Politik
Kim zeigt sich mit Tochter: Was plant Nordkoreas Machthaber?
18. März 2023, 9:41 Uhr aktualisiert am 18. März 2023, 22:16 Uhr
Als wäre es das Normalste der Welt: Mal spaziert sie Hand in Hand mit ihrem Vater vor einer startbereiten Rakete, begleitet ihn zu einer Artillerie-Schießübung oder klatscht beim gemeinsamen Besuch einer Militärparade lächelnd in die Hände. Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat in den vergangenen Monaten mehrfach seine Tochter in der Öffentlichkeit präsentiert - überwiegend in militärischer Umgebung. Dabei ist das pausbackige Mädchen mit den langen schwarzen Haaren laut Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes vermutlich erst zehn oder elf Jahre alt. Es soll demnach auf den Namen Ju Ae hören und eines von möglicherweise drei Kindern Kims und seiner Frau Ri Sol Ju sein.
Der plötzliche, und von den Staatsmedien dokumentierte Auftritt des Mädchens versetzte die Beobachter im Ausland in Erstaunen. Für das weithin verschlossene Nordkorea ist es keine Selbstverständlichkeit, dass die Kinder des Machthabers öffentlich präsentiert werden. "Dass Kim Jong Un mit seiner Tochter auftritt, ist etwas Neues", sagt dann auch der langjährige Projektleiter der Hanns-Seidel-Stiftung in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, Bernhard Seliger.
Ihre Auftritte schürten im Ausland neue Spekulationen um die Pläne Kims. Will er seine Tochter zu seiner Nachfolgerin in dem auch als kommunistische Erbdiktatur beschriebenen Land aufbauen, wie manche Experten in Südkorea mutmaßen? Oder ist sie letztlich nur Teil einer Propagandaoffensive?
Nordkorea selbst gab bisher keine anderen Informationen über das Kind preis, als dass es die "geliebte" Tochter Kim Jong Uns sei. Auch am Freitag nicht, als die offizielle Zeitung "Rodong Sinmun" Bilder von ihr zeigte, wie sie ihren Vater abermals zu einem neuen Test einer Interkontinentalrakete (ICBM) begleitete.
Die Staatsmedien hatten im November erstmals Fotos der Tochter veröffentlicht. Dass Kim damals den Test zu einem Familienausflug nutzte, werteten Beobachter auch als Propagandakniff. Kim wolle die Botschaft vermitteln, dass der Aufbau einer Atomstreitmacht trotz teils großer Not im eigenen Land der richtige Weg zum Schutz künftiger Generationen sei. "Er ist ein guter Vater, der seine Familie schützt, wie er auch die Nation schützt", twitterte der Ostasien-Experte John Delury.
Für die Führung des Landes gelten Atomwaffen, deren wichtigste Trägermittel ICBM sind, als Überlebensgarantie und wirksame Abschreckung gegen die USA. Für seine Kernwaffenentwicklung, die von den USA und ihren Verbündeten als ernste Bedrohung wahrgenommen wird, nimmt Pjöngjang auch heftige internationale Sanktionen in Kauf.
Südkoreas Geheimdienst berichtete zuletzt vor Abgeordneten in Seoul, Ju Ae besuche keine öffentliche Schule, werde privat unterrichtet und ihre Hobbys seien Reiten, Skifahren und Schwimmen. Das einzige, was bestätigt werden könne, sei, dass Kim Jong Un eine Tochter habe, dir Ju Ae heiße und eine jüngere Schwester habe, sagte dazu ein Regierungsbeamter in Seoul. "Alles andere ist nicht bestätigt." Selbst, ob es noch ein "erstgeborenes Kind" gebe und ob dieses ein Junge oder ein Mädchen sei, könne nicht eindeutig gesagt werden.
Für die meisten Beobachter steht jedoch außer Zweifel, dass auch Kim Jong Un die dynastische Erbfolge fortsetzen will. Es sei aber einfach zu früh, die Tochter als potenzielle Nachfolgerin zu sehen, sagte jüngst Südkoreas Vereinigungsminister Kwon Youn Se in einem lokalen Radiointerview. "Zunächst, Kim Jong Un ist erst etwa 40 Jahre alt." Auch sei Nordkorea extrem patriarchalisch eingestellt, was eher gegen eine Nachfolgerin spreche. Es sei aber auch klar, "dass sie (Nordkorea) einen Machttransfer in vierter Generation planen", sagte Kwon in Anspielung auf die Machtübergabe an Kim Jong Un - einem Enkel des "ewigen Präsidenten" Kim Il Sung - vor zwölf Jahren.
Seliger vermutet, für die Auftritte der Tochter gebe es letztlich mehrere Gründe. So sei es möglich, dass sich Kim in ihrer Begleitung schlicht menschlicher zeigen wolle. Am wahrscheinlichsten sei es aber, dass Kim die Tochter auf eine bestimmte Rolle vorbereite, ohne sie unbedingt als Nachfolgerin vorzusehen. So könne sie in die Rolle einer "möglichen Stütze des künftigen Erben" schlüpfen, so Seliger.
Er verweist darauf, dass Ju Ae auch schon auf Briefmarken verewigt wurde, die sie zusammen mit ihrem Vater zeigen. "Briefmarken sind für Nordkorea ein sehr wichtiges Propagandamittel." Die Abbildung einer bestimmten Person könne schon die Bestätigung einer offiziellen Rolle sein. Aber auch die Nachfolge-These will Seliger nicht von der Hand weisen. Wichtig sei eben für Pjöngjang, dass die "Blutlinie der Herrscherfamilie" fortgesetzt werde. Das müsse dann eben nicht unbedingt ein Mann sein.
Beobachter vermuten, dass die Diskussion um die Tochter auch bei den gewöhnlichen Nordkoreanern angekommen ist. "Aber wie sie ankommt, ist eben die Frage", sagt Seliger. Am Ende bleibe vieles im Dunkeln. "Wir müssen feststellen, dass wir letztlich zu wenig über die Hintergründe wissen."