Bundestagswahl
Merkel contra Merz bei Migrations-Wahlkampf
30. Januar 2025, 03:56 Uhr
Die einen sagen, die Brandmauer zur AfD sei gefallen. Die anderen bestreiten das vehement. Über eins kann es nach der Abstimmung über die Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag aber keinen Zweifel geben: Dass die Union ihren Fünf-Punkte-Plan mit Hilfe der AfD durchgesetzt hat, wird nicht nur die verbleibenden vier Wochen im Bundestags-Wahlkampf bestimmen. Es wird auch für die Zeit danach Auswirkungen haben, deren Ausmaß noch nicht abzuschätzen ist.
Der 29. Januar 2025 sei "wahrscheinlich ein ganz bedeutender Tag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" gewesen, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Abend in der ARD-Sendung "Maischberger". Die Union habe einen Konsens aufgekündigt, den es die ganze Nachkriegsgeschichte über unter den Demokraten in Deutschland gegeben habe. "Den Konsens, nämlich, dass es keine Zusammenarbeit der demokratischen Parteien mit der extremen Rechten gibt. Heute ist das passiert."
Das bestreitet Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Zum Thema Zusammenarbeit mit der AfD sagt er: "Da können jetzt AfD-Leute triumphieren, wie sie wollen, die wird es nicht geben." Er sei aber auch nicht länger bereit, sich "von einer Minderheit davon abbringen zu lassen, Abstimmungen herbeizuführen, die in der Sache richtig sind."
Auf dem Papier ist die Union die Siegerin des Tages. Sie hat ihren Fünf-Punkte-Plan für eine Verschärfung der Bekämpfung der irregulären Migration, der unter anderem mehr Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen vorsieht, gegen den Willen der Minderheitsregierung von SPD und Grünen mit knapper Mehrheit durch den Bundestag gebracht. Der hohe Preis: Die AfD war erstmals Mehrheitsbeschafferin. Und wofür? Der Antrag bewirkt erstmal nichts. Die Regierung ist daran nicht gebunden.
Die eigentliche Siegerin ist daher eine andere: Die AfD. Sie hat die komplette Ausgrenzung durch die anderen Parteien im Bundestag durchbrochen und spricht nun vom Beginn einer "neuen Epoche".
Auf diese Frage gibt es an diesem Freitag eine erste Antwort. Dann geht es nicht nur um einen Antrag mit Appell-Charakter, sondern ein Gesetz mit konkreten Regelungen zur Eindämmung der Migration. Und die Union macht keine Anstalten, davon nach dem Eklat im Bundestag noch abzusehen. Laut Entwurf wollen CDU und CSU etwa "das Wort Begrenzung der Zuwanderung" wieder ins Aufenthaltsgesetz aufnehmen, wie Merz in der ARD sagte. "Wer könnte dagegen sein?"
Der CDU-Chef bot SPD und Grünen noch Verhandlungen für eine Zustimmung an, doch das Echo blieb vorerst aus. Erneute Zustimmung signalisiert hat bereits die AfD - ebenso wie FDP und BSW. Es könnte also wieder eine Mehrheit jenseits der Regierungskoalition und mit der AfD geben. Und diesmal zählt sie: Der Beschluss würde konkrete Veränderungen nach sich ziehen - eine neue Dimension.
Wege aus der Wirtschaftskrise, Ukraine-Hilfe, Steuerkonzepte - das waren bisher die wichtigsten Themen im Wahlkampf. Jetzt stehen zwei andere ganz oben und überlagern alles andere: Wie hart soll sich Deutschland gegen irreguläre Migration abschotten? Und wie gehen die anderen Parteien mit der AfD um, die vom Verfassungsschutz als teilweise rechtsextremistisch eingestuft wird, aber in den Umfragen auf ein Fünftel der Stimmen kommt.
SPD und Grüne sind beim Thema Migration eher in der Defensive und sehen vor allem ein Problem bei der Umsetzung bestehender Maßnahmen. Die in den Umfragen zwischen 14 und 17 Prozent stagnierende SPD will nun aber mit Warnungen vor einer schwarz-blauen Koalition punkten.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz habe "bewusst kalkuliert hingenommen", dass die AfD seinem Antrag zustimmt, obwohl er lange das Gegenteil versichert habe, sagte Scholz in der ARD. "Und deshalb, finde ich, kann ich ihm nicht mehr trauen." Für ihn gehe es bei der Bundestagswahl nun darum, eine Mehrheit von Union und AfD zu verhindern.
Merz hält dagegen und versichert, dass eine Koalition mit der AfD für ihn nicht infrage komme. Am Tag nach der Wahl seien Stimmen für die AfD für das Ziel eines Politikwechsels deswegen "nichts mehr wert". Aber was bedeutet der Eklat im Bundestag für eine Zusammenarbeit zwischen den sogenannten Parteien der Mitte, also CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP?
Von der Grünen-Fraktionsführung kam trotz heller Empörung keine Absage an Schwarz-Grün. Der Vorsitzende der Grünen Jugend, Jakob Blasel, sagte dagegen dem Spiegel, solange Merz an der Spitze stehe, "dürfen die Grünen keine Koalition mit CDU und CSU eingehen".
Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.