Außenpolitik mitdrehen

Immerhin betont er auch, dass beiden Seiten aus dem Minsker Abkommen noch "Hausaufgaben" gestellt seien, deren Erledigung dazu führen könnte, dass das ständige Mit-dem-Finger-aufeinander-Zeigen ein Ende hat. Auf die - womöglich doch recht hinterhältige - Frage eines Moskau-Korrespondenten, ob auch Putin verstanden habe, dass es für die aktuellen Konflikte keine militärische Lösung gibt, lässt sich Seehofer zu einem "Ja" hinreißen. Er mag es etwas differenzierter meinen. Aber was ankommt, ist: Ein bayerischer Landespolitiker will am großen Rad der Außenpolitik mitdrehen. Ob der dieser Aufgabe gewachsen ist, dürfte so mancher bezweifeln.

Wollte Seehofer etwas zu viel? Gefiel er sich in der Rolle des Hilfs-Außenministers doch etwas zu gut? Das Medienecho fällt nach Ende seiner dreitägigen Moskau-Reise kritischer aus, als es Seehofer sich gewünscht haben kann. Dabei sagte er bei seiner Pressekonferenz selbst noch: In vielen politischen Fragen müsse man manchmal als Politiker "das Wasser halten können", um in der Sache zu Lösungen zu kommen.

In fast 40 Jahren Politik habe er sich nie instrumentalisieren lassen, sagt Seehofer. Der TV-Sender RT schreibt dagegen auf seiner Internetseite: "Der Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten in Moskau: ein Sieg des gesunden Menschenverstandes über die antirussischen Sanktionen". Andere Medien lobten den Besuch des Merkel- und Sanktionskritikers Seehofer.

Wäre er dabei geblieben, rein bayerische Interessen zu vertreten, zumal die Wirtschaftskontakte zwischen Russland und dem Freistaat bisher besonders stark ausgeprägt waren und die bayerische Wirtschaft die Sanktionen besonders zu spüren bekommt, wäre vieles von der Kritik ins Leere gelaufen. Am Ende wollte Seehofer jedoch wohl doch ein bisschen zu viel.