Wachsende Bezüge
3,5 Prozent mehr - Rente und Regierungschaos
8. November 2024, 9:07 Uhr
Die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland können sich im kommenden Jahr auf eine Erhöhung ihrer Bezüge um rund 3,5 Prozent einstellen. Das geht aus dem Entwurf für den Rentenversicherungsbericht 2024 hervor, der der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt.
Niedriger als heute lag die Inflationsrate zuletzt vor mehr als drei Jahren, im Februar 2021. Grund für die gedämpfte Inflation sind "insbesondere die erneuten Preisrückgänge bei Energie", wie die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand, erläutert. Aber im vergangenen Juli sind die Renten noch kräftiger gestiegen als nun für 2025 vorhergesagt: um 4,57 Prozent.
Noch nicht. Erst im Frühjahr 2025 legt das Bundeskabinett fest, wie die Renten tatsächlich steigen - je nach aktueller Konjunkturlage und Lohnentwicklung. Vor einem Jahr lagen die Schätzerinnen und Schätzer auch daneben und sagten eine Steigerung von mehr als einem Prozentpunkt niedriger voraus, als es dann tatsächlich war.
Genannt wird die Zahl etwas versteckt im Rentenversicherungsbericht in Übersicht B 14 auf Seite 47. Erstellt wurden sämtliche Prognosen aus dem Bericht von einem Schätzerkreis aus Fachleuten der Rentenversicherung, des Bundesamts für Soziale Sicherung und von Heils Ressort. Unter die Lupe genommen haben sie Löhne, Gehälter und Konjunktur im Land.
Schon die jüngste Rentenerhöhung im Sommer war erstmals bundeseinheitlich - vorher klafften die Renten in Ost und West über Jahrzehnte auseinander. Dass der Rentenversicherungsbericht ausgerechnet an Tag zwei nach dem Ampel-Bruch herauskommt, ist vor allem den turnusgemäßen Abläufe bei der Schätzung geschuldet, wie es hieß.
Nein. Die Rentenentwicklung und ihre Berechnung sind gesetzlich festgelegt und Deutschland wird immer zumindest eine geschäftsführende Regierung haben, die entsprechende Verordnungen beschließen kann.
Das Geld für die Rentenkasse, so wie es jetzt aus Beiträgen und Steuern fließen, reicht weniger lange als bisher gedacht. Der Beitragssatz dürfte - Stand heute - wohl schon 2027 steigen - von 18,6 auf 18,9 Prozent. Bisher war man davon ausgegangen, dass er erst 2028 steigt. Grund: Die Entwicklung der Beitragseinnahmen bleibt deutlich hinter den Annahmen des Sommers zurück.
Hier sind es vor allem die geringeren Steuerzuschüsse, die negativ bei der Beitragsentwicklung niederschlagen. Weniger Steuern für die Rente und höhere Beiträge: So kann man das kurz zusammenfassen. Höhere Kosten bringen auch die Rentenbeschlüsse der Wachstumsinitiative, die die inzwischen beendete Ampel-Regierung entwickelt hat. So sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine höhere Rente bekommen, wenn sie über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus arbeiten - durch eine "Rentenaufschubprämie".
Bei mindestens einem Jahr längerer Arbeit kann man sich die höheren Anwartschaften auf einen Schlag auszahlen lassen. Die Prämie soll bis zu drei Jahre angespart werden dürfen und zum Start in den Ruhestand ausgezahlt werden.
Auf die längerfristige Entwicklung. Die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge gehen immer zahlreicher in den Ruhestand. Rund ein Drittel der Wahlberechtigten in Deutschland hat bereits das Rentenalter erreicht. Das kostet. Zugleich fallen die Neurentnerinnen und -rentner als Beitragszahler weg. Die Ampel will deshalb das Rentenniveau bis 2039 stabil bei 48 Prozent halten, also das Verhältnis der Rente zu den Löhnen in Deutschland. Das war vor allem SPD und Grünen wichtig und würde dazu führen, dass die Renten stabil bleiben - allerdings würde es etliche Milliarden mehr kosten.
Damit die Beitragszahlerinnen und -zahler, also die Unternehmen und die Versicherten, nicht überfordert werden, will die Regierung neue Zinsen erwirtschaften. Dazu soll mit Bundesschulden ein Kapitalstock zur Anlage auf dem Aktienmarkt aufgebaut werden. Dafür hatte die FDP gekämpft. Die Ampel-Parteien hatten seit Monaten über das Rentenpaket gestritten.
Auch das haben die Schätzerinnen und Schätzer berücksichtigt. Sie gehen davon aus, dass ab 2036 Erträge aus der "Generationenkapital" genannten Aktienmarkt-Anlage an die Rentenkasse ausgeschüttet werden - in Höhe von zehn Milliarden Euro jährlich. Langfristig - so die Schlussfolgerung - würden sich negative Effekte jüngster Sparbeschlüsse und der Wirtschaftslage auch deshalb nicht so stark niederschlagen.
Ob das Reformpaket kommt, ist nach dem Austritt der FDP aus der Regierungskoalition aber unklar. SPD und Grünen fehlt die Mehrheit im Bundestag. Die Union hatte bereits eigene, völlig andere Rentenvorstellungen präsentiert.
Heil kündigte trotz Ampel-Aus an, das von Ex-Finanzminister Christian Lindner und ihm eingebrachte Rentenpaket noch durch den Bundestag bringen zu wollen. Er werde dafür sorgen, dass es mit der Reform weitergehe, sagte er in einem ZDF-"Spezial". Er setze darauf, dass dieses Jahr noch Entscheidungen getroffen würden, die Deutschland brauche und die Anfang kommenden Jahres in Kraft treten sollten.
Heil sagte, er werde sich intensiv um Mehrheiten für das Rentenpaket bemühen. "Um die werden wir auch kämpfen", kündigte der SPD-Politiker an. CDU-Chef Merz machte im Bundestag aber erneut deutlich, dass die Union schnelle Neuwahlen fordert. Man wolle SPD und Grünen nicht als Mehrheitsbeschaffer für einzelne Gesetze dienen.
Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.