AZ-Interview
Paragraf 219a: "Das kann mit keiner Logik gerechtfertigt werden"
6. Februar 2019, 19:06 Uhr aktualisiert am 6. Februar 2019, 19:06 Uhr
Paragraf 219a: Das Kabinett billigt den Kompromiss, die Kritiker kämpfen weiter für ein Ende des Werbeverbotes. Zu diesen Kritikerinnen gehört Theresa Köchl - ein AZ-Interview.
Die Neuburgerin Theresa Köchl (22) studiert in Berlin und gehört dem Kollektiv "Stimmrecht gegen Unrecht" an.
Frauen sollen sich künftig einfacher über Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch informieren können. Das Kabinett billigte am Mittwoch den mühsam gefundenen Kompromiss zum sogenannten Werbeverbot in Paragraf 219a des Strafgesetzbuches. Stimmt auch der Bundestag zu, dürfen Ärzte und Kliniken künftig über die Tatsache informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
Für weitere Details müssen sie aber auf Behörden, Beratungsstellen und Ärztekammern verweisen. Der Kompromiss sieht außerdem vor, dass im Internet und bei den Beratungsstellen Listen mit Ärzten und Krankenhäusern geführt werden, an die sich schwangere Frauen wenden können. Außerdem sollen Verhütungspillen länger von der Krankenkasse bezahlt werden - bis zum 22. Geburtstag und nicht wie bisher bis zum 20.
Es gibt dennoch zahlreiche Gegnerinnen und Gegner des Vorhabens, die eine Streichung des Paragrafen fordern. Zu diesen Kritikerinnen gehört Theresa Köchl. Die 22-Jährige studiert Deutsche Literatur und Gender Studies an der Humboldt-Universität in Berlin und stammt aus Neuburg an der Donau. Sie gehört dem Kollektiv "Stimmrecht gegen Unrecht" an und hofft, dem Gesetz noch eine Wendung geben zu können. Die AZ hat mit ihr gesprochen.
Theresa Köchl. Foto: privat
AZ: Frau Köchl, Sie arbeiten im Kollektiv "Stimmrecht gegen Unrecht" mit. Wir kennen das Kollektiv noch nicht - stellen Sie es uns doch bitte kurz vor.
THERESA KÖCHL: Wir sind Studierende verschiedenster Fachrichtungen aus Berlin, die ihre Stimme gegen politische und soziale Ungerechtigkeiten einsetzen. Unsere Generation ist gerade im Begriff, sich bewusst zu politisieren, wieder zu protestieren. Wir versuchen über Sachverhalte, die uns alle betreffen, verständlich zu informieren. Unser Ziel formuliert sich durch das Schaffen eines Raumes, der offen für Austausch ist und dazu auffordert, eine politische Haltung zu entwickeln. Momentan liegt unsere Konzentration auf dem neuen Gesetzesentwurf für den Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch, der die "Werbung für Schwangerschaftsabbrüche" verbietet.
Wie definiert sich Ihre Art von Protest?
In erster Linie versuchen wir, durch unseren Protest Aufmerksamkeit zu generieren. Dabei fokussieren wir uns weniger auf die Straße als auf Institutionen. Wir suchen bewusst den respektvollen Dialog mit Machtvertretern und Einflussnehmern. Im Oktober 2018 und im Januar dieses Jahres haben wir beispielsweise einen bundesweiten Briefappell an die SPD organisiert. Zusätzlich nutzen wir soziale Medien wie Instagram, um die Medienlandschaft positiv mit beeinflussen zu können.
Was hat Sie zur Mitarbeit im Kollektiv bewogen?
Wie viele andere haben auch wir über politische Belange nur private "Küchentischgespräche" geführt. Nur zu diskutieren hat uns irgendwann nicht mehr gereicht, wir wollten tatsächlich handeln. Dass im Jahr 2019 immer noch nicht ausreichend über Schwangerschaftsabbrüche informiert werden darf, kann mit keiner Logik gerechtfertigt werden. Unseren Ärger über die Bevormundung von Frauen und die Kriminalisierung von Ärztinnen und Ärzten nutzen wir als Motivation. Unser größtes Ziel ist dabei die Streichung des Paragrafen 219a. Um diese Veränderung hervorzurufen, arbeiten wir gerade an einem öffentlichen Bewusstsein für die Problematik dieses Gesetzes.
Union und SPD haben sich auf einen Gesetzentwurf zum 219a geeinigt, die Weitergabe von Informationen über das Thema Schwangerschaftsabbruch wird praktisch untersagt. Der Entwurf geht jetzt in den Bundestag. Haben Sie und das Kollektiv Hoffnung, noch Einfluss nehmen zu können? Und wenn ja, wie?
Obwohl die Uhr tickt, bedeutet das nicht, dass wir keine Zeit mehr haben. Wir werden in den nächsten Monaten den Druck auf die SPD-Abgeordneten erhöhen. Ursprünglich hat sich die Partei für eine Streichung des Paragrafen ausgesprochen. Gerade die SPD, die momentan stark an Wählern einbüßen muss, sollte sich der Wichtigkeit einzelner Stimmen bewusst werden. Neben unserem Kollektiv gibt es bundesweit noch weitere Gruppen, die sich für eine Streichung des Paragrafen 219a aussprechen. Wir werden gemeinsam an einem Strang ziehen und zeigen, dass schon jeder Einzelne etwas bewirken kann.