Bundestagsdebatte
Scholz scheitert mit Vertrauensfrage - Weg für Neuwahlen frei
16. Dezember 2024, 13:41 Uhr aktualisiert am 16. Dezember 2024, 17:59 Uhr
Olaf Scholz hat die Vertrauensfrage gestellt und die Bundestagsabgeordneten haben heute darüber abgestimmt. Scholz hat die Vertrauensfrage wie erwartet verloren. Der Bundeskanzler wird heute Nachmittag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bitten, den Bundestag aufzulösen. Damit ist der Weg frei für Neuwahlen. Bis nach den Neuwahlen eine neue Regierung gebildet wurde, bleibt die amtierende Bundesregierung im Amt.
Um die Vertrauensfrage zu gewinnen, hätte der Kanzler 367 Stimmen gebraucht. Aber nur 207 Abgeordnete sprachen Olaf Scholz das Vertrauen aus, 394 stimmten gegen ihn und 116 Abgeordnete enthielten sich.
Die meisten Fraktionen stimmten geschlossen ab
Bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage im Bundestag haben drei AfD-Abgeordnete und drei Fraktionslose ihre Stimme für Kanzler Olaf Scholz (SPD) abgegeben. Unter Letzteren war der aus der FDP ausgetretene Verkehrs- und Justizminister Volker Wissing. Außerdem gab es bei der AfD eine Enthaltung. Die anderen Fraktionen stimmten geschlossen ab, wie die vom Bundestag veröffentlichten Abstimmungslisten zeigen.
Bei der SPD votierten alle an der Abstimmung teilnehmenden Abgeordneten für Scholz, bei der CDU/CSU alle gegen ihn. Alle anwesenden Grünen-Abgeordneten enthielten sich. Alle FDP-Abgeordneten stimmten gegen Scholz, hier fehlten zwei Parlamentarier. Linke und BSW stimmten ebenfalls einstimmig gegen den Sozialdemokraten. Dagegen sprachen von der AfD Christina Baum, Edgar Naujok und Jürgen Pohl dem Kanzler das Vertrauen aus, der frühere Parteichef Alexander Gauland enthielt sich der Stimme.
Olaf Scholz hat nun Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gebeten, den Bundestag aufzulösen.
Bundespräsident will Gespräche mit Fraktionen führen
Der Bundespräsident hat nun 21 Tage Zeit sich zu entscheiden, ob er einer Auflösung des Bundestages zustimmt und eine Neuwahl innerhalb von 60 Tagen ansetzt. Da es im Bundestag eine große Einigkeit darüber gibt, dass die ursprünglich für den 28. September 2025 geplante Bundestagswahl vorgezogen werden soll, gilt die Zustimmung Steinmeiers als sicher. Er hat auch schon signalisiert, dass er mit dem angestrebten Termin 23. Februar einverstanden ist.
Steinmeier will aber zunächst Gespräche mit allen Fraktionen und Gruppen im Bundestag führen, in dem insgesamt acht Parteien vertreten sind. Das sei "gute Staatspraxis in Deutschland", sagte er in einem am Wochenende veröffentlichten ARD-Interview und mahnte Ruhe und Sorgfalt in dem weiteren Verfahren an. "Wir sollten jetzt nicht huddeln. Die Hektik der Tagespolitik und die Schlagzahl der Medien gibt jetzt nicht das weitere Verfahren vor, sondern die Verfassung und ihre Regeln."
Kritik an der FDP und Botschaft an die Wähler
Vor der namentlichen Abstimmung hatte Olaf Scholz seine Rede zur Vertrauensfrage im Bundestag zu heftiger Kritik am früheren Koalitionspartner FDP genutzt. Ihre "wochenlange Sabotage" habe nicht nur der Regierung, sondern auch der Demokratie insgesamt geschadet, sagte er. Und an die Adresse von FDP-Chef Christian Lindner: "In eine Regierung einzutreten, dafür braucht es die nötige sittliche Reife." Unions-Fraktionschef Friedrich Merz nannte die Attacke in seiner Erwiderung "nicht nur respektlos", sondern sie sei auch eine "blanke Unverschämtheit".
Scholz bekräftigte in seiner Rede, dass er die Vertrauensfrage mit dem Ziel einer um sieben Monate vorgezogenen Wahl des Parlaments stellt. "Bei dieser Wahl können dann die Bürgerinnen und Bürger den politischen Kurs unseres Landes vorgeben, darum geht es", sagte er vor den Abgeordneten. "Die Vertrauensfrage richte ich deshalb heute an die Wählerinnen und Wähler."
Eckpunkte für den Wahlkampf 2025
Den größten Teil seiner knapp halbstündigen Rede nutzte Scholz dann dafür darzulegen, mit welchem Programm er in den Wahlkampf ziehen will. Stabile Renten, Erhöhung des Mindestlohns, Senkung der Mehrwertsteuer, Nein zur Lieferung der Marschflugkörper Taurus in die Ukraine sind nur einige Punkte. Die Wählerinnen und Wähler bat er "um ihr Vertrauen und ihre Unterstützung".
Scholz wurde von seiner Frau Britta Ernst in den Bundestag begleitet. Die Vertrauensfrage ist für ihn die einzige Möglichkeit, selbst eine vorgezogene Bundestagswahl herbeizuführen. Er hatte diesen Schritt bereits am 6. November unmittelbar nach dem Rausschmiss von FDP-Finanzminister Lindner und dem Aus seiner Ampel-Koalition angekündigt. Seitdem führt er eine von SPD und Grünen getragene Regierung, die im Bundestag keine Mehrheit mehr hat. Ohne Unterstützung aus der Opposition kann sie nichts mehr durchsetzen.
Regierung bleibt vorerst im Amt
Auf den Status des Kanzlers und die Regierung hat die Vertrauensfrage keine Auswirkung. Der Kanzler und seine Regierung bleiben im Amt - und zwar im vollen Umfang und nicht nur geschäftsführend. Erst mit der Konstituierung des neuen Bundestags höchstens 30 Tage nach der Wahl endet laut Artikel 69 Grundgesetz das Amt des Bundeskanzlers und seiner Minister. Wenn zu diesem Zeitpunkt die Verhandlungen über eine neue Regierungskoalition noch nicht abgeschlossen sind, kann der Bundespräsident die alte Regierung bitten, die Amtsgeschäfte bis zur Vereidigung der neuen weiterzuführen.