Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage


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Die Ukraine wehrt sich seit mehr als zwei Jahren mit westlicher Hilfe gegen die russische Invasion.

Von dpa

Die EU beginnt heute die Gespräche für spätere Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau. Die Unterredungen werden am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg organisiert, nachdem in der vergangenen Woche die sogenannten Verhandlungsrahmen beschlossen worden waren. Mit ihnen werden die Leitlinien und Grundsätze für die Verhandlungen festgelegt. Es handelt sich nur um den Startschuss für den Prozess, Verhandlungen im eigentlichen Sinne gibt es noch nicht.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem "historischen Ereignis". "Das ist der Tag, auf den die Ukraine seit Jahrzehnten zustrebt. Und nun wird es Wirklichkeit. Die Ukraine wird niemals vom Pfad zu einem vereinten Europa abzubringen sein, zu unserem gemeinsamen Zuhause für alle europäischen Nationen", sagte Selenskyj in einer Videobotschaft.

Der Beginn von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und deren kleinem Nachbarstaat Moldau war bereits bei einem EU-Gipfel im Dezember grundsätzlich beschlossen worden. Gleichzeitig wurde aber vereinbart, dass vor dem Verhandlungsstart alle Reformauflagen erfüllt sein müssen. Dies bescheinigte die zuständige EU-Kommission der Ukraine erst in diesem Monat, nachdem unter anderem Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, für einen besseren Schutz von nationalen Minderheiten und zur Einschränkung des politischen Einflusses von Oligarchen ergriffen worden waren.

Europastaatsministerin Anna Lührmann (Grüne) sagte: "Heute ist ein historischer Tag für Europa! Wir eröffnen die EU-Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau." Ihr Besuch in der Ukraine und in Moldau vorige Woche habe sie beeindruckt. "Beide Länder haben trotz der russischen Bomben, der Desinformations-Kampagnen und der Destabilisierungversuche große Fortschritte erzielt", sagte sie.

Für die Menschen in der Ukraine gilt die Eröffnung von EU-Beitrittsverhandlungen vor allem als wichtiges Zeichen dafür, dass es sich lohnt, den Abwehrkampf gegen Russland weiter fortzusetzen. Wie lange es nach einem Start der Gespräche bis zum EU-Beitritt dauern könnte, ist aber völlig offen.

Theoretisch könnte ein Beitrittskandidat auch nie Mitglied werden. Bei der Ukraine gilt es derzeit so auch als ausgeschlossen, dass sie vor dem Ende des russischen Angriffskriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew nach Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen Beistand einfordern - und die EU wäre Kriegspartei.

Die Ukraine wehrt sich seit mehr als zwei Jahren mit westlicher Hilfe gegen die russische Invasion. Nach Berichten über hohe Verluste in den ukrainischen Streitkräften hat Präsident Selenskyj den Generalleutnant Jurij Sodol vom Posten des Kommandeurs der Vereinigten Kräfte entlassen. Gründe für den Schritt nannte er nicht. Zuvor hatte aber der Stabschef der umstrittenen Asow-Brigade, Bohdan Krotewytsch, Medien zufolge Anzeige gegen Sodol erstattet. Er warf dem Kommandeur fahrlässige Befehle vor, die zu großen Verlusten geführt hätten.

Medien zufolge gab es nicht zuletzt in der Obersten Rada, dem Parlament in Kiew, Vorwürfe gegen Sodol: Er habe ukrainische Soldaten schlecht auf Einsätze vorbereitet - zum Beispiel in der umkämpften Region Charkiw.

In seiner Videobotschaft verurteilte Selenskyj außerdem einen russischen Raketenangriff auf die Stadt Pokrowsk im ostukrainischen Gebiet Donezk. Vier Menschen seien getötet, Dutzende weitere verletzt worden, sagte der Präsident. Er kündigte einen Vergeltungsschlag nach dem russischen Angriff an. "Und unsere Antwort wird ganz fair sein."

Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig hat sich indes bei einem einstündigen Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew für die Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union stark gemacht. Die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns traf Selenskyj in Kiew unmittelbar vor dem offiziellen Beginn der Beitrittsverhandlungen in Luxemburg.

Selenskyj habe sich ausdrücklich für die Hilfe der Bundesregierung bedankt, sagte Schwesig. Sie wies darauf hin, dass die ukrainischen Streitkräfte nun vor allem mit weiteren Luftverteidigungssystemen unterstützt werden müssten. Ein derzeit in Mecklenburg-Vorpommern zu Ausbildungszwecken stationiertes Patriot-System soll in Kürze geliefert werden. "Es ist jetzt wichtig, dass es in die Ukraine kommt, um die Bevölkerung weiter vor russischen Angriffen zu schützen", sagte Schwesig. "Das ist jetzt dringend notwendig."

Ukrainische Sicherheitskräfte haben im Gebiet Odessa im Süden des Landes 100 Männer an der illegalen Flucht aus dem Kriegsland gehindert. Vergangenen Freitag sei eine Gruppe von 47 Männern in vier Kleinbussen auf dem Weg zur Grenze gestoppt worden, teilte das staatliche Ermittlungsbüro mit. Weitere 53 Männer seien auf dem Weg zu einem "Sammelpunkt" angehalten worden. Sie sollten unter Umgehung von Kontrollpunkten an eine Grenze gefahren werden und diese zu Fuß überschreiten.

Die Fluchthelfer haben den Angaben nach umgerechnet zwischen 4600 und über 17.000 Euro von jedem Mann kassiert. Die Fluchtwilligen seien über soziale Netzwerke gesucht worden. Bei diesen beiden Gruppen sollen insgesamt umgerechnet über 900.000 Euro geflossen sein. Die Fluchthelfer, darunter ein Polizist, wurden vorläufig festgenommen. Ihnen drohen bis zu neun Jahren Gefängnis.

Die EU hatte zuvor ihr 14. Sanktionspaket beschlossen, um Russlands Kriegswirtschaft zu stoppen. Moskau tat die neuen Strafmaßnahmen aber einmal mehr als wirkungslos ab. Vielmehr schade sich die EU wieder selbst, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Der Westen schaue weder auf die Folgen für die eigene Wirtschaft noch für den Wohlstand der Menschen in der EU, sagte Vize-Außenminister Alexander Gruschko.

"Der Sinn der Sanktionen bestand darin, die russische Wirtschaft zu strangulieren, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu zerstören. Erreicht hat die EU das Gegenteil", sagte Gruschko. Russland warnte zudem vor erneut steigenden Energiepreisen in der EU.

Die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten billigten die Sanktionen in Luxemburg zusammen mit weiteren neuen Strafmaßnahmen wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Das Außenministerium in Moskau teilte mit, dass im Gegenzug weitere Vertreter aus Politik und Wirtschaft sowie von Institutionen aus der EU mit einem Einreiseverbot in Russland belegt würden. Details wurden nicht genannt.

Das Sanktionspaket beinhaltet erstmals weitreichende Sanktionen gegen Russlands milliardenschwere Geschäfte mit Flüssigerdgas (LNG). Vorgesehen ist, dass Häfen wie der im belgischen Zeebrugge künftig nicht mehr zur Verschiffung von russischem LNG in Drittstaaten genutzt werden dürfen. Dies soll dazu führen, dass Russland wegen mangelnder Transportkapazitäten weniger Flüssigerdgas verkaufen kann und weniger Gewinne erzielt, die für die Fortsetzung des Angriffskriegs gegen die Ukraine verwendet werden könnten.

Russische Analysten sprachen von einem Schlag gegen LNG-Produzenten. Allerdings seien die Sanktionen vergleichsweise weich; und es gebe eine Übergangszeit, die es russischen Unternehmen ermögliche, wie etwa beim Ölembargo neue Abnehmer und alternative Routen zu finden. Schon jetzt profitieren Indien und China - insgesamt der asiatische Raum - von den vergleichsweise günstigen Energie-Angeboten der Rohstoffgroßmacht Russland.

Der Internationale Strafgerichtshof hat zudem wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehle gegen den früheren russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu sowie Generalstabschef Waleri Gerassimow erlassen. Das teilte das Gericht in Den Haag mit.

Schoigu war im Mai vom russischen Präsidenten Wladimir Putin als Verteidigungsminister entlassen worden. Das Gericht hatte bereits zuvor auch einen Haftbefehl gegen Putin erlassen.

Den Männern werden gezielte Angriffe auf zivile Ziele zur Last gelegt. So gebe es Hinweise, dass sie verantwortlich seien für gezielten Bombardierungen der russischen Armee auf das Elektrizitätsnetz der Ukraine von Oktober 2022 bis mindestens März 2023.

Der nationale Sicherheitsrat in Russland, dessen Sekretär Schoigu nach seiner Entlassung als Minister inzwischen ist, nannte die Entscheidung lächerlich und unbedeutend, da sich die Kompetenzen des Internationalen Strafgerichtshofs nicht auf Russland erstreckten. Das Urteil "ist im Rahmen des hybriden Kriegs des Westens gegen unser Land getroffen worden", heißt es in der von russischen Nachrichtenagenturen verbreiteten Erklärung des Sicherheitsrats.

Selenskyj begrüßte die Haftbefehle wegen der "wahllosen Bombardements". "Diese barbarischen Raketen- und Drohnenangriffe dauern an, töten Menschen und richten in der gesamten Ukraine Schaden an", schrieb der Staatschef in sozialen Netzwerken. Jeder Beteiligte solle wissen, dass eine Strafverfolgung unvermeidlich sei. "Wir warten mit Ungeduld auf weitere Haftbefehle, um Russland das Gefühl der Straflosigkeit zu nehmen", betonte Selenskyj.

Kurz nach seiner Wiederwahl wird Indiens Regierungschef Narendra Modi in Russland erwartet. "Ich kann bestätigen, dass wir die Visite des indischen Premierministers vorbereiten", sagte der außenpolitische Berater von Kremlchef Wladimir Putin, Juri Uschakow.

Von der indischen Regierung gab es keine Bestätigung. Indiens Nachrichtenagentur PTI schrieb unter Berufung auf diplomatische Kreise, ein Besuch des Regierungschefs in Moskau werde Anfang Juli erwogen. Laut der russischen Nachrichtenagentur Tass steht hingegen schon der Termin am 8. und 9. Juli fest.


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