Brexit-Deal
Votum vertagt - muss Johnson jetzt verlängern?
19. Oktober 2019, 16:50 Uhr aktualisiert am 19. Oktober 2019, 11:07 Uhr
Premierminister Boris Johnson muss möglicherweise eine Verlängerung der Brexit-Frist beantragen. Die Frage, die sich jetzt stellt: Kann er sein Versprechen einhalten, das Land am 31. Oktober aus der EU zu führen?
Das britische Parlament hat eine Entscheidung über den Brexit-Deal von Premierminister Boris Johnson verschoben und ihm damit eine empfindliche Niederlage zugefügt. Die Abgeordneten stimmten mit 322 zu 306 für einen Antrag, der vorsieht, dass die Entscheidung vertagt werden soll, bis das entsprechende Ratifizierungsgesetz verabschiedet ist. Johnson ist damit per Gesetz verpflichtet, bei der Europäischen Union eine Verlängerung der Brexit-Frist über den 31. Oktober hinaus zu beantragen.
Erwartet wird, dass der Premier trotzdem weiter versuchen wird, den Deal noch rechtzeitig durchs Parlament zu bringen, indem er das Gesetz bereits am Montag vorlegt. Am Dienstag könnte dann bereits eine weitere wichtige Abstimmung mit der zweiten Lesung des Gesetzes anstehen. Würde das Gesetz diese Hürde passieren, könnte Johnson damit rechnen, die Unterstützung für den Deal doch noch zu bekommen.
Hinter dem Vorstoß zur Vertagung stand die Sorge, das Brexit-Abkommen könnte nicht mehr rechtzeitig vor dem Austritt ratifiziert werden. Die Folge wäre ein ungeregeltes Ausscheiden aus der EU. Um einen No-Deal-Brexit zu verhindern, müssten die Abgeordneten alles durchwinken, was ihnen die Regierung im Ratifizierungsgesetz vorsetzt. Vor allem aber bot das sogenannte Letwin-Amendment eine Basis für eine möglichst breite Koalition gegen die Regierung, weil der Deal damit nicht offen abgelehnt wird.
Einem Antrag auf Aufschub würden die 27 übrigen EU-Staaten mit hoher Wahrscheinlichkeit stattgeben, wenn es eine klare Begründung gäbe. Wie lange die EU Aufschub gewähren könnte, ist unklar. Als ausreichende Begründung für eine Fristverlängerung gilt in Brüssel auch die Ausrufung von Neuwahlen oder eines Referendums.
Johnson war diese Woche gegen alle Erwartungen eine Einigung mit Brüssel gelungen. Knackpunkt war die Frage, wie eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden kann. Die im ursprünglichen Austrittsabkommen vorgesehene Regelung, den umstrittenen Backstop, konnte Johnson mit Zustimmung der EU durch eine Alternative ersetzen.
Doch die mit der Regierung verbündete nordirisch-protestantische DUP wollte die neue Regelung nicht mittragen. Damit fehlten Johnson wichtige Stimmen. Ohnehin musste er auf Unterstützung aus der Opposition hoffen, denn eine Mehrheit hat der Premier nicht. Johnsons Vorgängerin Theresa May scheiterte mit ihrem Brexit-Abkommen drei Mal im Parlament.
Die Briten hatten vor über drei Jahren - im Sommer 2016 - mit knapper Mehrheit in einem Referendum für den Austritt aus der EU gestimmt.